European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1977:0030OB00050.77.0517.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die verpflichtete Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Begründung:
Auf Grund seines Versäumungsurteiles vom 11. September 1973, GZ 5 C 1853/73, bewilligte das Bezirksgericht für Handelssachen Wien am 31. Oktober 1973 zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderung der betreibenden Gläubigerin von „DM 1.652,50 d.s. zum Tageskurs der österreichischen Nationalbank S 11.960,--“, wider die Firma S* & Co. * in * die Fahrnisexekution. Mit den Beschlüssen des Exekutionsgerichtes Wien vom 15. November 1974, ON 5, und des Bezirksgerichtes Mödling vom 21. Mai 1975, ON 7, sowie vom 29. Juli 1975, ON 10, wurde der neuerliche Vollzug dieser Exekution gegen die „Firma S* & Co, *, Rechtsnachfolger gemäß § 1409 ABGB Ing. H*“ angeordnet. Die betreibende Gläubigerin hatte über Aufforderung des Exekutionsgerichtes durch einen Handelsregisterauszug des Handelsgerichtes Wien nachgewiesen, daß der bisherige Gesellschafter H* laut Eintragung vom 6. Dezember 1973 Alleininhaber der Firma ist. In der Folge beantragte Ing. H* die Einstellung der Exekution, da er mit der im Exekutionstitel genannten Schuldnerin nicht ident sei und die betreibende Gläubigerin die Rechtsnachfolge nicht durch öffentliche Urkunden nachgewiesen habe. Die Gesellschafterin H* sei erst nach Entstehung des Exekutionstitels aus der Gesellschaft ausgetreten. Eine Haftung nach § 1409 ABGB bestehe nicht, weil er bereits mehr bezahlt habe, als das übernommene nicht mehr existente Unternehmen wert gewesen sei.
Das Erstgericht wies den Einstellungsantrag ab und verwies den Verpflichteten gemäß § 40 Abs. 2 EO auf den Rechtsweg (Punkt 1 des Beschlusses vom 22. Jänner 1976, ON 22). Da das Erstgericht über den Einstellungsantrag ohne mündliche Verhandlung entschieden hatte, hob das Rekursgericht diese Entscheidung aus Anlaß des Rekurses des Verpflichteten als nichtig auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Mit Schriftsatz ON 39 wiederholte der Verpflichtete seinen Einstellungsantrag und begründete ihn damit, daß ein gegen den Geschäftsübergeber ergangenes Urteil gegen den Geschäftsübernehmer weder Rechtskraft noch Vollstreckbarkeit bewirke. Der § 1409 ABGB, auf den sich die betreibende Gläubigerin berufen habe, sehe keine Schuldübernahme, sondern nur – unter bestimmten Voraussetzungen – einen Schuldbeitritt vor.
Mit dem Beschluß vom 29. November 1976, ON 42, stellte das Erstgericht die Exekution gem. § 39 Abs. 1 Z 2 EO ein (Punkt 1) und sprach beiden Parteien Kosten zu (Punkte 2 und 3). Es war der Ansicht, daß der Verpflichtete zwar Rechtsnachfolger der Titelschuldnerin sei, daß aber die betreibende Gläubigerin mangels einer privaten Schuldübernahme über keinen Exekutionstitel gegen den Verpflichteten verfüge.
Der Kostenrekurs des Verpflichteten blieb ohne Erfolg. Dem Rekurs der betreibenden Gläubigerin gab das Rekursgericht dahin Folge, daß es den Einstellungsantrag und das Kostenbegehren des Verpflichteten abwies (ON 48). Es billigte zwar die Ansicht des Erstgerichtes, daß die Übernahme eines Unternehmens nach § 1409 ABGB keine Rechtsnachfolge im Sinne des § 9 EO bewirke, meinte aber, daß von der Rechtskraft der unbekämpft gebliebenen Vollzugsbeschlüsse der Exekutionsgerichte auszugehen sei. Der mangelnde Nachweis der Rechtsnachfolge könne nur mit Rekurs gegen den die Exekution bewilligenden Beschluß oder mit Klage nach § 36 Abs. 1 Z 1 EO geltend gemacht werden.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen den Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs des Verpflichteten ist nicht berechtigt.
