Spruch:
Der Abfertigungsanspruch nach § 23 Abs. 6 AngG. gehört nicht in den Nachlaß.
Entscheidung vom 3. September 1952, 3 Ob 534/52.
I. Instanz: Bezirksgericht Fünfhaus; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Mit dem erstgerichtlichen Beschluß wurde entsprechend den Anträgen der Testamentserbin verfügt: 1. Das errichtete Nachlaßinventar wird unter Einbeziehung des gemäß § 531 ABGB. dem Nachlaßvermögen zuzurechnenden, dem Erblasser gegen die Firma A. A. G. zustehenden Forderungsanspruches mit einem Aktivstand von 11.252.66 S und Abzugsposten von 3759.21 S der Verlassenschaftsabhandlung zugrundegelegt. 2. Die Firma A. A. G. wird ersucht, den Forderungsanspruch des Verstorbenen im Betrage von 9662.66 S sowie dessen Gewerkschaftsmitgliedsbuch an den Gerichtskommissär zu treuen Handen zu erlegen. 3. Die geschiedene Gattin wird mit ihren Ansprüchen auf die Abfertigungsforderung auf den Rechtsweg verwiesen und aufgefordert, die Klage gegen die Testamentserbin binnen vier Wochen einzubringen, widrigens die Erbschaft der Testamentserbin ausgefolgt wird. 4. Die Testamentserbin als Zahlerin der Leichenkosten wird abhandlungsbehördlich ermächtigt, den durch die Gewerkschaft der Angestellten der Privatwirtschaft zur Auszahlung kommenden Sterbekostenbeitrag zu beheben. 5. Werden die Gebühren des Gerichtskommissärs bestimmt. 6. Die Verlassenschaftsabhandlung für beendet erklärt. 7. Mit gesondertem Beschluß die Einantwortungsurkunde erlassen. 8. Der Verlassenschaftsakt dem Finanzamte zur Gebührenbemessung übermittelt.
Das Rekursgericht hat auf Rekurs der geschiedenen Gattin des Erblassers den ganzen Beschluß und nach der Begründung der Entscheidung auch die Einantwortungsurkunde aufgehoben. In den Nachlaß gehören nur die Gehaltsforderung mit der Tangente der Weihnachtsremuneration, nicht aber die Abfertigungsansprüche, welche die gesetzlichen Erben kraft eigenen Rechtes geltend machen können. Da aber dem Akte nicht zu entnehmen sei, welcher Teil der Forderung an die A. A. G. auf die eine und welcher auf die andere Forderung entfalle, seien ergänzende Erhebungen notwendig. Ebenso sei es ungeklärt, ob der Sterbekostenbeitrag der Gewerkschaft in den Nachlaß falle oder nicht. Diese Klarstellungen seien mit den Mitteln des Außerstreitverfahrens möglich, die Verweisung auf den Rechtsweg nicht erforderlich. Aus diesen Gründen sei der ganze Beschluß und damit auch die Einantwortungsurkunde aufzuheben gewesen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Testamentserbin teilweise Folge, stellte Punkt 1, 6, 7 und 8 des erstgerichtlichen Beschlusses und die Einantwortungsurkunde wieder her und wies die Anträge der Testamentserbin zu Punkt 2, 3 und 4 des erstgerichtlichen Beschlusses ab.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Rekurslegitimation der geschiedenen Gattin zu Punkt 1 des erstgerichtlichen Beschlusses ist tatsächlich nicht gegeben. Gemäß § 9 AußstrG. steht ein Rechtsmittel nur demjenigen zu, der sich durch eine Verfügung der ersten Instanz beschwert erachtet. Nun werden aber die Rechte der geschiedenen Gattin durch die Aufnahme der Forderung in das Inventar in keiner Weise berührt. Auch dann, wenn diese Forderung nicht in den Nachlaß gehörte, vielmehr der geschiedenen Gattin als gesetzlicher Erbin zustunde, wird durch die Aufnahme der Forderung in das Inventar die Rechtsstellung der geschiedenen Gattin nicht beeinträchtigt. Denn durch die Aufnahme der Forderung in das Inventar steht die Forderung materiellrechtlich noch nicht der Testamentserbin zu. Die geschiedene Gattin ist nicht Partei dieses Verfahrens, da sie keine Erbserklärung abgegeben hat und mit Rücksicht auf ihren Erbverzicht wohl auch nicht mit Berechtigung abgeben könnte. Die bloße Tatsache, daß sie auf eine in das Inventar aufgenommene Forderung Anspruch erhebt - wobei diese Tatsache im Inventar vermerkt wurde - gibt ihr noch kein Rekursrecht.
