OGH 3Ob502/92

OGH3Ob502/9211.3.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Klinger, Dr. Angst und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Friederike P*****, vertreten durch Dr. Brigitte Birnbaum und Dr. Rainer Toperczer, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Hans-Georg W*****, vertreten durch Dr. Michael Kinberger, Rechtsanwalt in Zell am See, wegen Aufkündigung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 21. März 1991, GZ 21 R 42/91-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Zell/See vom 14. November 1990, GZ 1 C 8/90b-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.899,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 483,20 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte bezog im Jahr 1979 gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Elisabeth W***** aufgrund eines mündlichen Bestandvertrages mit den Eigentümern Peter und Frieda R***** die im zweiten Stock des Hauses Zell am See, G*****gasse 5 (seinerzeitige Bezeichnung E*****) gelegene Wohnung. Der Lebensgemeinschaft entsprang die am 1. April 1980 geborene Tochter Alexandra W*****. Mit Wirkung ab 1. Februar 1981 schlossen die Liegenschaftseigentümer und Elisabeth W***** einen schriftlichen Mietvertrag über diese Wohnung. Als die von anderen Mietern bewohnte Wohnung im ersten Stock des Hauses frei wurde, mietete(n) der Beklagte (und seine Lebensgefährtin ?) diese Wohnung dazu. Sie errichteten darin unter anderem das Kinderzimmer für die Tochter und ein Bügelzimmer, auch bestand dort eine Duschgelegenheit. Über diese Wohnung verfaßten die Hauseigentümer und der Beklagte (allein) den schriftlichen Mietvertrag vom 8. April 1982. Beide Wohnungen wurden in der Folge von den Lebensgefährten und ihrem Kind als "Familienwohnung", nach der Eheschließung am 20. Juni 1984, wodurch die Tochter legitimiert wurde, als Ehewohnung mit Wissen und Duldung der Vermieter benützt. Etwa ab 1987 verlegte der Beklagte seinen Aufenthalt mehr und mehr nach Innsbruck, seine Ehegattin und die Tochter blieben jedoch in den beiden Wohnungen. Am 19. April 1990 wurde die Ehe gemäß § 55 a EheG geschieden. Im Scheidungsvergleich vereinbarten die Ehegatten, daß die Tochter in Obsorge der Mutter und die (beiden Wohnungen als) Ehewohnung weiterhin der Frau verbleibt. In der vom Beklagten selbst verfaßten Vereinbarung wurde dies so formuliert, als ob die Frau immer schon allein Mieterin der beiden die Ehewohnung darstellenden Wohnungen gewesen wäre. Auch nach der Scheidung benützten die Frau und die Tochter des Beklagten weiterhin beide Wohnungen als Einheit. Die Klägerin ist seit 1987 Gesamtrechtsnachfolgerin der beiden Vermieter, ihrer Eltern. Sie wurde vom Beklagten oder dessen Ehegattin weder von der Scheidung und der getroffenen Scheidungsvereinbarung noch vom Auszug des Beklagten unterrichtet.

Mit der am 16. Juli 1990 beim Erstgericht eingebrachten Aufkündigung kündigte die Klägerin dem Beklagten die im ersten Stock gelegene Wohnung aus dem Grunde des § 30 Abs 2 Z 6 MRG zum 31. August 1990 auf, weil er diese Wohnung bereits längere Zeit nicht benütze und kein dringendes Wohnbedürfnis bestehe. (Auf den ursprünglich ebenfalls geltend gemachten Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 MRG kommt die Klägerin im Revisionsverfahren nicht mehr zurück.)

Die Aufkündigung wurde dem Beklagten durch postamtliche Hinterlegung mit Beginn der Abholfrist am 19. Juli 1990 zugestellt. In den am 9. August 1990 zur Post gegebenen Einwendungen, welche das Erstgericht wegen erwiesener, rund 14tägiger berufsbedingter Abwesenheit des Beklagten im Zustellungszeitraum als rechtzeitig beurteilte, wies der Beklagte auf die Verletzung der einmonatigen Kündigungsfrist wegen verspäteter Zustellung der Aufkündigung ebenso wie im weiteren erstinstanzlichen Verfahren nicht hin.

Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf. Es bejahte die Passivlegitimation des Beklagten, weil er "zumindest auch" Mieter der aufgekündigten Wohnung gewesen sei, erachtete jedoch die Voraussetzungen für die Annahme des Kündigungsgrundes nach § 30 Abs 2 Z 6 MRG nicht als gegeben, weil die Tochter (und die geschiedene Ehegattin) des Beklagten als eintrittsberechtigte Person (§ 14 Abs 3 MRG) diese Wohnung ständig bewohne.

Mit dem angefochtenen Urteil gab das Berufungsgericht der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Der Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 6 MRG setze das Fehlen der regelmäßigen Benützung der Wohnung zu Wohnzwecken und den Mangel eines dringenden Wohnbedürfnisses des Mieters oder eintrittsberechtigter Personen voraus. Erfolge eine regelmäßige Verwendung zu Wohnzwecken, dann sei der dringende Wohnbedarf nicht mehr zu prüfen. Die Verweisung auf § 14 MRG erfordere für die Beurteilung des "bisherigen gemeinsamen Haushaltes" für die Zeit bis zum Auszug des Mieters bzw. bis zur nicht mehr regelmäßigen Verwendung der Wohnung durch den Mieter. Damit sei nicht nur die Tochter, sondern auch die seinerzeitige Ehegattin des Beklagten als eintrittsberechtigte Person anzusehen, deren regelmäßige Weiterbenützung der aufgekündigten Wohnung den geltend gemachten Kündigungsgrund vernichte. Da der Beklagte eine entsprechende Einwendung unterlassen habe, könne auf die aus den festgestellten Zustellanständen hervorleuchtende Verletzung der einmonatigen Kündigungsfrist nicht Bedacht genommen werden.

