Spruch:
Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.
Die Rechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Anna L*****, die Mutter des Klägers, ist seit 1962 Mieterin der von der Beklagten vermieteten Wohnung E*****straße 16/7, Dornbirn. Der am 18.8.1962 geborene Kläger wohnt seit seiner Geburt in dieser Wohnung. Armin L*****, der Vater des Klägers, zog erst nach seiner am 4.7.1969 erfolgten Verehelichung mit Anna L***** in die Wohnung ein. Schon vor der Heirat ersuchte Anna L***** die Beklagte mit Schreiben vom 12.6.1969 um Zuweisung einer Garage für den PKW ihres Verlobten. Mit Vertrag vom 6.10./1.11.1970 wurde diesem Wunsch entsprochen und Armin L***** von der Beklagten eine Garage mietweise überlassen. Es war jedoch nicht Voraussetzung (bei der Beklagten), daß der Mieter einer Garage auch Mieter einer Wohnung sein mußte. Von der Verehelichung wurde die Beklagte mit Schreiben der Anna L***** vom 16.9.1969 verständigt.
Unter den Eheleuten L***** waren die Aufgaben derart verteilt, daß Armin L***** die Korrespondenz insbesondere auch mit der Beklagten erledigte. Hierin ging es überwiegend um Auseinandersetzungen unter den Hausbewohnern. Seine zahlreichen Schreiben an die Beklagte verfaßte Armin L***** teilweise im eigenen Namen, teilweise im Namen beider Ehegatten oder auch nur als "A.L*****" (womit der Verfasser Anna oder Armin offenblieb). In einigen Schreiben bezeichnete sich Armin L***** ausdrücklich als Mieter.
Am 12.7.1977 richtete Armin L***** im Namen beider Ehegatten an die Beklagte das Ansuchen um Gewährung eines Darlehens oder Annuitätenzuschusses im Zusammenhang mit der Verbesserung der Lichtleitungsanlagen und der sanitären Anlage, was schließlich zur Gewährung eines Annuitätenzuschusses nach dem Wohnungsverbesserungsgesetz durch das Amt der Vorarlberger Landesregierung an Armin L***** führte. Die Beklagte brachte ihre Zustimmung zu diesem Vorhaben in einem allein an Armin L***** gerichteten Schreiben vom 21.7.1977 zum Ausdruck. Die Beklagte widersprach auch sonst nicht den von Armin L***** gebrauchten Bezeichnungen. Ihre Korrespondenz mit den Eheleuten L***** war vom Bestreben getragen, dem jeweils Anfragenden auch jeweils zu antworten.
Sowohl das Mietentgelt für die Garage als auch für die Wohnung wurde zumindest ab September 1975 vom Gehaltskonto des Armin L***** im Rahmen eines Dauerauftrages abgebucht.
Am 11.12.1982 verstarb Armin L*****.
Die von der Beklagten wider Anna L***** zum 31.10.1991 erwirkte gerichtliche Aufkündigung des Bestandvertrages ist wirksam. Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 22.10.1992, 4 E 1741/93h, wurde der Beklagten gegen Anna L***** die zwangsweise Räumung der Wohnung bewilligt.
Mit der vorliegenden Klage erhob der Kläger gegen die Räumungsexekution gemäß § 37 EO Widerspruch. Die Exekution gegen seine Mutter Anna L***** sei unzulässig, weil sie in seine Mietrechte eingreife. Sein Vater, Armin L*****, sei Mitmieter der Wohnung gewesen. Mit dessen Tod sei er (Kläger) in dessen Mietrechte gemäß § 14 Abs 2 MRG eingetreten. Er habe im gemeinsamen Haushalt mit seinem Vater gelebt und ein dringendes Wohnbedürfnis gehabt. Sein Vater habe stets die Korrespondenz mit der Beklagten geführt und sich hierin als Mieter bezeichnet. Die Beklagte habe dies akzeptiert. Unter anderem sei seinem Vater im Jahr 1977 für diese Wohnung mit Zustimmung der Beklagten ein Wohnungsverbesserungsdarlehnen gewährt worden.
