OGH 3Ob518/87

OGH3Ob518/871.7.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***

H***, 3130 Herzogenburg, vertreten durch Dr. Georg Lugert, Rechtsanwalt in St. Pölten, wider die beklagten Parteien 1.) Rüdiger B***, Angestellter, zuletzt 1050 Wien, Schußwallgasse 2/2/7, zur Zeit unbekannten Aufenthaltes, und 2.) Gabriele B***, Angestellte, 1050 Wien, Schußwallgasse 2/2/7, diese vertreten durch Dr. Walter Panzer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Vertragsanfechtung (Streitwert S 24.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 8.Jänner 1987, GZ 41 R 652/86-26, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 1.August 1986, GZ 48 C 129/84-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der zweitbeklagten Partei die mit S 2.719,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 247,20 Umsatzsteuer) binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das klagende A***-C*** ist Eigentümer des Hauses Krugerstraße 7 in 1010 Wien. Richard S*** hatte seit dem 1.7.1979 den 65 m2 großen Geschäftsraum Nr.12 im Erdgeschoß um den wertgesicherten Monatsmietzins von S 1.040,- auf unbestimmte Zeit gemietet. Das Bestandlokal sollte zum Schallplattenhandel verwendet und ohne ausdrückliche Zustimmung des Vermieters weder entgeltlich noch unentgeltlich ganz oder teilweise an Dritte überlassen werden, es sei denn an eine Gesellschaft, deren Gesellschafter der Hauptmieter ist. Das Bestandverhältnis unterlag den Vorschriften des Mietengesetzes. Der schriftliche Mietvertrag war vom Hauptmieter und vom Ordenspriester Ernst S***, der das Kammeramt des Stiftes leitet, mit Beisetzung des Stampiglienabdrucks "Kammeramt Stift Herzogenburg, 3130 Herzogenburg" unterschrieben. Der Erstbeklagte und der Hauptmieter errichteten die Rüdiger B*** Gesellschaft mbH, an die der Mietgegenstand überlassen wurde. Nach Auseindersetzungen der Gesellschafter wollte sich der Erstbeklagte von Richard S*** trennen und versuchte, selbst die Hauptmietrechte an der Geschäftsräumlichkeit zu erlangen. Er begab sich mit seiner Ehefrau, der Zweitbeklagten, am 5.3.1981 in das Stift der klagenden Partei und unterbreitete dem Stiftkämmerer ein Schriftstück mit einer von ihm vorbereiteten "Vereinbarung". Er hoffte, durch die Schilderung der Geschäftspraktiken seines Partners und seiner dadurch entstandenen Haftung für rund S 960.000,- die Beendigung des Hauptmietvertrages mit Richard S*** und die Vermietung des Raumes an ihn zu erreichen. Der Kämmerer riet dem Erstbeklagten, sich an den Hauptmieter Richard S*** zu wenden. Der Erstbeklagte erwiderte, dieser sei zur Aufgabe der Mietrechte nicht bereit, könne aber dadurch ausgeschaltet werden, daß der Erstbeklagte die Einleitung des Insolvenzverfahrens veranlasse. Der Stiftskämmerer unterfertigte die vom Erstbeklagten verfaßte "Vereinbarung", wonach der Erstbeklagte gegen den Geschäftsführer der Rüdiger B*** GmbH Richard S*** und allenfalls auch gegen die Gesellschaft durch Antrag das Konkursverfahren einleite und sich das Stift bereit erkläre, nach erfolgter Lösung des Hauptmietverhältnisses die Hauptmietrechte an den Erstbeklagten oder die Zweitbeklagte zu einem Mietzins von S 16,- je Quadratmeter und Monat weiterzugeben.

Der Erstbeklagte verfolgte damit das Ziel, das Mietverhältnis durch Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Richard S*** aufzulösen und die Hauptmietrechte zu erlangen. Das Stift wird nach außen durch den Ordensoberen und den Stiftsdechanten für den Konvent vertreten. Die vom Kämmerer am 5.3.1981 unterfertigte Vereinbarung wurde dem Ordensoberen oder dem Kapitel nicht zur Genehmigung vorgelegt.

