Spruch:
Eine Vereinbarung, wonach der Käufer nur - also auch in berechtigten Fällen - mit ausdrücklicher schriftlicher Zustimmung des Verkäufers unter Bezahlung einer Abstandszahlung (hier 30% des Kaufpreises) vom Vertrag zurücktreten kann, verstößt, soweit sich dies auch auf einen gesetzlich gerechtfertigten Rücktritt bezieht, gegen die guten Sitten
OGH 7. Juni 1978, 3 Ob 562/78 (LG Salzburg 32 R 783/77; BG Salzburg 9 C 1228/76)
Text
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger von der Beklagten die Bezahlung von 3513 S samt 5% Zinsen seit 1. Dezember 1975 sowie der auf die Zinsen entfallenden Umsatzsteuer (18%). Hiezu wurde vorgebracht, der Kläger habe von der Beklagten zwei Elektrogeräte gekauft und hiefür eine Anzahlung von 4710 S geleistet. Da die Beklagte die bestellte Ware nicht geliefert habe, sei der Kläger vom Vertrag zurückgetreten. Die Beklagte habe von der Anzahlung lediglich 1197 S zurückerstattet, den Restbetrag von 3513 S jedoch unberechtigterweise als Stornogebühr einbehalten.
Die Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens und wendete im wesentlichen ein, daß sie die Stornogebühr von 30% vereinbarungsgemäß einbehalten habe.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging hiebei von folgenden Feststellungen aus:
Am 19. August 1975 kaufte der Kläger von der Beklagten zwei Elektrogeräte "X 3000 mit Thermostat" zum Preise von 11 710 S. Diese Heizgeräte sind "Fußleistengeräte". Die Lieferung erfolgte im Oktober 1975. Die Anzahlung von 4710 S wurde vom Kläger fristgerecht bis 15. November 1975 bezahlt. Die gelieferten Heizgeräte erbrachten nicht die zugesagte Leistung. Die Beklagte nahm diese Geräte wieder zurück und lieferte Ersatzheizgeräte. Doch auch diese konnten den betreffenden Raum nicht beheizen. Über Aufforderung des Klägers wurde ihm von der Beklagten ein anderes Heizgerät angeboten, welches jedoch nach Ansicht des Klägers das Dreifache dessen kosten sollte, was sonst im Fachhandel ein derartiges Gerät gekostet hätte. Die von der Beklagten gelieferten Geräte wurden an diese zurückgesandt. Der Kläger erklärte mit Schreiben vom 23. Feber 1976 seinen Rücktritt vom Vertrag und ersuchte um Überweisung der Anzahlung von 4710 S abzüglich einer eventuellen Stornogebühr für die "Fußleisten". Die Beklagte überwies daraufhin dem Kläger den Betrag von 1197 S.
Der Kaufvertrag vom 18. August 1975 wurde vom Kläger und dem Verkäufer auf der Vorderseite unterschrieben. Die auf dieser Seite aufscheinenden Vertragspunkte sind mit Nr. 7 bis 13 numeriert. Der Kläger nahm diese Numerierung nicht zur Kenntnis und er ersuchte auch den Verkäufer der Beklagten nicht um Aufklärung. Auf der Rückseite dieses Kaufvertrages sind die Vertragspunkte 1 bis 6 abgedruckt. Diese enthalten im Punkt 2 Abs. 3 "die Verpflichtung" des Käufers, nur mit ausdrücklicher schriftlicher Zustimmung der Verkäuferin unter Bezahlung einer 30%igen Abstandszahlung und etwaiger Transportkosten vom Vertrag zurücktreten zu können.
In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Ansicht, die von den Parteien vereinbarte Stornogebühr sei als Vertragsstrafe anzusehen. Da die Parteien Kaufleute seien, könne diese Vertragsstrafe nicht gemäß § 1336 Abs. 2 ABGB herabgesetzt werden. Es sei daher der Einwendung des Klägers, daß er nur mit einer eventuellen Stornogebühr in der Höhe von 10% gerechnet habe, "hinfällig".
Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und verwies die Rechtssache unter Rechtskraftvorbehalt zur Fortsetzung der Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht. Das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, daß die Vereinbarung laut Punkt 2 Abs. 3 des Kaufvertrages gegen die guten Sitten verstoßen und deshalb gemäß § 879 Abs. 1 ABGB nichtig sein würde, wenn sie sich auch auf den Fall eines gerechtfertigten Rücktrittes beziehen sollte. Im Falle eines berechtigten Rücktrittes des Klägers vom Kaufvertrag könne somit Punkt 2 Abs. 3 des Kaufvertrages nicht "zu Gunsten der beklagten Partei angewendet werden". Ob der Kläger berechtigt vom Kaufvertrag zurückgetreten sei, könne aber auf Grund der Feststellung des Erstgerichtes noch nicht abschließend beurteilt werden. Sollte der Kläger berechtigt vom Kaufvertrag zurückgetreten sein, müsse jedoch auch beachtet werden, daß sich der Kläger in seinem Schreiben vom 23. Feber 1976 zur Bezahlung einer handelsüblichen Stornogebühr zur Vermeidung weiterer Streitigkeiten bereit erklärt habe. Die Angemessenheit der Stornogebühr würde das Erstgericht noch zu prüfen haben.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten Folge. Der angefochtene Beschluß wurde aufgehoben; die Rechtssache wurde an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückgewiesen.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Dem Berufungsgericht ist beizupflichten, daß eine Vereinbarung, wonach der Käufer nur - also auch in berechtigten Fällen - mit ausdrücklicher schriftlicher Zustimmung des Verkäufers unter Bezahlung einer Abstandszahlung (hier 30% des Kaufpreises) vom Vertrag zurücktreten kann, soweit sich dies auch auf einen gesetzlich gerechtfertigten Rücktritt bezieht, gegen die guten Sitten verstößt (§ 879 Abs. 1 ABGB). Auf die Unwirksamkeit einer Vereinbarung wegen Sittenwidrigkeit ist stets Bedacht zu nehmen, wenn im Prozeß auf Grund einer solchen sittenwidrigen Vereinbarung ein Anspruch geltend gemacht und dieser von der Gegenseite bestritten wird (vgl. ÖRZ 1965, 46 u. a.). Entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes besteht nach den Feststellungen des Erstgerichtes kein Zweifel, daß der Kläger vom Kaufvertrag begrundet zurückgetreten ist, weil die Beklagte vertragswidrig ungeeignete Geräte geliefert hat, auch die ersatzweise gelieferten Geräte nicht der vereinbarten Leistung entsprochen haben und sich der Kläger zum Kauf anderer Geräte nicht bereit erklärt hat. Daß der Kläger in seiner Rücktrittserklärung keine angemessene Nachfrist erteilt hat, wurde nicht eingewendet. Es ist daher auf diesen Umstand nicht weiter Bedacht zu nehmen (vgl. Rspr. 1936, Nr. 96) und davon auszugehen, daß der Kläger berechtigt vom Kaufvertrag zurückgetreten ist, und daher zur Leistung "einer 30%igen Abstandszahlung nicht verpflichtet war.
Die im Schreiben des Klägers vom 23. Feber 1976 zum Ausdruck gebrachte Bereitschaft zur Zahlung"einer eventuellen Stornogebühr für die Fußleisten" ist nicht als eine über die Pflichten des Kaufvertrages hinausgehende Zahlungsverpflichtung aufzufassen, sondern bloß als Hinweis auf eine allfällige vertragliche Verpflichtung, die aber, wie ausgeführt wurde, nicht besteht.
Geht man von diesen rechtlichen Erwägungen aus, dann ist die Sache auf Grund der Feststellungen des Erstgerichtes spruchreif. Es bestand demnach kein Grund, die Sache an das Erstgericht zur Fortsetzung der Verhandlung und neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen.
Da im Rekursverfahren betreffend einen Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes das Verbot der reformatio in peius nicht gilt (SZ 22/186 u. v. a.) war somit dem Rekurs Folge zu geben. Es konnte allerdings nicht, wie beantragt, vom OGH die Sachentscheidung im Rekursverfahren getroffen werden; diese war vielmehr der zweiten Instanz aufzutragen. Das Berufungsgericht wird die Entscheidung des Erstgerichtes in Ansehung der Kapitalsforderung zu bestätigen haben. Verzugszinsen gebühren dem Kläger jedoch erst ab dem Zeitpunkt der Fälligkeit des Rückforderungsanspruches (nach Rücktritt vom Kaufvertrag). Mangels eines schlüssigen Vorbringens des Klägers über diesen Zeitpunkt sind die Verzugszinsen (samt der hiefür zu entrichtenden Umsatzsteuer, § 4 Abs. 1 UStG 1972) jedoch erst ab dem Klagstag zuzusprechen. Im Sinne dieser Ausführungen wird die Entscheidung der ersten Instanz über das Zinsenbegehren teilweise abzuändern und teilweise zu bestätigen sein.
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