Die Beklagte wendete ein, daß Armin L***** nicht Mieter der Wohnung gewesen sei. Der Kläger habe daher in keine Mietrechte eintreten können. Armin L***** habe lediglich aufgrund seiner familienrechtlichen Stellung als Ehegatte der Anna L***** agiert. Die Mietzinszahlungen seien von Anna L***** geleistet worden. Daß die Beklagte mit Anna L***** korrespondiert habe, sei lediglich ein Akt der Höflichkeit gewesen, nachdem Armin L***** als Briefschreiber aufgetreten sei. Im Verlassenschaftsverfahren nach Armin L***** seien Mietrechte nicht angeführt worden. Anna L***** habe sich im Räumungsprozeß nie darauf berufen, daß sie nicht allein, sondern gemeinsam mit ihrem Sohn, dem Kläger, Mieter wäre.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Unter Zugrundelegung des eingangs wiedergegebenen Sachverhaltes verneinte es in seiner rechtlichen Beurteilung ein Eintrittsrecht des Klägers gemäß § 14 Abs 2 MRG, weil sein verstorbener Vater Armin L***** nie Mieter gewesen sei. Ein Mietvertrag zwischen Armin L***** und der Beklagten sei weder ausdrücklich noch stillschweigend zustandegekommen. Dem bloßen Schweigen der Beklagten auf die Schreiben des Armin L*****, in denen er sich teilweise als Mieter bezeichnet bzw betrachtet habe, komme kein Erklärungswert zu. Armin L***** habe in diesen Schreiben nie um Aufnahme als Mieter ersucht. Auch die Mietzinszahlungen durch Armin L***** hätten kein Mietverhältnis zur Beklagten begründet. Die Beklagte hätte nämlich die mit Einverständnis der Anna L***** geleisteten Zahlungen nach § 1423 ABGB annehmen müssen; andernfalls wäre sie in Annahmeverzug geraten.
Mit dem angefochtenen Urteil bestätigte das Berufungsgericht über Berufung des Klägers das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteigt; die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu klären gewesen sei.
Das Berufungsgericht billigte die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes. Bei der Beurteilung konkludenter Erklärungen sei größte Vorsicht geboten, um nicht ungewollte Äußerungen zu unterstellen. Armin L***** habe nie um seine Aufnahme als Mieter ersucht. Auch das gemeinsame Ansuchen der Eheleute L***** um die Gewährung von Wohnbauförderungsmitteln sei kein stichhältiges Argument für das Zustandekommen eines Mietverhältnisses. Die Beklagte habe zwar keine Vorbehalte gemacht; dem Schweigen komme jedoch kein Erklärungswert zu, weil es verschiedene Ursachen haben könne.
Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Klagestattgebung abzuändern.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision ist zulässig, weil der Berufungsentscheidung wesentliche Feststellungsmängel anhaften; die Revision ist auch im Sinne des jedem Abänderungsantrag innewohnenden Aufhebungsantrages berechtigt (Kodek in Rechberger, ZPO Rz 4 zu § 471).
Man kann seinen Willen nicht nur ausdrücklich durch Worte und allgemein angenommene Zeichen, sondern auch stillschweigend durch solche Handlungen erklären, welche mit Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund daran zu zweifeln, übrig lassen (§ 863 Abs 1 ABGB). Bei der Beurteilung einer Handlung auf ihre konkludente Aussage ist größte Vorsicht geboten. Es besteht die Gefahr, daß dem Handelnden Äußerungen unterstellt werden, die nicht in seinem Sinn sind (Koziol/Welser I10 87 f mwN; Rummel in Rummel ABGB I2 Rz 14 zu § 863 mwN; MietSlg 34.185, 37.109, 38.106 ua).
Das Berufungsgericht hat sich entgegen der Ansicht des Revisionswerbers nicht mit "Leerformeln" begnügt. Es entspricht herrschender Lehre und Rechtsprechung, daß dem bloßen Schweigen grundsätzlich kein Erklärungswert beigemessen werden darf, weil es verschiedene Ursachen haben kann. Es ist nicht nur möglich, daß ein Schweigender zustimmen will, sondern ebenso, daß er an der Antwort verhindert ist oder diese nicht der Mühe wert findet. Schweigen kann also in der Regel nicht als Zustimmung gewertet werden (Koziol/Welser aaO 88 f mwN; Rummel aaO Rz 15 zu § 863 mwN).
Richtig ist, daß auch ein Bestandvertrag durch schlüssige Handlungen zustandekommen kann, wenn das Verhalten der Vertragsteile mit Überlegung alle Umstände des Falles unter Berücksichtigung der im Verkehr geltenden Gewohnheiten den zwingenden Schluß zuläßt, sie haben einen Bestandvertrag abschließen wollen (Würth in Rummel ABGB II2 Rz 4 zu §§ 1092 bis 1094 mwN). Die bisher vom Erstgericht getroffenen Feststellungen lassen tatsächlich noch nicht den Schluß zu, daß zwischen Armin L***** und der Beklagten stillschweigend ein Bestandvertrag zustandegekommen wäre. Insoweit ist sohin den Vorinstanzen zu folgen. Daß sich Armin L***** als Mieter betrachtete, vermochte ebensowenig ein Bestandverhältnis zur Beklagten zu begründen, wie der Umstand, daß er sich mehrfach in der Korrespondenz als Mieter bezeichnete. Ein Begehren, als Mieter anerkannt zu werden, hätte wohl im Zusammenhang mit den begleitenden Umständen eine Redepflicht der Beklagten ausgelöst; ein derartiges Ansinnen wurde jedoch von Armin L***** in seiner sonst überaus regen Korrespondenz nicht geäußert.
