Spruch:
Die Haftung eines Reisebüros gegenüber einem Reiseveranstalter für Stornogebühren wegen Ausfalls von Interessenten und für Kosten einer Vorbereitungsreise ist nicht davon abhängig, ob das Reisebüro seinen Kunden gegenüber als Veranstalter oder als bloßer Vermittler auftrat, sondern davon, ob das Reisebüro dem Veranstalter als Vertreter (Buchungsstelle), Vermittler oder als Vertragspartner im Rahmen eines Eigengeschäftes gegenüberstand
OGH 12. Mai 1982, 3 Ob 525/82 (OLG Wien 17 R 184/81; LGZ Wien 3 Cg 203/78)
Text
Die registrierte Firma T Reisen-GesmbH begehrte vom Beklagten, dem Inhaber eines Reisebüros, ursprünglich 52 218.57 S samt Anhang. Nach Eröffnung des Anschlußkonkurses über das Vermögen der klagenden Partei nahm der Masseverwalter das unterbrochene Verfahren auf und schränkte die Klage auf 43 619.33 S samt Anhang ein.
Der eingeschränkte Klagsbetrag ergibt sich im wesentlichen auf Grund des folgenden Prozeßvorbringens:
1. Der Beklagte habe der Gemeinschuldnerin den verbindlichen Auftrag für eine Studienreise von 80 bis 100 Ärzten in der Zeit vom 23. bis 27. 10. 1977 in die Türkei erteilt. Der Beklagte habe sodann die Reise hinsichtlich der Teilnehmerzahl immer mehr eingeschränkt und schließlich zur Gänze abgesagt. Er schulde daher auf Grund der allgemein geltenden und zwischen den Streitteilen vereinbarten Reisebedingungen folgende Beträge: a) laut Rechnung Nr. 2861 vom 25. 11. 1977 für die Stornierung von 36 schon gebuchten Reisen eine Bearbeitungsgebühr von 300 S pro Person, sohin 10 800 S, b) laut Rechnung Nr. 2858 vom 25. 11. 1977 für die Stornierung von weiteren zwölf gebuchten Reisen eine Stornogebühr von 50% des Reisepreises, nämlich 23 670 S, c) laut Rechnung Nr. 2860 vom 25. 11. 1977 für eine vom Beklagten, seiner Frau und zwei ärztlichen Beratern in der Zeit vom 7. bis 11. 4. 1977 durchgeführte Vorbereitungsreise für die für Oktober geplante Ärztereise die wirklich aufgelaufenen Kosten für drei Personen in Höhe von 10 476 S, deren Tragung die Gemeinschuldnerin zunächst nur unter der Bedingung übernommen habe, daß die fragliche Studienreise der Arzte auch tatsächlich zustande komme.
2. Der Beklagte habe weiters für die Zeit vom 13. bis 16. 10. 1977 eine Reise für vier Personen gebucht, dann aber storniert, so daß hiefür der ursprüngliche Rechnungsbetrag laut Rechnung Nr. 2781 vom 22. 9. 1977 über 15 744 S abzüglich einer Gutschrift von 7632 S, sohin 8112 S, geschuldet wurden, was im Ergebnis das Verlangen nach einer 50%igen Stornogebühr beinhalte.
Von der Summe der von 1 a bis c und 2 genannten Beträge, nämlich 53 058 S, zog die Gemeinschuldnerin für eine Gegenforderung des Beklagten (Vermittlung von Reisen der Gemeinschuldnerin durch Werbung für sie bei verschiedenen steiermärkischen Reisebüros) ein Provisionsguthaben von 839.43 S ab, was zunächst den ursprünglichen Klagsbetrag von 52 218.57 S ergab, und zog nach Außerstreitstellung der wirklichen Höhe dieses Provisionsguthabens in der Tagsatzung vom 17. 6. 1981 ein weiteres Guthaben des Beklagten von 8599.24 S ab, was schließlich den eingeschränkten Klagsbetrag von 43 619.33 S ergab.
Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Er bestritt vor allem unter Hinweis auf den mit der Gemeinschuldnerin abgeschlossenen Agenturvertrag, daß er für Stornogebühren aufzukommen habe, da dies nicht vereinbart worden sei. Die von der Gemeinschuldnerin verrechneten Leistungen seien durchwegs nicht erbracht worden; es sei auch nie zu fixen Bestellungen gekommen, den Beklagten treffe keinerlei Verschulden, die Absage der Reise sei auf höhere Gewalt zurückzuführen, nämlich auf den Ausbruch einer Choleraepidemie in der Türkei. Die Kosten der Vorbereitungsreise seien von der Gemeinschuldnerin unabhängig vom Zustandekommen der Studienreise ohne jede Bedingung übernommen worden. Die Reise vom
13. bis 16. 10. 1977 sei wegen Änderungen im Anbot der Gemeinschuldnerin, die von den Kunden nicht angenommen worden seien, einvernehmlich storniert und später im Jahr 1978 nachgeholt worden.
Das Erstgericht traf im wesentlichen folgende Tatsachenfeststellungen:
Die Gemeinschuldnerin befaßte sich mit der Organisation von Reisen, vor allem in die Türkei, die von den einzelnen Reisebüros gekauft und sodann von diesen weiterverkauft wurden. Die Geschäftsbeziehungen zwischen der Gemeinschuldnerin und den einzelnen Reisebüros waren in Agenturverträgen geregelt. Ein solcher Agenturvertrag wurde zwischen dem Beklagten und der Gemeinschuldnerin am 6. 12. 1976 abgeschlossen. Im Punkt VI dieses Agenturvertrages anerkannten die Vertragspartner die österreichischen und internationalen Reisebürogesetze und Vorschriften. Sondervereinbarungen sollten gemäß Punkt IX des Vertrages der Schriftform bedürfen. Für sämtliche Reisebüros in Österreich gibt es von der Kammer der Gewerblichen Wirtschaft herausgegebene und vom Handelsministerium genehmigte "Allgemeine Reisebedingungen". Nach deren Inhalt sind diese Bedingungen die Grundlage für alle Leistungen und Tätigkeiten der Reisebüros.
Am 14. 4. 1977 langte bei der Gemeinschuldnerin ein Anbot des Beklagten für eine vom 23. bis 27. 10. 1977 in die Türkei vorgesehene Ärztefachgruppenreise ein, worauf die Gemeinschuldnerin in einem türkischen Hotel eine Vorreservierung von 80 bis 100 Plätzen vornahm und die Anmeldung dem Beklagten in Rechnung stellte.
Am 16. 9. 1977 stornierte der Beklagte die Reise für 36 Personen; auf Grund der im Prospekt der Gemeinschuldnerin vom Sommer 1977 vorgesehenen Stornobedingungen wurde ihm darauf eine Bearbeitungsgebühr von 300 S pro Person verrechnet (Rechnung Nr. 2861).
Am 4. 10. 1977 langte bei der Gemeinschuldnerin ein weiteres Schreiben ein, in dem der Beklagte dieselbe Reise für weitere zwölf Personen absagte. Da dieser Rücktritt in einem Zeitraum von 20 bis 14 Tagen vor Reisebeginn erfolgte, wurde dem Beklagten unter Hinweis auf die schon genannten Stornobedingungen ein Betrag von 23 670 S verrechnet (Rechnung Nr. 2858).
Zur Vorbereitung der genannten Ärztefachgruppenreise unternahmen der Beklagte, seine Frau und zwei ärztliche Berater vom 7. bis 11. 4. 1977 eine Exkursion in die Türkei. Die Gemeinschuldnerin übernahm die Reisekosten für drei Personen, weil für den Herbsttermin gewisse Vorkehrungen an Ort und Stelle getroffen werden mußten. Als in der Folge der Charterflug vom 23. 10. 1977 nicht zustande kam, wurde der Betrag von 10 476 S (Reisekosten für drei Personen) in Rechnung gestellt (Rechnung Nr. 2860).
