OGH 3Ob565/51

OGH3Ob565/5126.9.1951

SZ 24/249

Normen

ABGB §861
ABGB §879
ABGB §883
ABGB §884
ABGB §861
ABGB §879
ABGB §883
ABGB §884

 

Spruch:

Bindung an eine mündliche Umtauschzusage des Verkaufsleiters eines Messestandes, auch wenn der vom Käufer unterschriebene Bestellschein den Vermerk trägt "mündliche Vereinbarungen sind ungültig" und die zugesandte Auftragsbestätigung die Umtauschklausel nicht enthält.

Entscheidung vom 26. September 1951, 3 Ob 565/51.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Die klagende Partei begehrt die Verurteilung des Beklagten zur Bezahlung eines Betrages von 2823 S samt Nebengebühren als Kaufpreis für einen vom Beklagten bestellten vierteiligen Kaffeebehälter.

Das Prozeßgericht erkannte nach dem Klagebegehren. Es stellte fest, daß der Beklagte, dessen Gattin sich ein Geschäft einrichtete, bei der Wiener Herbstmesse 1949 den Messestand der klagenden Partei besuchte und sich dort entschloß, für das in Einrichtung befindliche Geschäft seiner Gattin einen Kaffeebehälter zu kaufen, daß er, nachdem er über die Maße der einzelnen Erzeugnisse gesprochen hatte, einen großen Kaffeebehälter bestellte und sich die Maße dieses Behälters auf dem Bestellschein festhalten ließ, daß weiters der Vertreter der klagenden Partei auf dem Messestand dem Beklagten erklärte, daß dieser die Ware, falls die Maße nicht passen sollten, umtauschen könne, schließlich, daß der Beklagte sodann einen Bestellschein, der die Klausel "mündliche Vereinbarungen, die den Auftrag betreffen, sind ungültig" enthielt, unterfertigte. Nach den weiteren Feststellungen des Prozeßgerichtes sandte die klagende Partei dem Beklagten am 22. September 1949 eine Auftragsbestätigung, die keinen Hinweis auf die Zusage des Angestellten der Klägerin enthielt und die vom Beklagten mit Schreiben vom 2. Oktober 1949 dahin beantwortet wurde, daß der Beklagte an Stelle des gegenständlichen Behelfes zwei andere, ebenfalls auf der Messe ausgestellte Behälter haben wolle. Nach Ansicht des Prozeßgerichtes habe es sich bei der Zusage des Umtausches nur um eine unverbindliche Erklärung des Angestellten des Klägers gehandelt, da weder im Bestellschein noch im Schreiben des Beklagten vom 2. Oktober 1949 ein Hinweis auf eine derartige Vereinbarung enthalten sei.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsansicht, daß eine in einem schriftlichen Vertrag enthaltene Klausel "mündliche Vereinbarungen haben keine Wirksamkeit" nur dann rechtliche Bedeutung habe, wenn der Vertragspartner diese Klausel kannte oder zumindest grob fahrlässig nicht kannte und daß diese Klausel wie jeder wichtige Vertragspunkt vom Willen der Parteien umfaßt sein müsse. Die Klausel müsse in einem Formular deutlich und in die Augen springend angebracht sein, damit sie dem Vertragspartner zur Kenntnis komme oder doch nur infolge grober Fahrlässigkeit des Vertragspartners diesem nicht zur Kenntnis gelange. Im vorliegenden Bestellschein sei aber die Klausel in winziger Schrift gedruckt und unter anderen ähnlichen Klauseln verborgen. Der Angestellte der Klägerin wäre daher verpflichtet gewesen, die mündliche Nebenabrede in den Bestellschein aufzunehmen oder den Beklagten auf die Klausel aufmerksam zu machen. Da der Angestellte der klagenden Partei dies unter Verstoß gegen Treu und Glauben im Geschäftsverkehr unterlassen habe, könne sich die klagende Partei auf die Klausel nicht berufen. Sie könne daher mangels vereinbarungsgemäßer Erfüllung des Kaufvertrages nicht die Bezahlung des Kaufpreises begehren.

