Normen
EO §§341 ff
EO §§341 ff
Spruch:
Das Recht zum Betrieb eines Kindergartens ist der Ausübung nach übertragbar und daher auch pfändbar
OGH 17. Dezember 1980, 3 Ob 55/80 (OLG Wien 12 R 183/79; LGZ Wien 34 Cg 68/79)
Text
Auf Grund des Versäumungsurteiles vom 22. Juni 1979, GZ 34 Cg 78/79- 2, bewilligte das Erstgericht dem betreibenden Gläubiger zur Hereinbringung seiner vollstreckbaren Forderung von 66 343.53 S samt Anhang die Exekution durch Pfändung der der verpflichteten Partei gegenüber den Eigentümern der Liegenschaft Wien 21, X-Gasse 9, zustehenden Mietrechte an der genannten Liegenschaft. Hingegen wies es den Antrag, die Pfändung und Zwangsverwaltung des von der verpflichteten Partei in Wien 21, X-Gasse 9, betriebenen "Kindergartengewerbes und der zugrunde liegenden Gewerbeberechtigung" (Punkt 4 und 7) zu bewilligen, an die verpflichtete Partei ein Verfügungsverbot zu erlassen, das Magistratische Bezirksamt für den 21. Bezirk von der Pfändung zu verständigen und einen Zwangsverwalter zu bestellen (Punkt 5, 6 und 8), mit der Begründung ab, daß es sich bei der Führung eines Kindergartens um kein Gewerbe handle.
Das Rekursgericht änderte den Beschluß des Erstgerichtes in seinem abweislichen Teil dahin ab, daß es die Pfändung des von der verpflichteten Partei in Wien 21, X-Gasse 9, betriebenen Kindergartens und der diesem Unternehmen zugrunde liegenden Betriebsgenehmigung bewilligte, der verpflichteten Partei jede Verfügung über diesen Kindergarten und die dem Betrieb zugrunde liegende Bewilligung, insbesondere deren Zurücklegung verbot und die Verständigung des Wiener Magistrates von der erfolgten Pfändung verfügte. Es sprach ferner aus, daß das Exekutionsgericht die Verwertung des gepfändeten Unternehmens zu bestimmen habe.
Das Rekursgericht führte aus, daß ein Kindergarten zwar kein Gewerbe im Sinne der Gewerbeordnung 1973 sei, aber zweifellos zu den wirtschaftlichen Unternehmungen im Sinne der §§ 341 ff. EO gehöre. Ein wirtschaftliches Unternehmen in diesem Sinne stelle sich als Organisation von körperlichen und unkörperlichen Sachen dar und bestehe aus Sachgütern (hier: Warenvorräte und Einrichtungsgegenstände), Rechten (hier: Bestandrechte und Betriebsbewilligung) und wirtschaftlichen Chancen (hier: Lage und Ruf), die durch eine zweckvolle Leistung zu einer wirtschaftlichen Einheit (Organisation) zusammengefaßt seien. Exekutionsobjekt sei der vorhandene Betrieb des Unternehmens. Im allgemeinen könnten alle wirtschaftlichen Unternehmungen, die auf gewerbsmäßiger Tätigkeit beruhen und vor allem auf wirtschaftlichen Gewinn gerichtet sind, in Exekution gezogen werden. Die Pfändung der Betriebsbewilligung wäre zwar nicht erforderlich, da die Pfändung des Unternehmens auch diese Bewilligung umfasse, sie sei aber antragsgemäß zu bewilligen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Verpflichteten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Kindergärten sind, wie die Vorinstanzen richtig erkannten, keine gewerblichen Unternehmungen; sie unterliegen nicht der Gewerbeordnung (§ 2 Z. 12 GewO 1973), sondern den Bestimmungen des Wiener Landesgesetzes vom 16. Juni 1967, LGBl. 32, betreffend die Regelung des Kindertagesheimwesens. Nach § 5 Abs. 1 dieses Gesetzes dürfen Kindertagesheime, unter denen auch Kindergärten für Kinder im Alter von 3 bis 6 Jahren verstanden werden, nur mit Bewilligung des Magistrates betrieben werden. Träger der Bewilligung ist diejenige physische oder juristische Person, in deren Namen das Kindertagesheim betrieben wird (§ 1 Abs. 3 leg. cit.). Die Bewilligung zum Betrieb eines Kindertagesheimes ist nach § 8 Abs. 4 des zitierten Gesetzes unübertragbar.