Am 16.4.1981 übertrug Richard S*** mit Zustimmung des Stiftskämmerers seine Hauptmietrechte an die W*** & S*** Gesellschaft mbH, der nun alle Rechte als Hauptmieter, so auch auf Zahlung des Untermietzinses gegen die Rüdiger B*** GmbH zustehen sollten. Eine am 10.9.1981 von der klagenden Partei gegen die W*** & S*** GmbH erhobene Räumungsklage wurde rechtskräftig abgewiesen. Der vom Erstbeklagten am 20.3.1981 gestellte Antrag führte nicht zur Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Richard S***. Die von den hier Beklagten am 8.4.1982 gegen das Stift und den Kämmerer erhobenen Klagebegehren auf Schadenersatz und Feststellung der Haftung für alle Schäden aus der Nichterfüllung der Vereinbarung vom 5.3.1981 wurden rechtskräftig abgewiesen (OGH 4.12.1985, 3 Ob 552/85 und Endurteil ON 35).

Mit ihrer gegen die Beklagten am 27.2.1984 eingebrachten Klage begehrt die klagende Partei die "Aufhebung der Vereinbarung vom 5.3.1981" wegen Irrtums und Verletzung über die Hälfte des wahren Wertes.

Die Beklagten beantragten, das Klagebegehren mangels eines Rechtsschutzinteresses abzuweisen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Entscheidung legte es den unbestrittenen Sachverhalt zugrunde. Es war der Ansicht, daß die vom Kämmerer getroffene Vereinbarung der klagenden Partei nicht zuzurechnen sei, weil nicht behauptet wurde, daß der Kämmerer von den nach Art.XIII § 2 Abs 1 Konkordat 1933 zum Abschluß von Rechtsgeschäften Vertretungsbefugten der klagenden Partei dazu bevollmächtigt worden sei. Die Abrede sei überdies von vorneherein ungültig gewesen, weil sie unter der aufschiebenden unmöglichen Bedingung geschlossen wurde, daß der Erstbeklagte durch einen Konkursantrag die Auflösung des aufrechten Hauptmietvertrages bewirke. Aus der Vereinbarung könnten die Beklagten daher keine Rechte ableiten. Der klagenden Partei fehle das Rechtsschutzinteresse an der Anfechtung.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil mit dem Ausspruch, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,- übersteigt. Die Weitergabe der Hauptmietrechte an den Erstbeklagten oder die Zweitbeklagte sei davon abhängig gemacht worden, daß auf Antrag des Erstbeklagten über das Vermögen des Hauptmieters der Konkurs eröffnet und der Mietvertrag dadurch aufgelöst werde. Da die Konkurseröffnung ohne Einfluß auf bestehende Bestandrechte bleibe, sei im Vorprozeß jeder Anspruch der Beklagten auf Verschaffung von Hauptmietrechten und der strittigen Vereinbarung jede Wirksamkeit aberkannt worden. Es handle sich nicht um eine der Anfechtung zugängliche zweiseitige Verbindlichkeit.

Die klagende Partei strebt mit ihrer Revision aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung die Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne ihres Klagebegehrens an und fügte hilfsweise einen Aufhebungsantrag bei.

