Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die beklagte Partei hat die ihr im Berufungs- und Revisionsverfahren entstandenen Kosten selbst zu tragen. Die der klagenden Partei im Berufungs- und Revisionsverfahren entstandenen Kosten sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.
Text
Begründung
Mit einer am 17. Juli 1986 eingebrachten Klage begehrte die klagende Partei den restlichen Werklohn von 703.849,11 S für Installationsarbeiten, die nach der Klagserzählung erst im Jahr 1984 beendet wurden.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete unter anderem Verjährung ein, weil die Arbeiten noch im Jahr 1982 abgeschlossen worden seien.
Die klagende Partei setzte in der Folge den Prozeß durch die Einbringung entsprechender Schriftsätze und Vorlage von Urkunden ohne erkennbaren Verzug fort, urgierte am 2. Oktober 1987 und 11. Jänner 1988 die Erstattung eines Sachverständigengutachtens und äußerte sich am 18. April 1988 in angemessener Frist zum Sachverständigengutachten. In der Tagsatzung vom 29. August 1988 bot die klagende Partei ohne richterlichen Auftrag die Vorlage von Originalen jener Urkunden, deren Echtheit bestritten wurde, und die Bekanntgabe der Adresse eines Zeugen binnen vierzehn Tagen an. Der Erstrichter erstreckte die Tagsatzung auf unbestimmte Zeit und gab bekannt, daß eine nächste Tagsatzung zur Vernehmung von Zeugen und Parteien und Ladung des Sachverständigen vorgesehen sei.
Am 13. September 1988 gab die klagende Partei wie in der Tagsatzung angeboten die Adresse eines Zeugen bekannt. Am 15. September 1988 stellte sie den Antrag, ihr die Frist zur Vorlage von Originalurkunden bis zum 12. Oktober 1988 zu verlängern, welcher Antrag vom Erstgericht bewilligt wurde. Am 23. September 1988 langte ein umfangreicher Schriftsatz der beklagten Partei ein. Am 13. Oktober 1988 beantragte die klagende Partei, ihr zur Beantwortung dieses Schriftsatzes eine Frist bis 2. November 1988 einzuräumen, welchen Antrag das Erstgericht mit Beschluß vom 17. Oktober 1988 bewilligte. Dieser Beschluß wurde dem Klagsvertreter am 20. Oktober 1988 zugestellt.
Von da an blieb die klagende Partei im Prozeß über etwa zwei Jahre lang untätig. Am 5. November 1990 langte ein Antrag der beklagten Partei auf Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung ein. Diese Tagsatzung wurde für den 7. Jänner 1991 anberaumt. Die beklagte Partei stützte ihre schon erhobene Verjährungseinwendung jetzt auch darauf, daß die klagende Partei den Rechtsstreit nicht ordnungsgemäß fortgesetzt habe.
Die klagende Partei kündigte dazu nur an, sie werde einen Wiedereinsetzungsantrag stellen, weil ihrem Vertreter verschiedene Zustellungen nicht zur Kenntnis gelangt seien, und bestritt das Vorbringen der beklagten Partei über die nicht gehörige Fortsetzung des Prozesses.
Auf Grund dieser nicht strittigen Aktenlage wies das Erstgericht das Klagebegehren ab. Es vertrat die Auffassung, daß die klagende Partei die Klage im Sinne des § 1497 ABGB nicht gehörig fortgesetzt habe, sodaß Verjährung eingetreten sei.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und vertrat die Ansicht, daß eine mehr als zweijährige Untätigkeit auch dann nicht zu rechtfertigen sei, wenn die klagende Partei zunächst mit einem amtswegigen Tätigwerden des Gerichtes (Anberaumung der angekündigten Tagsatzung) rechnen durfte. Das Berufungsgericht sprach aus, daß die Revision zulässig sei, und begründete diesen Ausspruch mit einigen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes, in denen eine Betreibungspflicht der klagenden Partei verneint worden sei.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Bei der Beurteilung der Frage, ob der Kläger seine Klage - ob die Verjährungsfrist schon im Zeitpunkt der Klagseinbringung abgelaufen war, ist hier strittig - im Sinne des § 1497 ABGB gehörig fortgesetzt hat, ist davon auszugehen, daß die Fortsetzung des Verfahrens nicht dem Kläger, sondern dem Gericht oblag. Er war daher zunächst nicht verpflichtet, beim säumigen Prozeßgericht Anträge zu stellen, und aus seiner Untätigkeit konnte nicht ohne weiteres der Schluß gezogen werden, es sei ihm an der Erreichung des Prozeßzieles nichts gelegen (König, JBl 1976, 303). Der Kläger darf allerdings nicht auf unbegrenzte Zeit im Prozeß untätig bleiben. Muß er erkennen, daß das Gericht, dessen Tätigkeit er zunächst erwarten durfte, von sich aus nicht mehr tätig wird, dann kann er sich zur Rechtfertigung seiner Untätigkeit letztlich nicht mehr darauf berufen, das Gericht hätte von Amts wegen das Verfahren fortsetzen müssen. Eine solche Annahme ist aber erst nach dem Verstreichen einer längeren Zeit der Untätigkeit des Gerichtes gerechtfertigt (SZ 58/112 = JBl 1986, 651; JBl 1990, 530). Für die Frage, ob eine ungebührliche Untätigkeit vorliegt, kommt es nicht nur auf die Dauer, sondern auch auf die Gründe der Untätigkeit an. Den Kläger trifft die Behauptungs- und Beweislast für das Vorliegen beachtlicher Gründe. Wenn er, wie im vorliegenden Fall, keine solchen Gründe vorträgt - nicht durch objektive Gründe aufgetretene Unterlassungen des eigenen Rechtsanwaltes sind dabei nicht zu berücksichtigen -, dann ist nicht von Amts wegen nach den Umständen für die Dauer der Untätigkeit des Klägers zu forschen, sondern lediglich von der Aktenlage auszugehen (VersRdSch 1989/141; JBl 1990, 113).
