OGH 3Ob512/93(3Ob513/93)

OGH3Ob512/93(3Ob513/93)17.3.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger, Dr.Angst, Dr.Gerstenecker und Dr.Rohrer als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 20.April 1991 verstorbenen, zuletzt in *****, wohnhaft gewesenen Privaten Dkfm.Dr.Alma Wilhelmine D*****, infolge Rekurses der Tochter und Nacherbin Dr.Livia M********** *****, vertreten durch Dr.Gernot Schreckeneder, Rechtsanwalt in Zell am See, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgericht vom 26.November 1992, GZ 22 R 546,547/92-17, womit ihr Rekurs gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Zell am See vom 3.August 1992, GZ A 87/91-12, und gegen die Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes Zell am See vom 3. August 1992, GZ A 87/91-13, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Dem Rekursgericht wird die neue Entscheidung über den Rekurs der Nacherbin unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Text

Begründung

Die Verstorbene hinterließ zwei Töchter aus erster Ehe und einen Sohn aus der Ehe mit ihrem am 4.August 1985 vorverstorbenen Ehegatten. Letztwillig hatte sie am 14.Oktober 1989 ihre Enkelin Livia M*****, geboren am 7.Juli 1978, als Erbin eingesetzt und bestimmt, daß ihre beiden Töchter und die Erbin je ein Drittel vom Bargeld und den Sparguthaben erhalten und die Verwaltung und Nutznießung des Erbes bis zur Vollendung des 25.Lebensjahres der Enkelin den beiden Töchtern zukommen solle. In einem Nachtrag ordnete sie am 30. September 1990 letztwillig an, daß für den Fall, daß die als Erbin eingesetzte Enkelin vor Übernahme der Erbschaft bei Vollendung ihres 25. Lebensjahres kinderlos versterben sollte, die Erbschaft an die drei Kinder der Erblasserin übergehen solle. Schließlich regelte sie in einem weiteren Nachtrag vom 3.Dezember 1990 letztwillig, daß die Verwaltung und Nutznießung des einen Hauses bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der Erbin der älteren Tochter und die der anderen Objekte der jüngeren Tochter (Mutter der Erbin) zukomme. Mit Notariatsakt vom 11.Dezember 1990 erklärte der Sohn seinen Verzicht auf jedes Erb- und Pflichtteilsrecht nach seiner Mutter.

Zur Verlaßabhandlung hatte der Gerichtskommissär die beiden Töchter und für die mj.Enkelin einen "Altkurator", nicht aber Lukas D*****, den Sohn aus zweiter Ehe, beigezogen.

Das Erstgericht nahm die von der Enkelin auf Grund des Testamentes vom 14.Oktober 1989 zum ganzen Nachlaß mit der Rechtswohltat des Inventars abgegebene Erbserklärung an, genehmigte die Abhandlungsergebnisse pflegschaftsgerichtlich, legte das Inventar der Abhandlung zugrunde, verständigte die Kreditunternehmungen und übertrug das gemeinsame Verfügungsrecht über ein Wertpapierdepot den beiden Töchtern. In der zugleich erlassenen Einantwortungsurkunde kündigte das Erstgericht an, daß nach dem Ergebnis der Abhandlung die Einverleibung des Eigentumsrechtes auf den in den Nachlaß fallenden Realitäten, die Einverleibung des Fruchtgenusses jeweils für die eine und die andere Tochter und schließlich die Anmerkung der Beschränkung des Eigentums der Erbin durch das Anwartschaftsrecht zum Erwerb dieser Liegenschaften im Sinne des Nachtrages vom 30.September 1990 zum Testament vom 14.Oktober 1989 zugunsten der leiblichen Kinder der Erblasserin Dr.Livia M*****, Claudia M***** und Lukas D***** vorzunehmen sein werde.

