Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene und der erstgerichtliche Beschluß werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neue Entscheidung nach Ergänzung des Verfahrens aufgetragen.
Text
Begründung
Mit Adoptionsvertrag vom 8.11.1989 hat der ***** Landwirt Franz O***** die Ehegatten Hubert T*****, und Annemarie T*****, beide Landarbeiter, an Kindesstatt angenommen. Mit dem am gleichen Tag errichteten, von der Bewilligung der Annahme an Kindesstatt abhängigen übergabsvertrag hat Franz O***** seinen präsumtiven Adoptivkindern den ihm gehörigen landwirtschaftlichen Betrieb je zur Hälfte übergeben.
In einem vom Adoptivvater und den Adoptivkindern am 15.1.1990 gemeinsam gestellten Antrag, die Annahme an Kindesstatt zu bewilligen, wird ausgeführt, Franz O***** sei ledig und habe keine leiblichen Kinder. 1981 habe er seine Nichte Marie O*****, an Kindesstatt angenommen, doch sei dieses Wahlkind bereits entfertigt. Zwischen Franz O***** und den Eheleuten Hubert und Annemarie T***** habe sich im Laufe der Zeit eine Beziehung wie zwischen leiblichen Eltern und Kindern entwickelt.
Am 22.1.1990 hat Franz O***** diesen Antrag zurückgezogen.
Mit Antrag vom 6.2.1990 begehrten die Eheleute Hubert und Annemarie T***** neuerlich, die Annahme an Kindesstatt auf Grund des Vertrages vom 8.11.1989 zu bewilligen.
In einer Stellungnahme hat Franz O***** den Antrag gestellt, der Annahme an Kindesstatt die Bewilligung zu versagen. Sein Neffe Hubert T***** habe zwar schon seit drei Jahren aushilfsweise Arbeiten auf seinem Anwesen verrichtet; erst im November 1989 aber seien er und Annemarie T***** in sein Haus gezogen. Während die Eheleute T***** sich aber bis dahin immer ordentlich und freundlich verhielten, hätten sie nunmehr begonnen, ihn zu beschimpfen und seine Betreuung zu vernachlässigen; sie versorgten seine Bett- und Leibwäsche nicht entsprechend, auch die Verpflegung entspreche nicht dem üblichen Maßstab.
Hubert und Annemarie T***** haben diese Vorwürfe bestritten.
Mit Beschluß vom 9.7.1990 wies das Erstgericht den Antrag ab und traf folgende Feststellungen:
Hubert und Annemarie T***** haben Franz O***** 1989 bei seiner Arbeit im landwirtschaftlichen Betrieb tatkräftig unterstützt; es ist dabei nie zu Spannungen gekommen. Auf Grund dieses Umstandes und offenbar auf Drängen seiner Schwester - der Mutter des Hubert T***** - entschloß sich Franz O***** zum Abschluß des Adoptions- und des Übergabsvertrages.
Ende November 1989 zogen Hubert und Annemarie T***** mit ihren drei minderjährigen Kindern auf den Hof des Franz O*****. Es entwickelte sich jedoch kein familienähnliches Verhältnis. Seit dem Zeitpunkt des Zusammenlebens herrscht vielmehr ein gespanntes Verhältnis. Es ist schon sehr oft zu mitunter heftigen verbalen Auseinandersetzungen gekommen. Am 15.6.1990 zeigte Franz O***** beim zuständigen Gendarmeriepostenkommando an, Hubert T***** habe ihn bei einem Streit mit einem Messer bedroht. Den Hauptstreitpunkt bildet es, daß sich Hubert T***** bereits wie der Besitzer des landwirtschaftlichen Betriebes verhält und Franz O***** sich in seiner Betreuung vernachlässigt fühlt. Ob es seitens Hubert T***** gegenüber seinem Onkel tatsächlich zu den behaupteten Beschimpfungen, Bedrohungen oder gar Tätlichkeiten gekommen ist, konnte nicht festgestellt werden. Für Franz O***** kommt ein weiteres Zusammenleben mit den Ehegatten T***** nicht mehr in Frage; er hat vor, seinen landwirtschaftlichen Betrieb der von ihm im Jahr 1981 adoptierten Marie O***** zu übergeben, von der er sich eine liebevolle Betreuung erwartet.