Der Exekutionstitel wurde gegen die aus zwei Gesellschaftern bestehende offene Handelsgesellschaft Firma S* & Co erwirkt. Nach dem Vorbringen des Einstellungswerbers trat die Gesellschafterin H* erst am 6. Dezember 1973 aus der Gesellschaft aus. Der bisherige Gesellschafter Ing. H* ist laut Eintragung im Handelsregister vom 6. Dezember 1973 nunmehr Alleininhaber der Fa. S* & Co. Die am 31. Oktober 1973 erlassene Exekutionsbewilligung, ON 1, richtete sich daher gegen die damals noch bestandene Offene Handelsgesellschaft als verpflichtete Partei und verstieß somit nicht gegen die allgemeinen Grundsätze des § 7 Abs. 1 EO. Ing. H* hat das Unternehmen, wie sich aus dem erwähnten Handelsregisterauszug ergibt und im übrigen auch im Einstellungsantrag ON 19 des Revisionsrekurswerbers behauptet wurde, übernommen. Auf die vertragliche Übernahme des Unternehmens einer zweigliedrigen Gesellschaft durch einen Gesellschafter ist die Bestimmung des § 142 HGB entsprechend anzuwenden (HS 1400). Die Gesellschafter können den Übergang eines Unternehmens auf einen Gesellschafter auch dann vereinbaren, wenn im Gesellschaftsvertrag ein Übernahmsrecht nicht vorgesehen ist (Hueck, Das Recht der Offenen Handelsgesellschaft4 S 468). Mit der Ausübung des Übernahmsrechtes verwandelt sich das bisherige Gesamthandeigentum der Gesellschaft in Alleineigentum des Geschäftübernehmers, ohne daß es hiezu eines Übertragungsaktes bedarf (Hueck, aaO, Ulmer im Reichsgerichtskommentar zum HGB³ II/1 S 602, 608). Mit den Aktiven gehen aber auch alle Schulden der Offenen Handelsgesellschaft auf den Geschäftsübernehmer über. Damit haftet der Geschäftsübernehmer nicht nach § 128 HGB für die Erfüllung der Verbindlichkeiten der Offenen Handelsgesellschaft, sondern er wird der eigentliche Schuldner, der selbst zu erfüllen hat (Hueck, aaO S 469, Ulmer aaO S 604, Heller-Berger-Stix S 229 f SZ 37/171, 7 Ob 836/76). Die Bestimmung des § 129 Abs. 4 HGB ist auf den Geschäftsübernehmer nicht anwendbar (Heller-Berger-Stix S 230, 7 Ob 836/76). Die Geschäftsübernahme nach § 142 HGB kann einer Gesamtrechtsnachfolge gleichgestellt werden (Ulmer aaO S 602, 604, 7 Ob 836/76). Bei Gesamtnachfolge des Gläubigers oder des Schuldners tritt eine Änderung der betreffenden Partei von selbst ein (Heller-Berger-Stix S 362). Ing. H* ist daher Rechtsnachfolger der im Titel genannten Schuldnerin. Der Ansicht des Rekursgerichtes, daß die Vollzugsbeschlüsse rechtlich verfehlt gewesen seien, kann somit nicht beigepflichtet werden. Da das Gericht an die rechtliche Qualifikation der Parteien nicht gebunden ist, kann es der betreibenden Partei nicht zum Nachteil gereichen, daß sie den Sachverhalt, aus dem sie die Rechtsnachfolge des Verpflichteten ableitet, unrichtigerweise unter die Bestimmung des § 1409 ABGB subsumiert hat.
Der Revisionsrekurs erweist sich mangels Vorliegens des vom Verpflichteten behaupteten Einstellungsgrundes als unberechtigt, sodaß ihm der Erfolg zu versagen war.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekurses gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO und 78 EO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)
