OGH 3Ob545/90

OGH3Ob545/9027.6.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Klinger, Dr. Angst und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Günther W***, Hausmeister, Innsbruck, Inn Allee 11, vertreten durch Dr. Ekkehard Beer ua, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei Elfriede Liselotte Johanna W***, Kellnerin, Innsbruck, Fischerhäuslweg 27/32, vertreten durch Dr. Jörg Christian Horwath, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Ehescheidung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 17.Oktober 1989, GZ 3 a R 414/89-34, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 5.Juni 1989, GZ 4 C 29/88-26, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen vierzehn Tagen die mit 3.706,20 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 617,70 S Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrt mit der am 27.April 1988 eingebrachten Klage die Scheidung seiner im Jahr 1974 mit der Beklagten geschlossenen Ehe wegen schwerer Eheverfehlungen der Beklagten. Sie habe sich unleidlich verhalten, immer Streit gesucht, ihn beleidigt und mißhandelt, die 1974 und 1976 geborenen Kinder nicht gut betreut, sei wiederholt betrunken gewesen und unterhalte auch ehewidrige Beziehungen zu anderen Männern.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und stellte hilfsweise den Antrag, das überwiegende Verschulden des Klägers auszusprechen. Der Kläger habe seine Unterhaltspflicht vernachlässigt, eigenmächtig Gegenstände der Beklagten entfernt, ein Telefonkabel beschädigt und ein ehebrecherisches Verhältnis mit einer anderen Frau aufgenommen.

Das Erstgericht erkannte auf Scheidung der Ehe aus dem Verschulden der Beklagten und sprach aus, daß den Kläger ein gleichteiliges Verschulden treffe.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes. Die Vorinstanzen trafen im wesentlichen folgende Tatsachenfeststellungen:

Der Kläger ist Hausmeister eines Altenheims. Seine Dienstwohnung war die eheliche Wohnung. Die Schwierigkeiten in der Ehe begannen, als die Beklagte ab dem Jahr 1985 im Heimkaffee des Altenheims als Bedienerin arbeitete. Sie kam nämlich jetzt öfters angeheitert vom Dienst nach Hause, weil sie wiederholt über Gebühr Alkohol konsumiert hatte. Etwa zweimal im Monat fanden regelrechte Alkoholfeiern statt. Der Kläger trank nur außerhalb seiner Dienstzeit Alkohol.

Der Alkoholkonsum der Beklagten schuf für den Kläger insofern eine peinliche Situation als er um seinen Arbeitsplatz fürchten mußte. Er machte ihr daher wiederholt massive Vorhaltungen. Etwa im Jahr 1987 entstand dadurch schon eine ernsthafte Ehekrise. Etwa bis September 1987 hatten sich die Beziehungen der Streitteile so verschlechtert, daß seither beide Teile den Gedanken an eine mögliche Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft aufgegeben hatten.

Wenn die Beklagte angeheitert war, war sie zum Kläger und zu den Kindern unleidlich. Es kam zu Streitigkeiten und auch zu Handgreiflichkeiten der Beklagten. Der Kläger reagierte mit Beschimpfungen übelster Art. Im Frühjahr 1988 schlug die Beklagte dem Kläger eine Flasche über den Kopf, ohne daß dies eine bedeutende Verletzung hervorgerufen hätte. Im Zuge eines Streites zerschnitt der Kläger ein Telefonkabel aus Ärger über eine seiner Meinung nach zu hohe Telefonrechnung. Beide Teile gaben beleidigende Äußerungen mit unangebrachten und derben Ausdrücken von sich und nörgelten ständig.