Mit Rekurs bekämpfte nur die ältere Tochter der Erblasserin den Mantelbeschluß und die Einantwortungsurkunde insoweit, als darin auch dem Sohn der Erblasserin Lukas D***** ein Anspruch auf Erwerb von Liegenschaftsanteilen im Falle des kinderlosen Versterbens der minderjährigen Erbin vor Erreichung des 25.Lebensjahres "zuerkannt" wurde. Nach der ergänzenden zugrunde gelegten letztwilligen Verfügung vom 30.September 1990 habe der Sohn am 11.Dezember 1990 den Erbverzichtsvertrag geschlossen. Er sei damit aus der Erbfolge ausgeschieden und könne keine weiteren Ansprüche auf die Verlassenschaft erheben.

Das Rekursgericht wies diesen Rekurs zurück. Den Nacherben komme zwar im Abhandlungsverfahren Parteistellung zu, doch werde die Rekurswerberin durch die Anmerkung des Substitutionsbandes in den Einlagen der zum Nachlaß gehörigen unbeweglichen Sachen zu Gunsten anderer Kinder der Erblasserin nicht beschwert, weil dadurch allein die Vorerbin in ihren Verfügungsrechten beschränkt werde. Bei Eintritt des Substitutionsfalles werde bei Vorliegen einander widersprechender Erbserklärungen eine Klärung im Erbrechtsprozeß stattfinden müssen. Durch zur Sicherung des Substitutionsgutes getroffene Maßnahmen werde in die Rechte der Nacherbin nicht eingegriffen. Ihr Rekurs sei deshalb nicht zulässig.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der Entscheidungsgegenstand jeweils S 50.000,-- übersteigt und der ordentliche Rekurs an den Obersten Gerichtshof zuälssig sei, weil eine Rechtsprechung zum Verhältnis mehrerer Nacherben untereinander vor Eintritt des Nacherbfalles fehle.

Rechtliche Beurteilung

Das gegen die Zurückweisung ihres Rekurses gerichtete Rechtsmittel ist zulässig (§ 14 Abs. 1 AußStrG), und berechtigt.