Rekursberechtigt ist jedoch die geschiedene Gattin hinsichtlich der Punkte 2-4, da mit diesen Verfügungen des Erstrichters tatsächlich in ihre Rechte eingegriffen wird und sie sich dadurch beschwert erachten kann. Wohl ist dem Rekursgerichte beizupflichten, daß der Abfertigungsanspruch samt einer allfälligen Tangente der Weihnachtsremuneration nicht in den Nachlaß gehört, da nach dem Wortlaut des § 23 Abs. 6 AngG. diese Abfertigung den gesetzlichen Erben gebührt, die also nach dieser Gesetzesstelle den Anspruch kraft eigenen Rechtes und nicht als Rechtsnachfolger des Verstorbenen geltend machen können. Nachlaßvermögen bilden aber nur Forderungen, welche dem Erblasser zustanden (hier die Gehaltsforderung samt Tangente der Remuneration). Trotzdem bedarf es diesbezüglich keiner weiteren Erhebungen. Die Testamentserbin ist großjährig, eine Fürsorgepflicht des Gerichtes für sie besteht nicht. Daher hat sich auch das Verlassenschaftsgericht nicht um die Einbringlichmachung von Verlassenschaftsforderungen zu kümmern. Den in den Nachlaß fallenden Teil der Forderung kann die Testamentserbin auf Grund der Einantwortungsurkunde geltend machen, hiezu bedarf es keiner treuhändigen Hinterlegung. Hinsichtlich des nicht in den Nachlaß fallenden Teiles hatte das Gericht überhaupt keine Verfügung zu treffen. Aus diesem Gründe war der Antrag der Testamentserbin auf treuhändigen Erlag dieser Forderung abzuweisen. Dabei bleibt es der Schuldnerin unbenommen, für den Fall, als mehrere Personen auf die Forderung Anspruch erheben, den Betrag gemäß § 1425 ABGB. bei Gericht zu erlegen.
Wenn die geschiedene Gattin auf die Abfertigung Anspruch erhebt, so muß es ihr vorbehalten bleiben, ob und in welcher Weise sie ihre Forderung geltend machen will. Sie ist nicht Partei dieses Verfahrens. Das Verlassenschaftsgericht war daher nicht berechtigt, ihr diesbezügliche Weisungen zu erteilen. Eine Verteilung der Parteirollen im Rechtsstreite ist überhaupt nur in den im Gesetze ausdrücklich vorgesehenen Fällen zulässig. Diese Verfügung des Verlassenschaftsgerichtes entbehrt jeder gesetzlichen Grundlage. Der bezügliche Antrag der Testamentserbin war daher ebenfalls abzuweisen.
Zu Punkt 4 ist zu beachten, daß der Anspruch auf den Sterbekostenbeitrag der Gewerkschaft nicht in die Verlassenschaft einbezogen wurde, sodaß schon aus diesem Gründe Verfügungen des Verlassenschaftsgerichtes entbehrlich waren. Aber abgesehen davon wurde gleichzeitig mit der Einantwortung des Nachlasses vorgegangen und das Verlassenschaftsverfahren für beendet erklärt. Die Testamentserbin kann somit allfällige Ansprüche auf Grund der Einantwortungsurkunde auch ohne abhandlungsbehördliche Ermächtigung verfolgen. Bei dieser Sachlage hatte sich das Verlassenschaftsgericht jeder Verfügung über diese Forderung zu enthalten und nicht in Form einer abhandlungsbehördlichen Inkassoermächtigung über die bestrittenen Ansprüche der Testamentserbin zu entscheiden. Auch dieser Antrag war daher abzuweisen.
Da somit weitere Erhebungen unnötig sind, war der erstgerichtliche Beschluß, soweit nicht aus rechtlichen Gründen die Anträge der Testamentserbin abzuweisen waren, wieder herzustellen und damit auch die Einantwortungsurkunde, die nicht angefochten worden war.
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