Mehrere Jahre Untätigkeit wurden in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes stets als ungebührlich gewertet (Arb 9.514: mehr als vier Jahre; SZ 58/112: fünf Jahre). Unter zwei Jahren liegende Zeiträume wurden hingegen nicht als schädlich angesehen (JBl 1990, 530: neun Monate; 2 Ob 38/91:
eineinhalb Jahre; die in Arb 9.834 zitierte Entscheidung 8 Ob 169/78: fast zwei Jahre). Auch knapp über zwei Jahre liegende Zeiträume wurden als noch nicht unvertretbar bewertet (Arb 9.834; ebenso die dort zitierte Entscheidung 8 Ob 218/78; ZVR 1980/168 sogar für 29 Monate).
Der erkennende Senat gelangt zur Auffassung, daß es sich anbietet, beim Fehlen besonderer Umstände den für die kurze Verjährungszeit geltenden Zeitraum von drei Jahren als Maßstab zugrundezulegen. Erst bei einer Untätigkeit von drei Jahren ist ein Kläger so zu behandeln, wie wenn er von vorneherein nicht innerhalb von drei Jahren ab dem Beginn des Laufes der Verjährungsfrist die Klage angebracht hätte. Erst dieser Zeitraum rechtfertigt die Fiktion, dem Kläger liege nichts mehr an der Verfolgung seines Prozeßzieles. Soweit erkennbar liegt die bisherige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, wenn auch ohne Bezugnahme auf die kurze Verjährungsfrist oder überhaupt auf einen bestimmt genannten Zeitraum, genau in diesem Rahmen. Im Interesse der Rechtssicherheit sollte aber nicht bloß von vagen Zeitangaben ausgegangen werden. Die in etlichen Entscheidungen genannte "längere Zeit" ist also für den Durchschnittsfall mit den genannten drei Jahren zu bestimmen.
Zur Vermeidung von Mißverständnissen sei nochmals festgehalten, daß eine Untätigkeit des Klägers von nicht mehr als drei Jahren nur dann noch keinen Verstoß gegen die in § 1497 ABGB normierte Pflicht der gehörigen Fortsetzung einer rechtzeitig angebrachten Klage darstellt, wenn die Fortsetzung des Verfahrens ausschließlich der amtswegig vorzunehmenden Tätigkeit des Prozeßgerichtes oblag, wenn also dem Kläger nur vorgehalten werden kann, er habe es unterlassen, beim säumigen Gericht die Vornahme der ausstehenden Prozeßhandlung zu betreiben, obwohl er infolge der überlangen Dauer der Säumigkeit des Gerichtes nur mehr annehmen konnte, daß das Gericht von sich aus nicht mehr tätig werden werde. In allen Fällen, wo der Kläger auf Grund einer gesetzlich oder auch nur richterlich normierten Pflicht zur Vornahme einer zur Fortsetzung des Prozesses erforderlichen Handlung gehalten ist, ist ihm im Interesse einer zügigen Prozeßführung nur eine wesentlich kürzere Zeit der Untätigkeit zuzubilligen.
Entgegen den Ausführungen der beklagten Partei in der Revisionsbeantwortung mußte der Kläger in Richtung einer Fortsetzung des Verfahrens von sich aus nicht tätig werden. Das Erstgericht hat nie zum Ausdruck gebracht, das Verfahren werde nur auf Antrag oder nur nach Vorlage der Urkunden oder Einhaltung der zur Vorlage der Urkunden erteilten Frist oder nur nach Beantwortung des Schriftsatzes der beklagten Partei fortgesetzt. Man mag zwar noch von einem Auftrag des Erstgerichtes ausgehen, der Kläger möge gewisse Prozeßhandlungen innerhalb einer erteilten Frist setzen, der Fortgang des Verfahrens wurde aber nie von der Erfüllung des Auftrages abhängig gemacht.
Im vorliegenden Fall wurden auch keine besonderen Gründe geltend gemacht, die für eine Verkürzung der Betreibungsfrist sprächen. Der Umstand, daß der Kläger in der ersten Phase des Prozesses sehr zielstrebig vorging und sein großes Interesse am raschen Fortgang des Prozesses auch durch Betreibungen bekundete, sich dann aber ohne ersichtlichen Grund zwei Jahre lang passiv verhielt, erlaubt noch nicht den Schluß, er habe den Prozeß nicht mehr fortsetzen wollen.
Der erkennende Senat geht daher entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanzen nicht von einer nicht gehörigen Fortsetzung iSd § 1497 ABGB aus, sodaß die sonstigen Einwendungen der beklagten Partei, also Eintritt der Verjährung schon wegen zu spät angebrachter Klage, fehlende Angemessenheit und Fälligkeit des begehrten Werklohnes, zu prüfen sind, was eine Zurückverweisung der Sache an die erste Instanz erfordert.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 und 52 Abs. 1 ZPO. Der Erfolg des Klägers hängt vom Ausgang des weiteren Verfahrens ab. Die der beklagten Partei im Berufungs- und Revisionsverfahren entstandenen Kosten sind hingegen schon jetzt als nicht zweckentsprechend anzusehen, weil der Kläger mit seinem berechtigten Aufhebungsantrag durchgedrungen ist und die hiefür maßgebliche Rechtsfrage abschließend entschieden wurde.
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