In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, es bestehe zwischen Franz O***** und Hubert und Annemarie T***** keine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende Beziehung. Sei bei erwachsenen Kindern auch ein anderer Maßstab anzulegen als bei minderjährigen Kindern, müsse doch verlangt werden, daß sich Wahlvater und Wahlkinder im Rahmen der üblichen konventionellen gesellschaftlichen Umgangsformen begegnen. Dies sei jedoch hier nicht der Fall.
Das Rekursgericht bewilligte die Annahme an Kindesstatt; es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Da gemäß § 179 a Abs.1 ABGB der Antrag eines Vertragsteiles genüge, habe die Antragsrückziehung und der Antrag des Wahlvaters, der Annahme die Bewilligung zu versagen, keine "Bewandtnis". Die Erklärungen des Wahlvaters seien auch materiell-rechtlich nicht von Bedeutung, weil ein einseitiger Rücktritt vom Adoptionsvertrag nicht möglich sei. Nach § 180 a Abs.1 Satz 1 und 3 ABGB sei die Annahme zu bewilligen, wenn eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende Beziehung bestehe oder hergestellt werden soll. Sei das Wahlkind eigenberechtigt, müsse ein gerechtfertigtes Anliegen des Annehmenden oder des Wahlkindes vorliegen. Ein gerechtfertigtes Anliegen sei hier beiderseits gegeben; einerseits sei die nähere Bindung der in Aussicht genommenen Übernehmer der Landwirtschaft an den Übergeber beabsichtigt, andererseits werde mit der Annahme auch eine Betreuung des alleinstehenden Wahlvaters angestrebt. Das Bestehen eines Eltern-Kinder-Verhältnisses sei im Falle einer Erwachsenenadoption nach der Rechtsprechung nicht erforderlich. Es handle sich dabei um eine Sollvorschrift, wobei die Sätze 2 und 3 des § 180 a Abs.1 ABGB die Berücksichtigung von solchen Sonderfällen ermöglichten, die zwar nicht in das Schema der Regel (des ersten Satzes) paßten, aber dennoch eine Adoption rechtfertigen könnten. Die Übergabe eines landwirtschaftlichen Betriebes, verbunden mit der Betreuung des alleinstehenden Übergebers, sei als ein gerechtfertigter Sonderfall anzusehen. Darüber hinaus hätten beide Teile im ersten Antrag vorgebracht, es bestehe eine Eltern-Kind-Beziehung; eine solche Beziehung habe zumindest hergestellt werden sollen. Daß diese Beziehung möglicherweise nicht befriedigend habe verwirklicht werden können, stelle keinen gesetzlichen Versagungsgrund dar, weil im Bewilligungsverfahren die weitere Entwicklung nicht zu überprüfen sei. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zuzulassen gewesen, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu den behandelten Fragen fehle.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Franz O***** ist berechtigt. Der Rekurswerber macht geltend, es lägen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Adoption iS des § 180 a Abs.1, erster Satz, ABGB, nicht vor. Auch wenn bei der Adoption Erwachsener eine innige Eltern-Kind-Beziehung als nicht notwendig erachtet werde, müsse doch zumindest ein Achtungs- und Vertrauensverhältnis zwischen den Vertragspartnern und nicht offene Feindschaft bestehen. Es sei ein korrekter gesellschaftlicher Umgang zwischen den Vertragsparteien zu fordern.
Nach den EBzRV, 107 BlgNR 9.GP 17 ist allgemeine Voraussetzung jeder Adoption, daß zwischen den Vertragsteilen eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende Beziehung besteht oder hergestellt werden soll; dadurch werde gewährleistet, daß die dem Familienrecht zugehörende Einrichtung diesem Rechtskreis nicht entfremdet werde. Des weiteren sei in § 180 a Abs.1 ABGB ... das Interessenprinzip für die Annahme eigenberechtigter Personen (Erwachsenenadoption) verankert. Bei der Adoption eigenberechtigter Personen müsse ein sittlich gerechtfertigtes Anliegen eines der beiden Vertragsteile vorliegen. Die Erwachsenenadoption habe (aaO 16 f) oft ihre guten Gründe, etwa um den in Aussicht genommenen Übernehmer eines Unternehmens der Industrie, des Gewerbes oder der Landwirtschaft näher an den Übergebenden zu binden.