Die weitere, für die Zeit vom 13. bis 16. 10. 1977 vorgesehene Reise kam nicht zustande; die Gemeinschuldnerin hat aber hier den vom Reiseteilnehmer Dr. E unter Hinweis auf eine zu kurze Besichtigungszeit in Ephesus erklärten Rücktritt vom Vertrag akzeptiert, indem sie nach Darlegung der Rücktrittsgrunde erklärte, daß alles in Ordnung sei (Rechnung Nr. 2871).
Auf Grund dieser Feststellungen war das Erstgericht der Auffassung, daß der Beklagte die den Allgemeinen Reisebedingungen entsprechenden Storno- bzw. Bearbeitungsgebühren bezahlen müsse. Die entsprechende Klausel gelte nämlich nicht nur gegenüber den Reisenden selbst, sondern auch im Verhältnis zwischen der Gemeinschuldnerin und dem Beklagten. Für die nicht zustande gekommene Reise vom 13. bis 16.10. 1977 müsse hingegen der Beklagte die Stornogebühr von 7632 S (begehrt wurden freilich 8112 S) nicht bezahlen, weil hier aus dem Verhalten der Gemeinschuldnerin ein stillschweigender Verzicht auf die Stornogebühr abgeleitet werden müsse.
Des Erstgericht gab daher der Klage mit 35 987.33 S samt Anhang statt und wies das Mehrbegehren von 7632 S samt Anhang ab.
Das Urteil des Erstgerichtes wurde in seinem gesamten stattgebenden Teil von der beklagten Partei und in seinem gesamten abweisenden Teil von der klagenden Partei bekämpft.
Das Berufungsgericht änderte infolge Berufung der beklagten Partei den stattgebenden Teil des Urteiles der ersten Instanz dahin ab, daß es die Klage zur Gänze abwies.
Es ergänzte die Feststellungen des Erstgerichtes durch den Hinweis auf einige weitere Punkte des dem Inhalte nach nicht strittigen Agenturvertrages zwischen der Gemeinschuldnerin und dem Beklagten:
Aus Punkt I dieses Agenturvertrages ergebe sich, daß der Beklagte die "Vertretung" der Gemeinschuldnerin übernahm, nach Punkt VIII habe den Beklagten eine Werbepflicht zugunsten der Gemeinschuldnerin getroffen, nach Punkt I lit. b habe sich der Beklagte als Buchungsstelle der Gemeinschuldnerin deklarieren müssen, gemäß Punkt II lit. a und c sollte der Beklagte für die Kommissionierung Prozente der Pauschal-Charter-Arrangements erhalten. Nach Punkt V anerkannte die Gemeinschuldnerin nur die in ihrem Programm angeführten Geschäftsbedingungen. Gemäß Punkt X sollte der jeweils auf ein Jahr geschlossene Agenturvertrag mangels Kündigung zum Jahresende automatisch um ein Jahr verlängert werden. In den Zusatzvereinbarungen werde zu Punkt 2 festgehalten, daß der Beklagte eine "3%ige Overriding commission" hinsichtlich von Geschäftsabschlüssen anderer Reisebüros in der Steiermark erhalte und zu Punkt 8 habe der als "stiller Generalvertreter" der Gemeinschuldnerin bezeichnete Beklagte weitere Werbepflichten und die Pflicht zur Wahrung der Interessen der Gemeinschuldnerin übernommen. In Punkt I lit. a des Agenturvertrages sei allerdings von einem "Verkauf" der Programme und Leistungen der Gemeinschuldnerin an Einzelinteressenten oder Gruppen durch den Beklagten die Rede.
