Spruch:
Verbreitungsverbot eines Buches wegen Verletzung des Ausstattungsschutzes (Verwechslungsfähigkeit).
Durch den Erwerb des Rechts auf Übersetzung sowie auf Veröffentlichung und Vertrieb des übersetzten Werkes erwirbt der Verlag ein Werknutzungsrecht, das insofern ein absolutes Recht gewährt, als er dadurch instandgesetzt wird, selbständig gegen jeden Eingriff eines Dritten vorzugehen.
Entscheidung vom 6. Oktober 1954, 3 Ob 462/54.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Die gefährdete Partei hat das Recht auf Übersetzung, Veröffentlichung und Vertreibung des amerikanischen "Baby Book" am 23. März 1953 erworben. Die beklagte Partei vertreibt ein in der Reihe der Humboldt-Taschenbücher erschienenes Buch "Unser Baby". Das einen Kinderkopf darstellende Titelbild des "Baby Book" gleicht vollkommen dem Titelbild des Buches "Unser Baby".
Über den Rekurs der klagenden Partei gegen die Abweisung ihres Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, erließ das Rekursgericht mit dem angefochtenen Beschluß eine einstweilige Verfügung, in der zur Sicherung des klägerischen Anspruchs auf Unterlassung des Verkaufs und Vertrieb des Buches "Unser Baby" der Antragsgegnerin verboten wird, das Buch im geschäftlichen Verkehr zu verbreiten und geboten wird, der Firma L., über welche das Buch als Auslieferungsstelle vertrieben wird, die Weisung zu erteilen, die Weitervertreibung des Buches zu unterlassen und die der Firma L. in Kommission gegebenen Exemplare zurückzufordern. In Übereinstimmung mit dem Erstgericht nahm das Rekursgericht den Ausstattungsschutzanspruch für bescheinigt an und hielt die beantragten Sicherungsmittel nur für zu weitgehend, so daß es abweichend von dem Parteiantrag die vorstehend angeführten Verbote und Gebote erließ.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Gegnerin der gefährdeten Partei teilweise Folge und änderte die einstweilige Verfügung insoweit ab, als er das Verbot, das Buch "Unser Baby" im geschäftlichen Verkehr zu verbreiten, aufhob und den Antrag der klagenden Partei auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung durch gerichtliche Verwahrung der bei der beklagten Partei befindlichen Exemplare des Büchleins "Unser Baby" abwies.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Es kann zunächst den Rekursausführungen nicht beigepflichtet werden, wenn darin die Ansicht vertreten wird, daß der Ausstattung des "Baby Book" kein Schutz in Österreich zukäme. Das Buch genießt infolge seines "Copyright"-Vermerks Urheberrechtsschutz in den Vereinigten Staaten von Amerika auf Grund des dort geltenden Urheberrechtsgesetzes vom 4. März 1909. Nach der Verordnung RGBl. 265/1907 finden die Bestimmungen des österreichischen Urheberrechtsgesetzes auf die Werke von Bürgern der Vereinigten Staaten von Amerika Anwendung, soferne sie dort Schutz genießen. Da somit diese Voraussetzung gegeben ist, findet das österreichische Urheberrechtsgesetz im vollen Umfange Anwendung, ohne daß untersucht werden müßte, ob das amerikanische Urheberrecht auch einen dem § 80 Urheberrechtsgesetz entsprechenden Ausstattungsschutz gewährt. Die Tatsache, ob ein Werk in den USA Schutz genießt, ist nur die Bedingung für die Anwendbarkeit des österreichischen Urheberrechtsgesetzes (wie sich aus dem Wort "soferne" in II. der angegebenen Verordnung ergibt). Es muß daher nicht in jedem einzelnen Falle untersucht werden, ob das in Betracht kommende Schutzrecht im gleichen Umfange auch in den USA gewährt wird. Nach § 100 Abs. 3 UrhG. steht dem Werknutzungsberechtigten eines geschützten Werkes der Ausstattungsschutz zu. Die Untergerichte haben infolgedessen den vom Werknutzungsberechtigten geltend gemachten Anspruch mit Recht als bescheinigt angesehen. Es kam dabei nicht darauf an, daß die Übersetzung des "Baby Book" noch nicht erschienen war. Durch den Erwerb des Rechtes auf Übersetzung sowie auf Veröffentlichung und Vertrieb des übersetzten Werkes erwarb die gefährdete Partei ein Werknutzungsrecht, das insofern ein absolutes Recht gewährt, als sie dadurch instandgesetzt wird, selbständig gegen jeden Eingriff eines Dritten vorzugehen. Da die der gefährdeten Partei überlassenen Rechte auch das Recht umfassen, den für das "Baby Book" charakteristischen Umschlag zu verwenden, muß die gefährdete Partei auch für berechtigt angesehen werden, einen solchen Eingriff in die ihr übertragenen Ausstattungsrechte abzuwehren.