Der Oberste Gerichtshof bestätigte das Berufungsurteil.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Aus dem Revisionsgrunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung wendet sich die Revision zunächst gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, es sei bei der Bestellung eine verbindliche mündliche Vereinbarung dahin zustande gekommen, daß der Beklagte berechtigt sein sollte, den Kaufvertrag auf die Lieferung zweier anderer kleinerer Behälter abzuändern, mit der Behauptung, der Bestellschein habe nur ein schriftliches Anbot des Beklagten an die Klägerin dargestellt, die Klägerin habe sich die Annahme des Auftrages durch schriftliche Bestätigung vorbehalten, die Ausfüllung des Bestellscheines sei durch einen Angestellten erfolgt, woraus die Revision die Schlußfolgerung zieht, daß das schriftliche Anbot noch nicht durch die Unterfertigung des Bestellscheines seitens des Verkäufers zum Vertrag erhoben wurde, sondern daß dies erst durch die Auftragsbestätigung erfolgte, in welcher jeglicher Hinweis auf einen bedingten Kauf oder auf ein Recht des Beklagten zur einseitigen Änderung seiner Bestellung fehle, und daß der Beklagte verpflichtet gewesen sei, sogleich gegen die Nichtberücksichtigung der vereinbarten Bedingungen zu protestieren.

Demgegenüber muß zunächst darauf verwiesen werden, daß nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanzen bei der Bestellung mit dem Angestellten der klagenden Partei über die Ausmaße des Kaffeebehälters gesprochen wurde und daß der Angestellte der klagenden Partei diese Maße auf Verlangen des Beklagten in den Bestellschein eingesetzt hat, woraus sich ergibt, daß die Ausmaße des Behälters einen wesentlichen Vertragsinhalt bildeten. Wenn nun der Bestellschein lediglich als Anbot des Beklagten aufgefaßt werden sollte, so erfolgt die Annahme dieses Anbotes unter anderen als den im Bestellschein vereinbarten Bedingungen, da die Auftragsbestätigung, die auf der Vorderseite ausdrücklich auf die "umseitigen Verkaufsbedingungen" verweist, auf der Rückseite unter § 9 die Bestimmung enthält, daß Abweichungen von den Abbildungen und von den angegebenen Maßen vorbehalten bleiben. Damit könnte die Auftragsbestätigung lediglich als neues Anbot der klagenden Partei aufgefaßt werden, das vom Beklagten gleichfalls unter anderen Bedingungen, nämlich der Lieferung von zwei kleineren an Stelle des im Bestellschein angeführten großen Behälters, angenommen wurde. Daraus würde sich aber ergeben, daß hinsichtlich des großen vierteiligen Kaffeebehälters ein Kaufvertrag überhaupt nicht zustande gekommen ist, so daß schon aus diesem Gründe dem Klagebegehren die rechtliche Grundlage fehlen würde, wenn mit der Revision der Bestellschein nur als Offert des Beklagten angesehen würde. Jedenfalls trifft aus dem angeführten Gründe die Behauptung der Revision nicht zu, der Beklagte habe, da er gegen die Nichtaufnahme der mündlichen Zusage des Vertreters in die Auftragsbestätigung nicht protestiert habe, durch sein Verhalten in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise dargetan, daß die Auftragsbestätigung mit den besprochenen Kaufbedingungen übereinstimme.