In rechtlicher Hinsicht wertete das Berufungsgericht diesen Agenturvertrag als Mäklervertrag. Der Beklagte habe als Kommissionär in Außenverhältnis als mittelbarer Stellvertreter der Gemeinschuldnerin für deren Rechnung gearbeitet. Das auf ein Eigengeschäft hindeutende Wort "verkaufen" vermöge an dieser rechtlichen Beurteilung nichts zu ändern, weil der Beklagte zur Gemeinschuldnerin in einer ständigen Geschäftsbeziehung gestanden sei und ihn als "stillen Generalvertreter" verbunden mit den tatsächlichen verdienten Provisionen (das betrifft die anerkannten Gegenforderungen des Beklagten) eine Interessenwahrungspflicht für die Gemeinschuldnerin als seinen Auftraggeber getroffen habe. Im Verhältnis zwischen der Gemeinschuldnerin und dem Beklagten hätten daher nicht die in den Prospekten der Gemeinschuldnerin abgedruckten Allgemeinen Reisebedingungen gegolten, vielmehr hätten diese nur für die Leistungserbringung an den Kunden gegolten, was besonders Punkt V des Agenturvertrages deutlich mache. Punkt V des Agenturvertrages lasse hingegen entgegen der Beurteilung des Erstgerichtes nicht den Schluß zu, daß der Beklagte als Kommissionär einen gegen den Kunden etwa nicht geltend gemachten oder gar nicht begehrten Stornoanspruch nunmehr der Gemeinschuldnerin als Kommittenten verguten müsse. Die Allgemeinen Reisebedingungen seien ausschließlich im Interesse des Konsumentenschutzes erlassen worden und beträfen daher nur die Rechtsbeziehungen zwischen dem Kunden und dem Reisebüro, sei es in Gestalt des Veranstalters, sei es im Gewande des Vermittlers. Dies ergebe sich auch aus dem in den Reisebedingungen enthaltenen Vorschaltsatz, daß diese Reisebedingungen jenen Vertragstext darstellten, zu dem österreichische Reisebüros üblicherweise mit Kunden Verträge abschließen. Es müsse daher nicht untersucht werden, ob die Stornogebühren nicht auch deshalb nicht gebührten, weil ein Fall höherer Gewalt gegeben gewesen sei. Gehe man so von der Nichtanwendbarkeit der Allgemeinen Reisebedingungen aus, denn fehle es auch an einer Grundlage, die Leistungen im Zusammenhang mit der Aprilreise (Rechnung Nr. 2860, oben 1 c) in Rechnung zu stellen, da dies dann ein die Gemeinschuldnerin als Auftraggeber treffender Werbeaufwand gewesen sei, der schließlich genauso vergeblich geblieben sei wie die Leistungen des Beklagten, der auf Grund seiner Tätigkeit trotz aller Verdienstlichkeit keinen Provisionsanspruch ableiten könne.
Der Oberste Gerichtshof hob über Revision der klagenden Partei die Urteile der Vorinstanzen im Umfang des Teilbegehrens von 35 507.33 S auf und verwies die Rechtssache insoweit an das Erstgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die strittige Studienreise ist dem Begriff der sogenannten Gesellschafts- oder Pauschalreise (oder auch Gesellschaftsfahrt iS des § 208 GewO) einzuordnen (vgl. Arndt, Der Reiseveranstaltungsvertrag 13 f.). Falls an der Durchführung einer solchen Reise ein Reisebüro mitwirkt, tritt dieses gegenüber dem Teilnehmer an der Reise (dem Reisenden, dem Kunden) entweder als Veranstalter oder als Vermittler auf.
Ein Reisebüro ist Veranstalter, wenn es das Reiseprogramm zusammenstellt, die Erbringung der nötigen Leistungen entweder als Eigenleistung oder als Fremdleistung (Erbringung der Leistung durch einen sogenannten Leistungsträger) zusagt und die so angebotene Reise zum Kaufe (zur Buchung) anbietet.