Die Beklagte war auch zu den Kindern sehr grob, ohne daß eine Körperverletzung ihrer Tochter erwiesen wäre, und kümmerte sich nicht im notwendigen Ausmaß um die Betreuung. Aus diesem Grund suchte der Kläger anfangs 1988 nach einer anderweitigen Verpflegungsmöglichkeit für die ehelichen Kinder und fand sie bei Familie S***, die ein Gasthaus betrieben. Die Kinder nahmen dann dort das Mittagessen und fallweise auch das Abendessen ein. Der Kläger begann, in einem freien Zimmer des Gasthauses zu nächtigen, um den Streitigkeiten mit der Beklagten aus dem Weg zu gehen. Im März 1988 nahm er mit Marina S*** ehebrecherische Beziehungen auf und begründete mit ihr in der Folge eine Lebensgemeinschaft. Die Beklagte verdiente immer so viel, daß sie davon ihren eigenen Unterhalt bestreiten konnte. Es ist nicht erwiesen, daß sie seit ihrer Arbeitslosigkeit nicht in der Lage wäre, ein entsprechendes Einkommen zu erzielen.

Es ist nicht erwiesen, daß die Beklagte ehewidrige Beziehungen zu anderen Männern unterhalten hat, wie dies im Provisorialverfahren als bescheinigt angenommen wurde und als Begründung für eine einstweilige Verfügung diente auf Grund derer die Beklagte die eheliche Wohnung im September 1988 räumte, worauf der Kläger mit seiner Lebensgefährtin in seine Dienstwohnung einzog. Die Beklagte leistete nach ihrem Auszug keinen Unterhalt für die ehelichen Kinder. In rechtlicher Hinsicht werteten die Vorinstanzen vor allem die Alkoholexzesse der Beklagten und die dadurch bedingten Verhaltensweisen als schwere Eheverfehlungen, die den primären Beitrag zur Zerrüttung der Ehe geleistet hätten. Demgegenüber sei der Ehebruch des Klägers erst nach eingetretener Zerrüttung der Ehe erfolgt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist nicht berechtigt

Die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Die Ausführungen der Revision zu diesen Revisionsgründen betreffen nur die Beweiswürdigung der Vorinstanzen. Eine Bindung an ein freisprechendes Strafurteil besteht gemäß § 268 ZPO nicht. Auch die Rechtsrüge ist unberechtigt.

Zutreffend ging das Berufungsgericht vom Gesamtverhalten der Streitteile aus (EFSlg 57.209 f) und berücksichtigte vor allem, wer mit der schuldhaften Zerstörung der Ehe den Anfang machte (EFSlg 57.212). Für das hier entscheidende Jahr 1987 zeigt sich, daß die Beklagte durch ihren Alkoholmißbrauch und die vor allem daraus resultierenden Streitigkeiten das entscheidende Fehlverhalten gesetzt hat. Zwar hat der Kläger unangemessen durch derbe Beleidigungen reagiert, aber das Verhalten des Klägers war immerhin nur eine Folge des Verhaltens der Beklagten. Als die Ehe schon praktisch weitgehend zerstört war hat dann freilich der Kläger durch das Verlassen der Beklagten und durch die Aufnahme ehebrecherischer Beziehungen zu einer anderen Frau das endgültige Ende der ehelichen Gemeinschaft verursacht, sodaß sich für die letzte Phase ein Übergewicht im Verschulden des Klägers ergibt. Auch wenn der Ehebruch einen absoluten Scheidungsgrund darstellt (EFSlg 57.080), jedenfalls aber als die schwerste Verfehlung gegen die eheliche Treuepflicht besonders schwer wiegt (EFSlg 57.219), muß dies doch keineswegs immer zum Ausspruch des überwiegenden Verschuldens desjenigen Teiles führen, dem der Ehebruch zur Last liegt. Wenn der Ehebruch erst nach der schon eingetretenen weitgehenden Ehezerrüttung begangen wurde, spielt er nämlich nicht mehr die entscheidende Rolle (EFSlg 57.220 f). Das überwiegende Verschulden ist aber nur auszusprechen, wenn die Schuld des einen Eheteils erheblich schwerer ist und das Verschulden des anderen fast völlig in den Hintergrund tritt (EFSlg 57.228 f). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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