Hiezu kommt noch, daß es sich im vorliegenden Falle um eine Bestellung auf dem Messestande der klagenden Partei handelt, die nicht von einem Agenten oder untergeordneten Angestellten, sondern von dem Verkaufsleiter der klagenden Partei aufgenommen wurde. Wenn nun auch im allgemeinen bei Bestellungen, die ein Agent mit Kunden, die er selbst aufsucht, ein strengerer Maßstab hinsichtlich der Wirksamkeit der mehrfach erwähnten Ausschlußklausel in einem Bestellschein angelegt werden muß, so ist doch jedenfalls auf die besonderen Umstände des Falles bei der Prüfung der Frage, ob eine derartige Klausel mündlich getroffene Nebenabreden unwirksam macht, Bedacht zu nehmen. Auf dem Messestand der Klägerin war der kleinere Kaffeebehälter, von dem die Klägerin behauptet, daß sie ihn im damaligen Zeitpunkt nicht mehr herstellte, ausgestellt, die Besprechungen wurden mit dem Verkaufsleiter der Klägerin gepflogen, von dem der Beklagte annehmen konnte, daß er zu allen Vereinbarungen hinsichtlich des Verkaufes der auf dem Messestand ausgestellten Waren befugt sei. Der Beklagte konnte daher schon nach den im redlichen Geschäftsverkehr üblichen Verkehrsgewohnheiten und nach den Grundsätzen von Treu und Glauben annehmen, daß die Zusage des Verkaufsleiters der klagenden Partei, der Beklagte könne, falls die Ausmaße des bestellten Kaffeebehälters mit den räumlichen Gegebenheiten in dem erst einzurichtenden Geschäft seiner Gattin nicht übereinstimmen, an Stelle des bestellten zwei kleinere gleichfalls auf dem Messestande ausgestellten Kaffeebehälter erhalten, rechtsverbindlich sei, weshalb darin, daß er die unter zahlreichen anderen Klauseln enthaltene, in winziger Schrift gedruckte Ausschlußklausel nicht bemerkte, auf die er auch vom Verkaufsleiter nicht aufmerksam gemacht wurde, eine Fahrlässigkeit nicht erblickt werden kann. Im Hinblick auf die angeführten Umstände hatte der Beklagte auch keinen Grund, dagegen zu protestieren, daß in der Auftragsbestätigung nur ein großer Kaffeebehälter angeführt und von einer Ermächtigung, an dessen Stelle die Lieferung von kleineren Kaffeebehältern zu begehren, nicht enthalten war; denn er konnte aus dem Inhalt der Auftragsbestätigung, die, wie bereits erörtert, einen Vorbehalt bezüglich der Ausmaße enthielt, keineswegs ersehen, daß damit der vereinbarte Vorbehalt des Umtausches nicht anerkannt werde. Wenn die Revision schließlich darauf verweist, daß Verträge so zu verstehen sind, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht, so muß ihr entgegengehalten werden, daß auch die klagende Partei diesen Grundsatz gegen sich gelten lassen muß. Die Klägerin hatte auf ihrem Messestand ihren eigenen Verkaufsleiter beschäftigt, also einen Angestellten, von dem Kaufinteressenten annehmen konnten, daß er unumschränkte Vollmacht zu allen Vereinbarungen hinsichtlich des Verkaufes der auf dem Messestand ausgestellten Waren besitze; sie hatte dort Waren ausgestellt, von denen sie behauptet, daß sie zur damaligen Zeit gar nicht mehr erzeugt wurden, deren Lieferungsmöglichkeit aber ihr eigener Verkaufsleiter versprach, indem er mit dem Beklagten vereinbarte, daß dieser an Stelle des bestellten großen Kaffeebehälters zwei kleinere auf dem Stand ausgestellten Behälter erhalten könne; sie lehnte, als der Beklagte entsprechend der mündlichen Vereinbarung - immerhin fristgerecht - die Lieferung der zwei kleineren Kaffeebehälter begehrte, diese Lieferung ab und begehrt nunmehr die Bezahlung des Kaufpreises. Ein derartiges Verhalten der Klägerin entspricht nicht nur nicht der Übung des redlichen Verkehrs, sondern verstößt auch gegen Treu und Glauben im Geschäftsverkehr. Die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß im vorliegenden Falle die aus dem Bestellschein enthaltene Klausel der Unwirksamkeit mündlicher Vereinbarungen keine Rechtsgültigkeit habe, die mit dem Verkaufsleiter getroffene Umtauschermächtigung daher rechtswirksam sei und die klagende Partei mangels vereinbarungsgemäßer Erfüllung des Kaufvertrages nicht die Bezahlung des Kaufpreises vom Beklagten verlangen könne, ist daher frei von Rechtsirrtum, weshalb der Revision der Erfolg zu versagen war.

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