Ein Reisebüro ist Vermittler, wenn es sich lediglich verpflichtet, einen Anspruch auf Leistungen anderer zu besorgen, die ihre Leistung nicht in seinem Namen (nämlich als sogenannte Fremdleistungen) erbringen (s. dazu ausführlich Dorner in dem Skriptum zum Vorbereitungskurs für den Befähigungsnachweis im Reisebürogewerbe,
4. Ausgabe, Allgemeine Reisebedingungen, S 11 bis 21).
Auch wenn das Reisebüro in diesem Sinne nur als Vermittler tätig ist, ist es freilich durchaus zur Erbringung gewisser Leistungen verpflichtet, nämlich zur erfolgreichen Besorgung der Vermittlung des entsprechenden Pauschalreisevertrages. Das Verhältnis zwischen dem Kunden und dem vermittelnden Reisebüro unterliegt daher nicht den Regeln des Maklervertrages (dazu ausführlich zur freilich teilweise anderen Regelung in Deutschland Arndt aaO 26 f.; Bartl in NJW 1972, 508 ff. und NJW 1978, 730; Löwe - Graf von Westfalen - Trinkner, Kommentar zum AGB-Gesetz, § 9 Rdz. 57).
Wenn Reisebüros ihren Kunden gegenüber hier nicht klar genug auftreten, kann es bisweilen auf die besonderen Umstände des Einzelfalles ankommen, ob ein Reisebüro als Veranstalter oder nur als Vermittler auftritt. Ein Reisebüro, das zum Beispiel als X-Reisen firmiert (Bartl, NJW 1978, 730), das selbst Prospekte und Kataloge herausgibt (Arndt aaO 36) oder den Namen des Veranstalters verschweigt (Dorner aaO 18), wäre in diesem Sinne als Veranstalter zu behandeln.
Festzuhalten ist, daß die vom Fachverband der Reisebüros im Einvernehmen mit dem konsumentenpolitischen Beirat beim Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Industrie herausgegebenen Allgemeinen Reisebedingungen nur das Rechtsverhältnis zwischen dem Kunden (Reisenden) und dem Reisebüro, sei es in seiner Eigenschaft als Reiseveranstalter, sei es in seiner Eigenschaft als Reisevermittler, betreffen, wie dies das Berufungsgericht im Gegensatz zum Erstgericht zutreffend erkannt hat.
Was aber die Rechtsbeziehungen zwischen der beklagten Partei und der Gemeinschuldnerin anlangt, so kann entgegen der Beurteilung durch das Berufungsgericht aus dem Agenturvertrag nicht ohne weiteres die Rechtsstellung der beklagten Partei zur Gemeinschuldnerin im ganz konkreten Geschäftsfall abgeleitet werden.
Auszugehen ist vom Inhalt des Agenturvertrages vom 6. 12. 1976.
Die später am 7. 3. 1977 vereinbarten Zusätze sind hingegen auf diesen Fall einerseits vielleicht schon wegen des Buchungszeitpunktes (Fernschreiben 24. 2. 1977?), aber vor allem auch wegen der räumlichen Umschreibung (Buchungen, die von den Reisebüros aus dem Raum Steiermark getätigt werden) nicht anzuwenden.
Gemäß Punkt I dieses Agenturvertrages sollte die beklagte Partei grundsätzlich die Funktion einer Buchungsstelle der Gemeinschuldnerin ausüben. Auch das verwendete Wort "verkaufen" kann hier nicht anders gedeutet werden, da darunter ein Verkaufen der Programme der Gemeinschuldnerin für deren Rechnung und in deren Namen gemeint ist. In diesem Fall würde also die beklagte Partei lediglich als Vertreter der Gemeinschuldnerin die von der Gemeinschuldnerin veranstalteten Reisen verkauft haben, wobei darauf hinzuweisen ist, daß die Buchungsstelle in der Regel keine Abschlußvollmacht hat. So ist auch hier trotz Punkt I lit. a des Agenturvertrages im Punkt III des Agenturvertrages vorgesehen, daß eine Buchung erst mit der Übermittlung einer Reservierungsbestätigung durch die Gemeinschuldnerin rechtsgültig werden solle (siehe dazu auch Arndt aaO 39).
