OGH 3Ob548/53

OGH3Ob548/5319.8.1953

SZ 26/209

Normen

Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1236
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1425
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1236
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1425

 

Spruch:

Wenn bei ehelichem Miteigentum einer Liegenschaft Wirtschaftserzeugnisse verkauft werden und beide Ehegatten auf die ganze Kaufpreisforderung Anspruch erheben, kann nicht einer allein mit schuldbefreiender Wirkung für den Käufer den Kaufpreis übernehmen. Der Kaufpreis wäre gemäß § 1425 ABGB. bei Gericht zu erlegen.

Entscheidung vom 19. August 1953, 3 Ob 548/53.

I. Instanz: Bezirksgericht Voitsberg; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

Der Kläger ist gemeinsam mit seiner Frau Maria je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ. 85 und 150, KG. B. Am 19. Juli 1952 hat die Gattin des Klägers gemäß § 1238 ABGB. die Verwaltung ihres Vermögens durch den Mann widerrufen. Die Frau hat wiederholt während der Verwaltung des Mannes Schweine verkauft und den Kaufpreis auch eingezogen. Im September 1952 verkaufte die Frau des Klägers dem Beklagten wieder fünf Schweine aus der gemeinsamen Wirtschaft um S 7303.35. Der Beklagte gab 1000 S Angabe. Als der Sohn des Beklagten die Schweine am 8. September 1952 abholen wollte, verweigerte der Kläger die Herausgabe und der Sohn kehrte unverrichteter Dinge zum Beklagten zurück. Da die Gattin des Klägers trotzdem auf Abholung der Schweine drängte, fuhr der Sohn des Beklagten wieder zum Kläger. Nunmehr erlaubte dieser das Wegbringen der Schweine, verlangte aber, daß bei der Abwaage seine Tochter dabei sei und daß der gesamte Kaufpreis an ihn bezahlt werde. Dies ließ der Kläger dem Beklagten auch noch durch einen Boten persönlich mitteilen. Als die Tochter zur Abwaage kam, erklärte der Beklagte, daß die Schweine bereits gewogen seien und daß der Kaufpreis bei der Raiffeisenkasse V. erliege. Als die Tochter dort das Geld beheben wollte, hatte die Frau des Klägers bereits den gesamten Kaufpreis abgehoben. Der Beklagte hatte nämlich mit Rücksicht auf die Forderung des Klägers die Angabe von der Frau zurückverlangt und auch erhalten und bei der Raiffeisenkasse V. von seinem Konto den Kaufpreis zugunsten des Klägers und seiner Gattin abschreiben lassen. Als die Gattin des Klägers hievon erfuhr, behob sie dort den ganzen Kaufpreis.

Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage die Zahlung der Hälfte desKaufpreises, gestützt auf sein Miteigentumsrecht an den verkauften Schweinen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Aus der Tatsache des Miteigentums könne der Kläger keinen Anspruch gegen den Beklagten ableiten. Er werde sich an die Gattin halten müssen und von ihr die Herausgabe des Kaufpreises verlangen müssen. Vertragspartnerin des Beklagten sei nur die Gattin des Klägers gewesen, nur diese habe den Kaufpreis fordern können. Die Frau des Klägers habe durch Zurückgabe der Angabe dem Erlag bei der Raiffeisenkasse zugestimmt, daraus könne der Kläger auch keine Ansprüche ableiten.

Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren statt. Es übernahm die erstgerichtlichen tatsächlichen Feststellungen. Da sowohl der Kläger als auch dessen Gattin die Bezahlung des gesamten Kaufpreises für sich begehrten, habe sich der Beklagte nur durch Gerichtserlag nach § 1425 ABGB. von seiner Schuld befreien können. Durch den Erlag bei der Raiffeisenkasse sei die Schuld nicht getilgt worden. Es sei daher auch gleichgültig, in welcher Weise dieser Erlag erfolgte.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Soweit der Beklagte ausführt, der Kläger und seine Gattin leben zufolge eines randlosen Ehevertrages in einer allgemeinen Gütergemeinschaft, stellt diese Behauptung eine unzulässige Neuerung in tatsächlicher Richtung dar. Auf diese ist nicht Bedacht zu nehmen, ebensowenig auf die aus dieser Tatsache abgeleiteten Schlußfolgerungen des Beklagten. Hingegen ist es unrichtig, daß das Berufungsgericht von den erstgerichtlichen tatsächlichen Feststellungen abgewichen wäre. Ob ein Kaufvertrag zwischen den Streitteilen geschlossen wurde oder nicht, ist eine rechtliche Schlußfolgerung, welche das Berufungsgericht aus den tatsächlichen Feststellungen gezogen hat. Zu einer solchen rechtlichen Beurteilung des Sachverhaltes sind sowohl die Parteien im Rechtsmittelverfahren als auch das Rechtsmittelgericht selbst berechtigt.