Es geht allein um die Frage, ob die Rechtsmittelwerberin durch die Nennung des Sohnes der Erblasserin als weiteren Nacherben in der Verbücherungsklausel der Einantwortungsurkunde in ihrer rechtlichen Position beschwert und daher befugt ist, diese Anordnung mit Rekurs zu bekämpfen. Auch wenn es noch ungewiß ist, ob der Nacherbfall überhaupt eintreten wird und ob der Nacherbe ungeachtet seines Erbverzichts sein Nacherbrecht in Anspruch nimmt, so daß es zu einem Streit kommt, ob und in welchem Umfang eine Nacherbschaft angeordnet ist (Welser in Rummel, ABGB2, Rz 3 zu § 608; NZ 1974/73 = EvBl 1973/293; NZ 1980/5 ua), belastet zunächst die Anmerkung der Beschränkung des Eigentums durch die Nacherbschaft nicht nur die Vorerbin sondern auch die anderen Nacherben. Hat der Erblasser seinen Erben verpflichtet, daß er die angetretene Erbschaft nach seinem Tode oder in anderen bestimmten Fällen einem zweiten ernannten Erben überlasse (fideikommissarische Substitution nach § 608 ABGB), so erlangt der Vorerbe mit der Einantwortung die Stellung eines zeitlich beschränkten Eigentümers, die im wesentlichen der Stellung eines Fruchtnießers nahekommt, während das Erbrecht des Nacherben aufschiebend bedingt oder befristet durch den Eintritt des Substitutionsfalles ist, ihm aber schon ein Anwartschaftsrecht verschafft, aus dem gewisse Ansprüche bestehen (Welser in Rummel, ABGB2 Rz 1 und Rz 2 zu § 613; Kralik-Ehrenzweig, Erbrecht3, 189 ff; Weiß in Klang2 III, 410,414; SZ 41/151; SZ 47/62; JBl 1989, 103 ua). Das Eigentumsrecht ist zwischen Vorerben und Nacherben funktionell geteilt (Weiß aaO 407), beide zusammen haben die Rechte eines freien Erben (Ehrenzweig, Familien- und Erbrecht3, 462; Welser aaO Rz 3 zu § 613; SZ 47/62 ua). Daß Vorerbe und Nacherbe zusammen die Rechtsstellung von Vollerben einnehmen und ihnen gemeinsam Volleigentum zusteht, solange der Nacherbfall nicht eingetreten oder der Fall, für den die fideikommissarische Substitution errichtet worden ist, aufhört (§ 615 Abs. 1 ABGB), also die Bedingung nicht mehr eintreten kann, die Erbin also hier ihr 25.Lebensjahr vollendet oder leibliche Kinder hinterlassen hat, bedeutet aber, daß der Rekurswerberin nicht bloß persönlich ein (bedingtes) Anwartschaftsrecht zusteht, das durch die amtswegig im Verlassenschaftsverfahren ua anzuordnende Eintragung des Substitutionsbandes bei Liegenschaften zu sichern ist, sondern daß sie in ihrem Verfügungsrecht im Zusammenwirken mit der Vorerbin und den weiteren Nacherben beeinträchtigt wird, wenn die Anmerkung der fideikommissarischen Substitution zugunsten weiterer Personen angeordnet wird, deren Nacherbrecht nicht besteht. Nach § 174 Abs. 2 Z 3 AußStrG muß aus der Einantwortungsverordnung (= Einantwortungsurkunde) ersichtlich sein, ob die Verlassenschaft dem Erben als freies Eigentum zugefallen, oder inwieweit er in Rücksicht des Fruchtgenusses oder der Verfügung über die Substanz durch ein bestehendes Substitutionsband beschränkt ist. Bei Substitutionen ist insbesondere der Substitut, welchem das Vermögen bei dem Eintritt des Substitutionsfalles übergeben werden soll, insoweit er bereits bekannt ist, mit Bestimmtheit zu bezeichnen. Durch die Eintragung der Beschränkung des Eigentums durch die angeordnete Nacherbschaft in den öffentlichen Büchern (§ 158 Abs. 1 Satz 1 AußStrG; JB 214; NZ 1968, 186), wobei in der Anmerkung der bereits bekannte Nacherbe bestimmt zu bezeichnen ist, wird also nicht nur erreicht, daß vom Vorerben allein getroffene dingliche Verfügungen über die Liegenschaft auch mit Wirkung gegen Dritte unwirksam sind, soweit sie das Recht des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen (NZ 1968, 186), sondern auch, daß das gemeinsame Verfügungsrecht des Vorerben und aller Nacherben durch die Anmerkung des Substitutionsbandes gewahrt bleibt. Werden nun Personen als Nacherben bestimmt, denen ein Nacherbrecht von vornherein nicht zusteht, so ist nicht allein der Vorerbe sondern auch jeder andere Nacherbe beeinträchtigt.

Der Nacherbin fehlt daher nicht die Beschwer zur Anfechtung der Einantwortung, wie es das Rekursgericht, das im übrigen zutreffend auf das Rekursrecht des Nacherben hingewiesen hat (Welser aaO Rz 17 zu § 613; SZ 16/201; JBl 1952, 65; SZ 34/157; NZ 1985, 207 ua), annahm. Sie ist in rechtlich geschützten Interessen, nämlich dem Recht, gemeinsam mit den anderen Nacherben und der Vorerbin über die Substitutionsmasse zu verfügen, beeinträchtigt, wenn weitere Nacherben bezeichnet wurden, deren Nacherbrecht sie bestreitet.

Das Rekursgericht darf daher eine Entscheidung über den gegen die Einantwortungsurkunde und den Mantelbeschluß erhobenen Rekurs nicht mangels einer Beschwer der Rechtsmittelwerberin ablehnen.

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