Auch aus der Bezahlung des Mietzinses durch Armin Ludescher und der Entgegennahme durch die Beklagte ist für den Standpunkt des Revisionswerbers ebenfalls nichts zu gewinnen. Im Normalfall muß zwar die unbeanstandete Annahme eines Entgeltes für die Benützung einer Wohnung durch längere Zeit als konkludente Handlung im Sinne des stillschweigenden Abschlusses eines Mietvertrages angesehen werden (MietSlg 32.148 bis 32.150, 33.137, 38.106 ua); um jedoch in der Entgegennahme des von Armin L***** bezahlten Entgelts durch die Beklagte eine konkludente Zustimmung zum Zustandekommen eines Mietvertrages zu erblicken, dürfte eine andere Auslegung vernünftigerweise nicht in Frage kommen (§ 863 Abs 1 ABGB; MietSlg 37.109). Dies ist aber hier gerade nicht der Fall. Hinsichtlich der gegenständlichen Wohnung bestand nämlich ohnehin bereits ein Bestandverhältnis zwischen der Beklagten und der Ehegattin des Armin L*****, sodaß sich die Überlegung, daß das bestehende Bestandverhältnis geändert oder gar ersetzt werden sollte, nicht ohne weiteres aufdrängte. Dazu kam, daß die Beklagte von Anna L***** ausdrücklich von der Verehelichung verständigt worden war. Daß dann in der weiteren Folge in der Korrespondenz der Ehegatte der Mieterin tatsächlich in Erscheinung trat und auch die Mietzinse bezahlte, konnte daher aus der Sicht der Beklagten durchaus auch in der familienrechtlichen Stellung des Armin L***** begründet sein. Daß Armin L***** mit seiner Vorgangsweise auch Rechte aus dem Mietvertrag erwerben und Pflichten aus dem Mietvertrag übernehmen wollte, war nach Treu und Glauben jedenfalls nicht die allein in Betracht kommende zwingende Auslegung. Gerade die Kenntnis des Vermieters davon, daß jemand mit dem Willen des Mieters in der Wohnung wohnt, ist wohl eher Hindernis für die primäre Annahme, die Zinszahlung durch den Mitbewohner erfolge zwecks Begründung eigener Rechte und Pflichten (vgl MietSlg 34.187, 38.109).
Die vorliegende Rechtssache ist aber dennoch nicht spruchreif im Sinne einer Verneinung eines möglichen Eintritts des Klägers in Mietrechte seines vorverstorbenen Vaters und eines daraus resultierenden möglichen Erfolges seiner Exszindierungsklage nach § 37 EO (vgl MGA EO13 E 61 f zu § 37).
Die Vorinstanzen erwähnten zwar das Klagevorbringen zum "Wohnungsverbesserungsdarlehen", zogen hieraus jedoch nicht die gebotenen Schlüsse und trafen vor allem zu diesem Thema nicht alle relevanten Feststellungen, worauf der Revisionswerber zu Recht hinweist. Fest steht zumindest, daß Armin L***** über seinen Antrag mit Bescheid des Amtes der Vorarlberger Landesregierung vom 11.10.1977 Annuitätenzuschüsse nach dem Wohnungsverbesserungsgesetz gewährt wurden (Beil./M) und daß die Beklagte in den Vorgang der Beantragung eingebunden war. Dem Begehren des Mieters auf Gewährung von Förderungsmaßnahmen waren verschiedene Unterlagen anzuschließen, und zwar unter anderem auch der Nachweis des Mietverhältnisses und die Zustimmung des Vermieters (§ 9 Abs 2 Wohnungsverbesserungsgesetz BGBl 1969/426 idF BGBl 1972/268; Kraßnig, Wohnungsverbesserungsgesetz 27).
Zu der sich nach der damaligen Gesetzeslage aufdrängenden Frage, ob auch von Armin L***** derartige Unterlagen tatsächlich beigebracht wurden und wie die konkrete Mietswirkung der Beklagten in diesem Zusammenhang aussah, fehlen jedoch detaillierte Feststellungen im Ersturteil. Da nicht auszuschließen ist, daß sich bei näherer Beleuchtung der Umstände hinsichtlich der Gewährung der Annuitätenzuschüsse noch relevante Handlungen der Beklagten ergeben können, die die Annahme des Zustandekommens eines Mietvertrages mit Armin L***** als Mitmieter rechtfertigen, sind die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben. Da in diesem Zusammenhang auch eine Erörterung mit den Parteien zu erfolgen haben und diesen Gelegenheit zu Beweisanträgen zu geben sein wird, ist die Rechtssache an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
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