Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin binnen vierzehn Tagen die mit 3.706,20 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 617,70 S Umsatzsteuer) zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin begehrte die Scheidung ihrer mit dem Beklagten im Jahr 1966 geschlossenen Ehe wegen schwerer Eheverfehlungen des Beklagten, nämlich grundloser Eifersucht, Beschimpfungen, Tätlichkeiten, knapper Unterhaltsleistungen und Alkoholmißbrauches. Der Beklagte trat dem Begehren auf Scheidung nicht entgegen, beantragte aber den Ausspruch des überwiegenden Verschuldens der Klägerin wegen ehewidriger Beziehungen zu anderen Männern, Alkoholmißbrauchs, Beschimpfungen, allein verbrachter Freizeit, Anschaffung eines eigenen PKWs, Ablehnung des ehelichen Verkehrs und Auszugs aus dem ehelichen Schlafzimmer.
Das Erstgericht erkannte auf Scheidung der Ehe wegen Verschuldens beider Ehegatten und sprach aus, daß das Verschulden des Beklagten überwiege.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes. Die Vorinstanzen trafen kurz zusammengefaßt folgende Tatsachenfeststellungen:
Der Beklagte belegte die Klägerin schon seit ihrer Einreise nach Österreich Anfang 1967 immer wieder mit Schimpfworten wie Krucka, Blöde, Trampel, Krot. "In Reaktion darauf" beschimpfte auch die Klägerin den Beklagten mit Ausdrücken wie Blöder, Trottel, Hund, Hurenbock, Beutel, Schwein und Drecksau und drohte dem Beklagten ihm die Geschlechtsteile zu zerstören. Es kam auch zu wechselseitigen Tätlichkeiten wie Haarausreißen, Faustschlägen und Ohrfeigen, ohne daß hier feststünde, wer jeweils begann. Manchmal weckte der Beklagte die Klägerin, wenn er zB gegen 4 Uhr früh heimkam, sagte "faule Krucka, stehe auf" und verlangte, Kaffee zu kochen. Er meinte auch, sie könnte sich eine Arbeit suchen, wenn sie nicht so faul wäre.
Der Beklagte leistete der Klägerin, die neben dem Haushalt zwei eheliche Kinder (geboren 1967 und 1968) zu versorgen hatte, einen eher knapp bemessenen Unterhalt. In den letzten Jahren gab ihr öfters ein Sohn Geld. Alle Gelddispositionen traf der Beklagte allein. Als die Klägerin selbst berufstätig wurde, gab ihr der Beklagte kein Geld mehr, sondern tätigte nur noch Einkäufe für den Haushalt und bezahlte die Betriebskosten. Der Beklagte lehnte es wiederholt ab, der Klägerin für Besuche oder für Fahrten zum Arbeitsplatz seinen PKW zur Verfügung zu stellen. Im Juli 1986 schaffte die Klägerin selbst einen PKW an.
Der Beklagte kam öfters betrunken heim. Wenn er eine ganze Nacht ausgeblieben war, was auch zwei- bis dreimal wöchentlich sein konnte, lehnte er es ab, der Klägerin zu sagen, wo er war. Die Klägerin war, abgesehen von einem Vorfall kurz nach der Eheschließung, als der Beklagte sie aus ihrer tschechischen Heimat nach Österreich bringen wollte, nur einmal im Jahr 1986 oder 1987 alkoholisiert, als sie mit dem Beklagten gemeinsam ausgegangen war. Die Klägerin begann erst in letzter Zeit allein auszugehen, wobei sie immer Freundinnen besuchte und oft auch erst nach dem Beklagten heimkam.