Die Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Vorerst ist dem Gericht zweiter Instanz beizupflichten, daß die (allfällige) Verletzung der Kündigungsfrist im vorliegenden Fall nicht amtswegig wahrzunehmen ist. Erfolgt die Einbringung rechtzeitig, aber die Zustellung erst nach Ablauf der Kündigungsfrist, so ist die Aufkündigung dennoch wirksam, wenn gegen den gerichtlichen Auftrag binnen der anberaumten Frist Einwendungen nicht angebracht werden oder die Verspätung nicht ausdrücklich gerügt wird (§ 564 Abs 2 ZPO; Fasching Kommentar IV 656 f; derselbe Lehrbuch2 Rz 2143; SZ 59/171 ua). Die Nachholung dieses Vorbringens in der Revisionsbeantwortung des Beklagten verstößt gegen das Neuerungsverbot. Daran hat "die Zivilverfahrensnovelle" nichts geändert.

Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 6 MRG liegt vor, wenn die vermietete Wohnung nicht zur Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des Mieters oder der eintrittsberechtigten Personen (§ 14 Abs 3) regelmäßig verwendet wird, es sei denn, daß der Mieter zu Kur- oder Unterrichtszwecken oder aus beruflichen Gründen abwesend ist. Dieser auf Wohnungen beschränkte Kündigungsgrund setzt in gewisser Abweichung zum Gesetzestext (Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19 Rz 39 zu § 30) das Fehlen einer regelmäßigen Verwendung zu Wohnzwecken (durch wen immer - SZ 23/214; Würth-Zingher aaO) und den Mangel eines dringenden Wohnbedürfnisses des Mieters oder eintrittsberechtigter Personen voraus. Wenn daher - wie im vorliegenden Fall - eine regelmäßige Verwendung zu Wohnzwecken (noch dazu durch eintrittsberechtigte Personen) erfolgt, ist der dringende Wohnbedarf des Mieters oder der eintrittsberechtigten Personen gar nicht mehr zu prüfen (Würth-Zingher aaO mw Rechtsprechungshinweisen). Durch die Verweisung auf die eintrittsberechtigten Personen gemäß § 14 Abs 3 MRG beim Kündigungsgrund der Z 6 des § 30 Abs 2 MRG wird bloß der Personenkreis in gleicher Weise wie in dessen Z 5 bestimmt (MietSlg 35.361). Die Meinung der Revision, bei Bestätigung der berufungsgerichtlichen Rechtsansicht könne ein Hauptmieter, der die Mietwohnung formlos unter Lebenden an in § 14 Abs 3 MRG genannte Personen "weitergebe", § 12 Abs 1 und 2 MRG "zum toten Recht machen", § 46 MRG umgehen, § 30 Abs 2 Z 6 MRG weitgehend entwerten und eine für alle Beteiligten unklare Rechtslage schaffen, trifft nicht zu. Schon das Berufungsgericht hat dargelegt, daß nicht nur die Voraussetzungen des Kündigungsgrundes nach § 30 Abs 2 Z 6 MRG einerseits und jene der Abtretung der Hauptmietrechte gemäß § 12 MRG, insbesondere was die Rechtsfolgen für den Vermieter betrifft, unterschiedlich sind, weil im ersten Fall der ausziehende Hauptmieter Vertragspartner bleibt, im anderen Fall jedoch - die Zustimmung der Begünstigten und die Anzeige der Abtretung

vorausgesetzt - dem Vermieter neue Vertragspartner gegenüberstehen. Auf diese Ausführungen des Berufungsgerichtes kann daher verwiesen werden (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Zudem nimmt gerade auch § 46 Abs 1 MRG erneut auf den Personenkreis des § 14 MRG Bezug, so daß seine Umgehung in einem Fall wie dem vorliegenden nicht möglich erscheint. Warum und wodurch aber der Kündigungstatbestand des § 30 Abs 2 Z 6 (ad infinitum hinausgeschoben und damit) entwertet werden sollte oder eine unklare Rechtslage geschaffen würde, ist nicht erkennbar.

Auf den in der Revision bezogenen Fall, wie die Situation beim Tod des Beklagten wäre, kommt es (abgesehen davon, daß in den vorliegenden schriftlichen Mietverträgen die Vertragspositionen an die jeweiligen Rechtsnachfolger überbunden sind) nicht an.

Wie schon das Berufungsgericht hervorhob, erfolgt diese Beurteilung der Sache auf der nicht weiter anfechtbaren Sachverhaltsgrundlage, daß der Beklagte (immer noch) Mieter der aufgekündigten Wohnung ist, und ohne nähere Prüfung seiner weiteren Behauptung, daß die aufgekündigte Wohnung schon immer auch und seit dem Scheidungsverfahren allein von seiner geschiedenen Frau gemietet gewesen sei; in diesem Fall müßte das Klagebegehren schon am Mangel der Passivlegitimation des Beklagten scheitern.

Die Revisionskostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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