Steininger, Kritische Studien zum Adoptionsrecht, JBl. 1963, 453 ff, auf den sich das Rekursgericht bezogen hat, meint, daß das Erfordernis eines Eltern-Kind-Verhältnisses für die Erwachsenenadoption mitunter überhaupt rechtlich nicht erfaßbar sei und daß sich aus den übrigen Bestimmungen des Adoptionsrechtes nicht ableiten lasse, daß eine Adoption jedenfalls nur bei Bestehen oder Herstellung eines Eltern-Kind-Verhältnisses bewilligt werden dürfe. Der erste Satz des § 180 a Abs.1 ABGB sei so aufzufassen, daß eine Adoption in der Regel nur bewilligt werden soll, wenn eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende Beziehung bestehe oder hergestellt werden soll (aaO 460 f).
Diesen Ausführungen ist ein Gericht zweiter Instanz in der Entscheidung EFSlg. 31.402 so weit gefolgt, daß es die Ansicht vertreten hat, das Bestehen eines Eltern-Kind-Verhältnisses sei im Fall einer Erwachsenadoption nicht erforderlich.
Edelbacher (Kritische Studien zum Adoptionsrecht - eine Erwiderung, ÖJZ 1964, 226 ff bes 227) und Schwimann (Das österreichische Adoptionsrecht nach seiner Reform, FamRZ 1973, 345 ff bes 347) lehnen die Ansicht, § 180 a Abs.1, erster Satz, ABGB, sage nichts über die Frage aus, ob die Adoption auch dann bewilligt werden könne, wenn eine dem Eltern-Kind-Verhältnis entsprechende Beziehung weder bestehe noch hergestellt werden soll, ab. Das Gesetz schränke den Anwendungsbereich des Erfordernisses im Sinne dieses Satzes in keiner Weise ein. Eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende Beziehung sei vielmehr eine allgemeine Voraussetzung jeder Adoption, seien auch die konkreten Kriterien für eine kindschaftsähnliche Beziehung gerade bei volljährigen Adoptionskindern schwer zu erfassen; man werde sich vernünftigerweise mit eindeutigen Symptomen einer über die Intimität gesellschaftlichen Verkehrs hinausgehende persönliche Beziehung beider Seiten zueinander zufriedengeben müssen, so daß sich der Schwerpunkt der Vorschrift auf eine negative Ausschlußfunktion zur Verhinderung von Adoptionen verschiebe, die ohne psychische Substanz hauptsächlich materiellen Interessen oder gesellschaftlichen Äußerlichkeiten dienen sollen (Schwimann aaO 438).
Auch Schlemmer in Schwimann, ABGB I Rz 2 zu § 180 a, vertritt die Ansicht, die Voraussetzung des § 180 a Abs.1, erster Satz, ABGB gelte für die Minderjährigen- und Erwachsenenadoption gleichermaßen; doch sei für die Erwachsenenadoption eine geringere emotionale Intensität der Beziehung zu verlangen als für die Minderjährigenadoption.
Pichler in Rummel, ABGB2, Rz 1 zu § 180 a meint, in § 180 a Abs.1, erster Satz, ABGB, werde an das gesellschaftliche und psychologische Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern gedacht. Da ein solches Verhältnis zwischen Erwachsenen schwer zu erfassen sei, trete bei der Erwachsenenadoption die Voraussetzung des gerechtfertigten Anliegens, das bei einem Vertragsteil iS des § 180 a Abs.1, dritter Satz, ABGB vorliegen müse, mehr und mehr in den Vordergrund.
Die Ansicht Steiningers, § 180 a Abs.1, erster Satz, ABGB sage nichts über die Frage aus, ob die Adoption auch dann bewilligt werden könne, wenn eine dem Eltern-Kind-Verhältnis entsprechende Beziehung weder bestehe noch hergestellt werden soll, findet im Wortlaut dieser Bestimmung, dem eine Einschränkung auf nicht eigenberechtigte Wahlkinder nicht zu entnehmen ist, keine Deckung. Der Oberste Gerichtshof schließt sich deshalb jenen Lehrmeinungen an, die, zusammengefaßt, im wesentlichen den Standpunkt vertreten, es sei (zwar) auch im Fall der Erwachsenenadoption Voraussetzung für die Bewilligung, daß eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende Beziehung besteht oder hergestellt werden soll, doch dürfe dieses Erfordernis nicht überbetont werden, eine nähere persönliche Beziehung entspreche ihm. Dazu kommt, daß der Umstand, ob eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende Beziehung besteht oder doch hergestellt werden soll, nicht (allein) nach dem Zeitpunkt des Abschlusses des Adoptionsvertrages beurteilt werden darf; entscheidend ist vielmehr, da nach § 180 a ABGB die Bewilligung davon abhängt, der Zeitpunkt der gerichtlichen Beschlußfassung. Besteht zu diesem Zeitpunkt noch keine entsprechende Beziehung und erscheint es ungeachtet einer zunächst bestandenen (positiven) Absicht mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nicht verwirklichbar, daß eine derartige Beziehung voraussichtlich hergestellt werden kann, so ist die Annahme nicht zu bewilligen.