Ehewidrige Beziehungen der Klägerin zu anderen Männern sind nicht erwiesen. Ganz am Beginn der Ehe hatte die Klägerin einmal mit einem Freund des Beklagten aus Anlaß eines Ballbesuchs Bier getrunken, was den Beklagten zu einer Eifersuchtsszene veranlaßte. Der Beklagte verfolgte die Klägerin auch nach der Geburt der beiden Kinder mit unbegründeter Eifersucht. Er warf ihr wiederholt vor, die Kinder stammten nicht von ihm, die Klägerin solle dies zugeben; schließlich tat dies die Klägerin, um endlich Ruhe zu bekommen. In der Folge war von diesem Thema nicht mehr die Rede. Der Beklagte ließ die Klägerin jedoch in den letzten Jahren durch seine Schwester wiederholt anonym anrufen, um zu überprüfen, ob sie zu Hause sei. Der Beklagte forderte die Klägerin wiederholt auf, zu gehen, sie sei schon die längste Zeit da. Als die Klägerin im Jahr 1985 Scheidungsgedanken hatte, sagte er, sie könne gehen wenn sie wolle. Im März 1988 sagte der Beklagte zu ihr, sie könne gehen, mit 40 brunze sie niemand mehr an.
Seit dem Jahr 1987 lehnte die Klägerin einen Geschlechtsverkehr mit dem Beklagten wegen der ständigen Beschimpfungen ab. Dabei sagte sie öfters zum Beklagten, es grause ihr vor ihm. Der Beklagte bemühte sich in der Folge nicht mehr um einen ehelichen Verkehr. Seit Anfang 1988 reden die Streitteile fast nichts mehr miteinander. Im Dezember 1988 zog die Klägerin als Reaktion auf die anonymen Anrufe der Schwester des Beklagten und wegen seiner Beschimpfungen aus dem gemeinsamen Schlafzimmer aus.
Auf Grund dieser Feststellungen waren die Vorinstanzen der Rechtsansicht, daß das Verschulden des Beklagten weit schwerer wiege als die Verfehlungen der Klägerin. Das Berufungsgericht wies vor allem darauf hin, daß der Beklagte die Klägerin, die ihr Heimatland verlassen habe und dadurch verstärkt auf den Beklagten angewiesen war, von Anfang an nicht als wirkliche Partnerin behandelt habe und durch seine Beschimpfungen, seine Alkoholexszesse, die kränkende Aufforderung, ihn zu verlassen, die unzureichende Unterhaltsleistung und die Kleinlichkeit bei der Zurverfügungstellung des PKWs die entscheidenden Beiträge zur Zerstörung der Ehe gesetzt habe. Weiters habe er durch seine unbegründete Eifersucht zur Zerrüttung der Ehe beigetragen. Demgegenüber habe die Klägerin zwar auch die Pflicht zur anständigen Begegnung verletzt, dies aber doch nur als Reaktion auf das Verhalten des Beklagten. Die Ablehnung des ehelichen Verkehrs und der Auszug aus dem ehelichen Schlafzimmer seien durch das Verhalten des Beklagten veranlaßt worden und in einer Phase erfolgt, als die Ehe schon weitgehend zerrüttet gewesen sei.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Beklagten, der nur mehr den Ausspruch bekämpft, daß sein Verschulden überwiege, ist nicht berechtigt. Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor. Auf den erstmals im Berufungsverfahren gestellten Beweisantrag eine Zeugin über einen ehewidrigen Kontakt der Klägerin zu einem anderen Mann zu vernehmen, hat das Berufungsgericht mit Recht nicht Bedacht genommen; denn gemäß dem mit Bundesgesetz über Änderungen des Personen- , Ehe- und Kindschaftsrechts BGBl 1983/566 eingefügten § 483 a Abs 2 ZPO ist die das Neuerungsverbot regelnde Bestimmung des § 482 ZPO nur mehr im Verfahren über die Nichtigerklärung oder die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe, nicht aber in Streitigkeiten über die Scheidung einer Ehe anzuwenden. Ein Fall der Zulässigkeit der Neuerung zur Widerlegung der vom Erstgericht vorgenommenen Beweiswürdigung liegt nicht vor, denn die neue Zeugin wird zu einem neuen, in erster Instanz nie vorgebrachten Vorfall angeboten. Es ist daher nicht dazu Stellung zu nehmen, inwieweit der von Fasching vertretenen Lehrmeinung (zB ZPR2 Rz 1730) zu folgen wäre, neues Vorbringen zur Erschütterung der angenommenen Glaubwürdigkeit eines Zeugen oder Sachverständigen (Verurteilung wegen falscher Beweisaussage, Ausschluß des Sachverständigen von der Berufsausübung und dergleichen) sei trotz des Neuerungsverbotes zulässig..