Die Zweitbeklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben. Der Erstbeklagte hat sich am Rechtsmittelverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Rechtsrüge der klagenden Partei geht davon aus, daß die von den Vorinstanzen angenommene Verknüpfung der Zusage der Weitergabe der Hauptmietrechte an der Geschäftsräumlichkeit an einen der Beklagten mit der vom Erstkläger zu bewirkenden Auflösung des bestehenden Hauptmietverhältnisses nicht vorlag und daß zwar kein Anspruch der Beklagten bestand, daß ihnen die klagende Partei Hauptmietrechte verschaffe, daß es sich jedoch um ein zweiseitig verbindliches Rechtsverhältnis mit der Verpflichtung gehandelt habe, den Beklagten den Bestandgegenstand auch dann zu vermieten, wenn der Hauptmietvertrag mit Richard S*** aus anderen Gründen als der Eröffnung des Konkurses über sein Vermögen aufgelöst werde. Die klagende Partei geht dabei aber nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, der auch der Entscheidung dieses Senates vom 4.12.1985 zu 3 Ob 552/85 zugrunde lag: Der Erstbeklagte wollte den Mitgesellschafter, dem die Hauptmietrechte an der Geschäftsräumlichkeit zustanden, durch den Konkurseröffnungsantrag ausschalten, damit so das Mietverhältnis beendet und er selbst Mieter werde. Dies war der Zweck der vom Erstbeklagten vorbereiteten und vom Kämmerer unterfertigten "Vereinbarung" vom 5.3.1981. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung vom 4.12.1985 zu 3 Ob 552/85 die Abweisung des vom Erstbeklagten geltend gemachten Schadenersatzfeststellungsanspruchs mit der tragenden Begründung bestätigt, daß der Erstbeklagte aus der Vereinbarung vom 5.3.1981 keine Rechte für sich ableiten kann, weil das von ihm angestrebte Ziel, den Hauptmieter aus dem Bestandverhältnis zu verdrängen, auf die beabsichtigte Weise nicht zu verwirklichen war. Die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Richard S*** hätte an dem Hauptmietverhältnis nichts geändert. Schon deshalb habe der Erstbeklagte - das auch von der Zweitbeklagten erhobene und abgewiesene Schadenersatzbegehren war nicht mehr Gegenstand des damaligen Revisionsverfahrens - keinen Anspruch auf Feststellung eines Schadenersatzanspruches. Damit war aber auch schon zum Ausdruck gekommen, daß die beiden Absätze der Vereinbarung vom 5.3.1981 untrennbar zusammenhängen und nicht etwa, wie es die klagende Partei nun darzustellen versucht, unabhängig voneinander bestehen können. Ein wirksamer Vertrag, die Geschäftsräumlichkeit zu einem späteren Zeitpunkt an einen der Beklagten zu einem Hauptmietzins von S 1.040,- monatlich zu vermieten, sobald das Hauptmietverhältnis aus anderen Gründen - als der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Richard S*** - beendet war, kam nicht zustande und war auch nicht beabsichtigt, weil es dem Erstbeklagten darum ging, an der Stelle des Richard S*** sogleich Hauptmieter zu werden.

Von dieser Beurteilung abzugehen geben die Ergebnisse dieses Rechtsstreites keinen Anlaß.

Es ist daher auch hier nicht zu untersuchen, ob der Kämmerer, dem der frühere Ordensobere die Mietangelegenheiten überlassen hatte, die klagende Partei durch die Unterfertigung des Schriftstückes binden konnte (vgl. JBl 1987, 312 mit Besprechung von Primetshofer) und ob die klagende Partei die vom Kämmerer getroffene Vereinbarung - allenfalls zumindest durch die Vertragsanfechtung - genehmigt hat, weil schon aus dem ersten Grund weder der Erstbeklagte und noch weniger die Zweitbeklagte aus der Vereinbarung vom 5.3.1981 Rechtsansprüche für sich ableiten können. Damit haben aber die Vorinstanzen ohne Rechtsirrtum erkannt, daß die nicht wirksame Vereinbarung der von der klagenden Partei vorgenommenen Anfechtung wegen Irrtums oder wegen Verkürzung über die Hälfte nicht zugänglich ist, weil beide Anfechtungen vom Vorliegen eines Rechtswirkungen entfaltenden zweiseitig verbindlichen Vertrages ausgehen. Hat aber die "Vereinbarung" wegen der irrigen Annahme des Erstbeklagten, das von ihm angestrebte Ziel durch einen Konkurseröffnungsantrag erreichen zu können, die klagende Partei zu nichts verpflichtet, gleich ob diese durch den Kämmerer vertreten war oder nicht, so fehlt ihrem Klagebegehren jede Rechtsgrundlage.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Die Bemessungsgrundlage richtet sich gemäß § 4 RATG nach der Vorschrift des § 56 Abs 2 JN. Der Ausspruch des Berufungsgerichtes nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO, daß der Wert des Streitgegenstandes den Betrag von S 300.000,- übersteigt, führt nicht zu einer Änderung der Bemessungsgrundlage nach dem RATG. Für die Anwendung des Tarifsatzes ist daher weiter der Betrag von S 24.000,- maßgebend. Ein Streitgenossenzuschlag gebührt nach § 15 RATV nicht.

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