Die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen gestatten noch keine verläßliche Beurteilung, ob eine den Erfordernissen des § 180 a Abs.1, erster Satz, ABGB entsprechende persönliche Beziehung - daß im Hinblick auf den Inhalt des Übergabsvertrages ein "gerechtfertigtes Anliegen" iS des § 180 a Abs.1, dritter Satz, ABGB sowohl des Wahlvaters als auch der Wahlkinder vorliegt, hat bereits das Rekursgericht dargelegt und wird vom Rechtsmittelwerber auch nicht in Frage gestellt - besteht oder ob eine derartige Beziehung, mag sie auch beabsichtigt gewesen sein, voraussichtlich nicht hergestellt werden kann. Festgestellt wurde im wesentlichen nur, daß zwischen dem Wahlvater und den Wahlkindern, seit sie auf dem Hof des Wahlvaters zusammenwohnen, ein gespanntes Verhältnis herrscht und daß es mitunter zu heftigen verbalen Auseinandersetzungen kommt; die weitere Feststellung, es habe sich kein familienähnliches Verhältnis entwickelt, stellt im Grunde bereits eine rechtliche Beurteilung dar. Zu den wesentlichen Vorwürfen des Wahlvaters - gröbliche Beschimpfungen, Bedrohungen oder gar Tätlichkeiten - hat das Erstgericht ausdrücklich keine Feststellungen getroffen.
Die Feststellungen, es herrsche (immer? zeitweilig?) zwischen den Parteien ein gespanntes Verhältnis und es komme sehr oft zu verbalen Auseinandersetzungen, sind in dieser Form zu unbestimmt, zumal der Wahlvater bei dem gemeinsamen Bewilligungsantrag ON 1 eine positive Entwicklung der persönlichen Beziehungen behauptet und auch bei seiner Vernehmung vom 20.3.1990 (ON 5) nichts Nachteiliges mehr über das Verhalten der Wahlkinder angegeben, sondern lediglich die Befürchtung geäußert hat, dieses Verhalten könnte sich nach der Bewilligung der Adoption (wieder) ändern. Ein ungestört harmonisches Zusammenleben ist als Voraussetzung für die Bewilligung einer Adoption, zumal einer Erwachsenenadoption, nicht zu verlangen. Es darf nicht übersehen werden, daß es bei einem Zusammenleben vor allem von Menschen, die verschiedenen Generationen angehören, in keinem Fall gänzlich vermieden werden kann, daß gegensätzliche Ansichten vertreten werden und es deshalb zu Auseinandersetzungen und zu Streit kommt, vor allem wenn wie hier beide Vertragsteile Sorge haben mögen, es habe der jeweils andere Vertragspartner vor allem seinen Vorteil im Sinn und übergehe das "gerechtfertigte Anliegen" des anderen. Es kann auch nicht allein der Wunsch des - möglicherweise in seinen Beziehungen zu anderen Menschen unbeständigen - Wahlvaters entscheidend sein, seinen landwirtschaftlichen Betrieb nunmehr lieber seinem bereits entfertigten Wahlkind Maria O***** zu übergeben und mit den Ehegatten T***** doch nicht zusammenleben zu wollen, sollten keine triftigen, vor allem in der Person der Ehegatten T***** gelegenen Gründe hiefür bestehen.
Es werden daher nach entsprechender Ergänzung des Verfahrens detaillierte Feststellungen über das Zusammenleben der Vertragsteile und zu den von Franz O***** gegen die Ehegatten T***** erhobenen Vorwürfe zu treffen sein, um beurteilen zu können, ob zwischen den Vertragsteilen der Bestimmung des § 180 a Abs.1, erster Satz, ABGB entsprechende Beziehungen inzwischen bestehen oder zu erwarten sind, oder ob erhebliche Umstände mit großer Wahrscheinlichkeit gegen eine derartige Prognose sprechen.
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