Da die Verwaltungsberechtigung des Mannes widerrufen wurde, sind nunmehr beide Ehegatten gemeinsam Verwalter des gemeinsamen Eigentums. Kein Teil ist allein zu einer Handlung berechtigt, durch welche über das gesamte gemeinsame Eigentum verfügt wird. Hat aber die Gattin des Klägers mit dem Beklagten einen Kaufvertrag über die Schweine abgeschlossen, die im gemeinsamen Eigentum der beiden Ehegatten standen, ist der Kaufvertrag trotzdem rechtswirksam zustandegekommen, weil auch fremde Sachen verkauft werden können. Sache der Verkäuferin wäre es dann gewesen, den Beklagten vor Eigentumsansprüchen des Klägers zu bewahren. Der Kläger als Mitbesitzer war allerdings im Hinblick auf die ihm zustehende Verfügungsgewalt berechtigt, die Herausgabe der Sache zu verweigern, wovon er auch Gebrauch machte. Wohl hat er schließlich der Wegschaffung der Schweine zugestimmt. Er wollte aber bei der Abwaage vertreten sein und begehrte die Zahlung des Kaufpreises zu seinen Handen. Damit ist der Kläger mit dem Beklagten in rechtsgeschäftliche Beziehungen getreten und dem Kaufvertrage seiner Frau beigetreten. Dieser Beitritt des Klägers wurde vom Beklagten auch anerkannt; dies brachte er dadurch zum Ausdruck, daß er das Angeld von der Gattin des Klägers zurückbegehrte und im Hinblick auf die Forderung des Klägers nach dem ganzen Kaufpreis diesen zugunsten beider Ehegatten erlegte. Es ist daher nicht nur zwischen der Gattin des Klägers und dem Beklagten, sondern auch zwischen dem Kläger selbst und dem Beklagten einVertrag zustandegekommen. Der Kläger hat aber auch durch seine Erklärung klar zum Ausdruck gebracht, daß er der Zahlung des gesamten Kaufpreises an seine Frau widerspricht und daß die Frau zur Einziehung der ihm jedenfalls gebührenden Kaufpreishälfte nicht bevollmächtigt ist. Der Beklagte hat niemals behauptet, in Unkenntnis der Tatsache gewesen zu sein, daß die Schweine im gemeinsamen Eigentum der Ehegatten standen. Nach dieser ausdrücklichen Erklärung des Klägers kann sich der Beklagte auch nicht darauf berufen, es sei in bäuerlichen Kreisen üblich, daß die Frau über die Schweine allein verfügungsberechtigt sei, während der Mann über das Rindvieh verfüge. Der Beklagte war vielmehr nach dieser Erklärung nicht mehr berechtigt, den gesamten Kaufpreis an die Gattin des Klägers zu bezahlen. Wenn auch die Gattin des Klägers durch die Rückgabe der Anzahlung ihren Willen zur Abänderung der ursprünglichen Vereinbarung zum Ausdruck brachte und mit dem Erlag des Kaufpreises zugunsten beider Ehegatten bei der Raiffeisenkasse V. einverstanden war, so lag doch ein solches Einverständnis des Klägers nicht vor. Dieser begehrte vielmehr, wenn auch zu Unrecht, daß ihm der gesamte Kaufpreis zu bezahlen sei. Da nun beide Ehegatten auf die ganze Kaufpreisforderung Anspruch erhoben, konnte nicht einer allein mit schuldbefreiender Wirkung für den Beklagten den Kaufpreis übernehmen. Mit Recht führt das Berufungsgericht aus, daß der Beklagte in diesem Falle berechtigt gewesen wäre, den Kaufpreis gemäß § 1425 ABGB. bei Gericht zu erlegen. Die Anweisung an die Raiffeisenkasse, von seinem Konto den Kaufpreis zugunsten der Eheleute abzuschreiben, war noch keineZahlung an beide Ehegatten. Tatsächlich hat auch die Gattin des Klägers den gesamten Kaufpreis erhalten. Da eine Solidarberechtigung der Ehegattin nicht bestand, der Beklagte durch die Erklärung des Klägers vielmehr wußte, daß der Kläger mit der Zahlung des gesamten Kaufpreises an seine Frau nicht einverstanden ist, die Gattin des Klägers daher zur Einziehung des gesamten Kaufpreises in einer auch dem Beklagten erkennbaren Weise nicht berechtigt war, ist der Beklagte dadurch, daß der Kaufpreis zur Gänze der Gattin des Klägers zugekommen ist, von seiner Schuld gegenüber dem Kläger nicht befreit worden. Dem Klagebegehren wurde daher mit Recht stattgegeben.

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