Auch die Verwechslungsfähigkeit, die im übrigen von der Gegnerin der gefährdeten Partei nicht bestritten wurde, war gegeben, weil der Schutzumschlag des "Baby Book" im Hinblick auf die Verwendung des gleichen Kinderkopfes in den gleichen Farben mit dem Buchumschlag des Buches "Unser Baby" auf jeden Fall verwechslungsfähig ist.
Im Recht ist die Rekurswerberin allerdings, wenn sie vorbringt, daß das vom Rekursgericht bewilligte Sicherungsmittel gar nicht beantragt worden ist. Die gefährdete Partei hatte die gerichtliche Verwahrung aller Exemplare des Buches beantragt, soweit sie sich in der Verfügungsgewalt der beklagten Partei befinden. Das Rekursgericht hat dargetan, daß dieser Sicherungsantrag dem Urteilsantrag nicht entspricht, der nur auf Unterlassung des Verkaufs des Buches gerichtet ist. Es hat aber entgegen den Bestimmungen der §§ 389 Abs. 1 EO., 405 ZPO. eine Verfügung erlassen, die nicht beantragt worden ist. Es kann nicht gesagt werden, daß das erlassene Verbot der Verbreitung des Buches in dem beantragten Sicherungsmittel der gerichtlichen Verwahrung gleichsam als Minus enthalten ist. Es handelt sich vielmehr um ein ihrem Wesen nach verschiedenes Sicherungsmittel, was sich schon aus der Aufzählung der Sicherungsmittel im § 382 EO. ergibt, wo die gerichtliche Verwahrung unter Z. 1, das Veräußerungsverbot unter die Sicherungsmittel der Z. 5 fällt.
Dagegen muß dem Rekursgericht beigepflichtet werden, daß ein Unterlassungsanspruch nach den gegebenen Umständen auch durch ein Gebot gesichert werden kann. Im vorliegenden Fall stellt sich die Buchauslieferungsstelle nur als die verlängerte Hand der Gegnerin der gefährdeten Partei dar, so daß das Gebot an diese der Auslieferungsstelle die Weisung auf Unterlassung des Weitervertriebs zu geben und von ihr die Kommissionsware zurückzufordern, nur eine notwendige Ergänzung zum Verbot des Weitervertriebes darstellt, die als Sicherungsmittel durchaus möglich erscheint und nicht über den geltend gemachten Unterlassungsanspruch hinausgeht, weil auch dieser die Pflicht zum Widerruf eines erteilten Kommissionsauftrages bedeutet, soweit ein solcher Widerruf auf Grund des Kommissionsvertrages überhaupt möglich ist.
Auch die letzte Einwendung, daß mit dem angefochtenen Beschluß ein Schutz zuerkannt wird, der über den zu erwirkenden Ausstattungsschutz insofern hinausgeht, als die Verbreitung des ganzen Buches untersagt wird, während höchstens die Verbreitung des Buches in der bekämpften Ausstattung hätte verboten werden können, ist nicht berechtigt. Die bekämpfte Ausstattung besteht in der Abbildung eines Kinderkopfes auf dem Titelblatt des Buches, das mit dem Buch durch Heftung zu einer Einheit verbunden ist. Die Ausstattung des Titelblattes läßt sich daher vom Buch zunächst nicht trennen. Es war daher das Buch als Ganzes dem Verbot in der bisher erschienenen Form zu unterwerfen. Die Gegnerin der gefährdeten Partei ist dadurch nicht gehindert, das Buch in einer anderen Ausstattung, also nach Auswechslung des Titelblattes erneut auf den Markt zu bringen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)