Exekutionsobjekt können grundsätzlich auch Unternehmungen sein, für die die Gewerbeordnung 1973 nicht gilt (Heller - Berger - Stix, 2420 u. a.). Der Betrieb eines Kindergartens ist aus den vom Rekursgericht zutreffend dargelegten Gründen eine "ähnliche wirtschaftliche Unternehmung" im Sinne des § 341 EO, die unter der Voraussetzung ihrer Verwertbarkeit der Pfändung unterliegt. Die Verwertung von Vermögensrechten im Sinne der §§ 331 ff. EO kann aus rechtlichen Gründen unmöglich sein, z. B. weil sie höchstpersönlich sind und daher auf einen anderen nicht übertragen werden können. Aber auch wenn das Recht als solches nicht übertragen werden kann, ist die Pfändung zulässig, wenn es wenigstens seiner Ausübung nach übertragen werden kann (Heller - Berger - Stix, 2334; Kollross, Die Exekution auf Vermögensrechte und Unternehmungen, 21). Ein Kindergarten beruht nicht ausschließlich auf der persönlichen Tätigkeit seines Inhabers, dieser muß nicht selbst die fachliche Befähigung für den Betrieb eines Kindergartens besitzen. Das Wiener Landesgesetz LGBl. 1967/32 verlangt im § 4 Abs. 1 lediglich, daß zum Leiter eines Kindertagesheimes nur bestellt werden dürfe, wer eigenberechtigt und unbescholten ist, die in Abs. 2 angeführten Voraussetzungen und eine entsprechende Praxis nachweisen kann. Fachliche Voraussetzung ist die erfolgreiche Ablegung der der Verwendung entsprechenden, in der Republik Österreich gültigen Befähigungsprüfung. Es handelt sich somit um eine Tätigkeit, die auch von einem hiezu fachlich befähigten Zwangsverwalter ausgeübt werden kann. Da überdies eine ausdrückliche gegenteilige Anordnung des Gesetzgebers fehlt, ist anzunehmen, daß das dem Inhaber der Betriebsbewilligung selbst zustehende (öffentliche) Recht zum Betriebe eines Kindergartens der Ausübung nach übertragbar und daher auch pfändbar ist.
Die Behauptung der Revisionsrekurswerberin, daß sie ein Verein sei, der nicht zu Erwerbszwecken gegrundet worden sei und daher keinen Gewinn abwerfen dürfe, stellt eine im Rekursverfahren unzulässige und daher unbeachtliche Neuerung dar. Bei Erledigung des Exekutionsantrages war den Akten nicht zu entnehmen, daß es sich bei der verpflichteten Partei um einen nicht auf Gewinn gerichteten Verein handelt. Für die Vorinstanzen bestand daher auch keine Veranlassung, vor Erledigung des Exekutionsantrages bei der Vereinsbehörde anzufragen und die Vereinsstatuten beizuschaffen. Es braucht deshalb auch nicht erörtert zu werden, ob es einem idealen Verein erlaubt ist, ein auf Gewinn gerichtetes Unternehmen zu betreiben. Die unrichtige Bezeichnung des Exekutionsobjektes ist, wie das Rekursgericht zutreffend erkannte, kein Hindernis für die aufrechte Erledigung des Exekutionsantrages, da diesem eindeutig zu entnehmen ist, welches Vermögensobjekt der verpflichteten Partei in Exekution gezogen werden soll.
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