Im Punkt II lit. a des Agenturvertrages ist aber der gerade bei der vorliegenden Studienreise in Betracht kommende Fall vorgesehen, daß die Agentur (beklagte Partei) selbst Charterflüge nach Istanbul veranstaltet. Und in Punkt III lit. c des Agenturvertrages wird der unter Umständen gleichfalls in Frage kommende Fall behandelt, daß die Agentur (beklagte Partei) die Kapazität eines Charterflugzeuges ganz oder teilweise blockieren will. In diesen angeführten Fällen ginge die Tätigkeit der beklagten Partei eindeutig über die Funktion einer Buchungsstelle hinaus. Der Agenturvertrag läßt es offen, ob die beklagte Partei gegenüber der Gemeinschuldnerin in diesem Fall als Vermittler, sei es als Kommissionär nach §§ 406, 383 ff. HGB, als Handelsmäkler nach § 93 ff. HGB oder als Handelsvertreter nach den Bestimmungen des HVG oder als Vertragspartner im Rahmen eines Eigengeschäftes der beklagten Partei gegenüberstehen sollte.
Je nachdem, welche Rechtsstellung der beklagten Partei aber zukam, ist auch die Frage ihrer Haftung für die von der klagenden Partei in Anspruch genommenen Beträge verschieden zu lösen.
War die beklagte Partei bei der Organisation der strittigen Studienreise lediglich Vertreter der Gemeinschuldnerin (Buchungsstelle), so würde sie nur für die ordnungsgemäße Entgegennahme und Weiterleitung der einzelnen Buchungen oder Anmeldungen haften. Die einzelnen Reiseteilnehmer würden der Gemeinschuldnerin gegenüber unmittelbar für allfällige Stornogebühren einzustehen haben.
War die beklagte Partei lediglich Vermittler, so würde die beklagte Partei dann, wenn es gar nie zu dem von ihr zu vermittelnden Abschluß eines Reiseveranstaltungsvertrages gekommen wäre, gleichfalls nicht für allfällige Stornogebühren haften. Wie das Berufungsgericht richtig ausführt, läge das Risiko des Zustandekommens hier beim Geschäftsherrn. Die klagende Partei könnte aber gemäß § 384 Abs. 3 HGB im Falle eines Kommissionsgeschäftes bzw. gemäß § 95 Abs. 3 HGB im Falle eines Handelsmäklervertrages die beklagte Partei dann auf Erfüllung (und damit auch auf Zahlung der vereinbarten Stornogebühren) belangen, wenn die Beklagte mit ihren Kunden wohl abgeschlossen hätte, der Gemeinschuldnerin jedoch die Namen der Kunden nicht bekanntgegeben hätte. Aus § 2 HVG ergäbe sich in diesem Fall eine Schadenersatzpflicht der beklagten Partei im selben Umfang. In diesem Sinne macht also die Revision zutreffend geltend, daß die beklagte Partei im Rahmen ihrer Interessenwahrungspflicht für den Klagsbetrag haften könnte.
Zur Vermeidung von Mißverständnissen sei an dieser Stelle nochmals betont, daß zwischen der Stellung eines Reisebüros als Vermittler gegenüber dem Kunden (Reisenden) einerseits und der Stellung eines Reisebüros als Vermittler gegenüber dem veranstaltenden Reisebüro andererseits zu unterscheiden ist. Wenn die beklagte Partei in dem von Berufungsgericht besonders behandelten Fall in bezug auf die klagende Partei als veranstaltendem Reisebüro als Kommissionär, also zwar im eigenen Namen, aber für Rechnung der klagenden Partei aufgetreten sein sollte, könnte die beklagte Partei gegenüber den einzelnen Kunden trotzdem ohne weiteres auch als Veranstalter aufgetreten sein. Im Verhältnis zum Kunden geht es im wesentlichen darum, wofür das Reisebüro einzustehen hat (Anwendung der Allgemeinen Reisebedingungen). Über das Verhältnis zwischen den beiden Reisebüros sagen die Allgemeinen Reisebedingungen nichts; hier gelten vielmehr die getroffenen vertraglichen Regelungen und hier kann daher unter Umständen auch ein echter Mäklervertrag vorliegen.