Auch eine Aktenwidrigkeit ist nicht erkennbar. Das Berufungsgericht hat kein Beweismittel unrichtig dargestellt. Es wurde aber auch in der rechtlichen Beurteilung nicht ausgeführt, daß alle von der Klägerin begangenen Beleidigungen des Beklagten eine reine Reaktionshandlung gewesen seien, sondern es heißt nur, daß dies "regelmäßig" so gewesen sei. Es kann also hier der Revision folgend auch auf Grund der vom Berufungsgericht zugrunde gelegten Feststellungen davon ausgegangen werden, daß zB die Äußerung der Klägerin, ihr grause vor dem Beklagten, keine bloße Reaktion auf eine vorangegangene Beschimpfung durch den Beklagten war. Damit ist aber insgesamt für den Beklagten nichts zu gewinnen, denn die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen ist frei von Rechtsirrtum.
Zutreffend ging das Berufungsgericht vom Gesamtverhalten der Ehegatten aus (EFSlg 57.209) und berücksichtigte vor allem, wer mit der schuldhaften Zerstörung der Ehe den Anfang machte (EFSlg 57.212), während den nach schon eingetretener Ehezerrüttung begangenen Eheverfehlungen keine entscheidende Rolle mehr zukommt (EFSlg 57.220), und daß der Ausspruch des überwiegenden Verschuldens eines Teiles nur in Betracht kommt, wenn dessen Schuld erheblich schwerer ist und der Unterschied augenscheinlich hervortritt (EFSlg 57.228 f).
Nach den getroffenen Feststellungen hat der Beklagte die Klägerin von Anfang der Ehe an beschimpft. Er hat also in der allerersten Phase der Ehe den ersten entscheidungswesentlichen Beitrag zu den dann immer schlechter werdenden Beziehungen zwischen den Streitteilen gesetzt. Dazu kommt auch eine sonst herabsetzende Behandlung (zB des Weckens in der Nacht, die Verweigerung einer Auskunft, wo er war). Die Klägerin wurde auch in finanzieller Hinsicht eingeengt (alles bestimmte der nur einen knappen Unterhalt gewährende Beklagte).
Der Beklagte machte der Klägerin unbegründete Eifersuchtsszenen, wobei besonders die telefonischen Anrufe untragbar waren. Er gab ihr wiederholt zu verstehen, daß sie jederzeit verschwinden könne, daß er sie also gering schätze. Demgegenüber hat die Klägerin in allen diesen Jahren im Rahmen heftiger wechselseitiger Beschimpfungen zwar auch geschimpft, wobei es nicht sehr wichtig ist, ob die Palette der festgestellten Schimpfwörter bei ihr reicher ist; nur der Drohung, sie werde dem Beklagten die Geschlechtsteile zerstören, kommt hier ein Gewicht zu. Sie hat sich auch an entstandenen Tätlichkeiten beteiligt, wobei nicht feststeht, wer jeweils mit der Tätlichkeit begann. In den Jahren bis 1987 tritt aber das Mitverschulden der Klägerin gegenüber dem überwiegenden Verschulden des Beklagten doch fast völlig in den Hintergrund (EFSlg 57.228). Erst in der letzten Phase hat dann auch die Klägerin entscheidendere Beiträge zur endgültigen Zerstörung der Ehe geleistet. Sie verbrachte jetzt die Freizeit öfters allein, kam abends spät nach Hause, lehnte einen ehelichen Verkehr ab, dies dazu mit der sehr herabsetzenden Bemerkung, ihr grause vor dem Beklagten und zog schließlich aus dem gemeinsamen ehelichen Schlafzimmer aus. Für sich allein betrachtet wären all dies entscheidende Beiträge zur Zerstörung der Ehe. Wenn man im vorliegenden Fall aber berücksichtigt, daß die Ehe schon durch das jahrelange vorangegangene Verhalten des Beklagten weitgehend zerstört war, dann ist es berechtigt, trotz des Gewichtes dieser Verfehlungen der Klägerin insgesamt immer noch vom überwiegenden Verschulden des Beklagten auszugehen. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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