Hat hingegen die beklagte Partei bei der Gemeinschuldnerin eine ganz bestimmte, von der beklagten Partei selbst geplante Reise bestellt, so kann die beklagte Partei der Gemeinschuldnerin gegenüber ohne weiteres auch im Rahmen eines sogenannten Eigengeschäftes als Kunde aufgetreten sein. Es ist allgemein anerkannt, daß ein Kunde nicht nur für sich selbst eine bestimmte Reise bestellen kann, sondern er kann auch einen Vertrag zugunsten Dritter abschließen, in welchem Fall er für die Erfüllung des Vertrages durch die von ihm angemeldeten Reiseteilnehmer einzustehen hat (Arndt aaO 36 und 73). In diesem Fall wären die Allgemeinen Reisebedingungen auf die Rechtsbeziehungen zwischen den Streitteilen anzuwenden, denn dann hätte die beklagte Partei die Leistungen der Gemeinschuldnerin wie ein Kunde der Gemeinschuldnerin in Anspruch genommen. Was im konkreten Fall wirklich vereinbart war, ist aber noch nicht festgestellt worden.
Hinsichtlich der Vorbereitungsreise vom 7. bis 11. 4. 1977 wurde trotz vorhandener Prozeßbehauptungen nicht geklärt, ob die Gemeinschuldnerin hier zugesagt hatte, daß diese Reise nur dann von der Gemeinschuldnerin getragen werde, wenn die Gruppenreise selbst zustande komme, oder ob die Zusage der Gemeinschuldnerin zur Tragung dieser Kosten von einer solchen Bedingung unabhängig war. Je nach den getroffenen Vereinbarungen könnte daher die Position laut Rechnung Nr. 2860 (10 476 S) auch ein von den sonstigen Positionen unabhängiges Schicksal haben. Sollte hingegen bezüglich dieser Vorbereitungsreise nichts Bestimmtes vereinbart worden sein, würde die beklagte Partei, wenn sie der Veranstalter der Reise gewesen wäre, für die Kosten ihrer Vorbereitungsreise selbst aufkommen müssen. Wenn man hingegen die Gemeinschuldnerin als Veranstalter ansehen müßte, müßten diese Kosten von der klagenden Partei getragen werden. Denkbar wäre auch, daß die beklagte Partei und die Gemeinschuldnerin gemeinsam als Mitveranstalter auftraten, in welchem Fall auch eine gemeinsame Tragung dieser Kosten in Frage käme.
Erst nach Klärung dieser Frage kann iS der obigen Ausführungen die Rechtsstellung der beklagten Partei zur Gemeinschuldnerin und damit der Berechtigung der einzelnen Klagsansprüche beurteilt werden.
Wenn sich so eine grundsätzliche Haftung der beklagten Partei ergeben sollte, müßte aber auch auf den Einwand der beklagten Partei eingegangen werden, daß die Reise ohnedies wegen einer Choleraepidemie unterblieben wäre. Für den Fall, als die beklagte Partei nach den Bestimmungen der Allgemeinen Reisebedingungen für die dort näher umschriebenen Stornogebühren einzustehen hätte, würde dann gemäß Punkt IV B der Allgemeinen Reisebedingungen im Falle einer echten höheren Gewalt nicht für die vollen Stornogebühren, sondern nur für den Ersatz gewisser von der klagenden Partei nachzuweisender Aufwendungen gehaftet. Bestand zwar kein Fall höherer Gewalt, hätten aber die einzelnen Kunden aus subjektiver Sorge vor einer Ansteckung ihre Buchung rückgängig gemacht, so wäre dies hingegen nach den Allgemeinen Reisebedingungen kein Fall der Befreiung von der Stornogebühr.
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