Normen
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §9
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §16
Zivilprozeßordnung §273
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §9
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb §16
Zivilprozeßordnung §273
Spruch:
Voraussetzungen und Umfang des Schadenersatzanspruches nach § 9 Abs. 2 VWG.
Voraussetzung für den Zuspruch einer Geldbuße nach § 16 Abs. 2 UWG.
Entscheidung vom 13. Juli 1953, 3 Ob 417/53.
I. Instanz: Landesgericht Linz; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.
Text
Der Kläger ist Inhaber des R.-Verlages in Salzburg. Die beiden Streitparteien traten zueinander dergestalt in geschäftliche Beziehung, daß der Kläger im Auftrag der Beklagten in den Jahren 1946 und 1947 den Österreichischen A.-Kalender herausgegeben hat. Zufolge einer zwischen den Streitteilen getroffenen Vereinbarung sollten die nicht verkauften Exemplare des Kalenders 1947 (etwa 14.000 Stück) mit einem neuen Einband und einem neuen Kalendarium versehen und vom Kläger als Kalender 1948 im gesamten Bundesgebiet, mit Ausnahme Oberösterreichs, vertrieben werden. Die beklagte Partei brachte, ohne hiebei die Tätigkeit des Klägers wieder in Anspruch zu nehmen, den Österreichischen A.-Kalender 1948 heraus, bei dem das Einbandklischee 1947 verwendet wurde, so daß auch der Kalender 1948 auf dem Einband den Vermerk "R.-Verlag Salzburg" trug.
Diese widerrechtliche Verwendung des Namens "R.-Verlag" bildet den Kernpunkt der vom Kläger gegen die beklagte Partei erhobenen Schadenersatzansprüche in vorläufiger Höhe von 30.000 S, die das Erstgericht abwies.
Auf die Berufung des Klägers hob das Berufungsgericht mit Rechtskraftvorbehalt das erstrichterliche Urteil auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Prozeßgericht zurück.
Unter Übernahme der Tatsachenfeststellung des Erstgerichtes, daß eine rechtsverbindliche Vereinbarung über die Verlegung des neuen Kalenders 1948 der beklagten Partei im Verlag des Klägers nicht zustandegekommen sei, lehnte das Berufungsgericht gleich dem Erstgericht die aus dem Titel des Bruches der behaupteten Vereinbarung abgeleiteten Schadenersatzansprüche des Klägers ab.
Das Berufungsgericht schloß sich auch der tatsächlichen und rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes darin an, daß ein Schaden des Klägers auf Grund einer verspäteten Lieferung des umgebundenen Kalenders 1947/1948 nicht erweislich sei und daß der Kläger aus der Tatsache, daß die Beklagte ihren neuen Kalender 1948 früher herausbrachte, als der umgebundene Kalender 1947/1948 an den Kläger geliefert wurde, Schadenersatzansprüche deshalb nicht ableiten könne, weil er nicht einmal behauptet, geschweige denn bewiesen habe, daß die beklagte Partei sich etwa verpflichtet habe, keinen eigenen Kalender 1948 herauszubringen.
Entgegen der Ansicht des Erstgerichtes, das das Klagebegehren auch deshalb abgewiesen hat, weil ein Schaden aus dem behaupteten Mißbrauch des Verlagsnamens des Klägers durch die beklagte Partei in ihrem eigenen Kalender 1948 nicht konkretisiert wurde, weil zwischen den Parteien ein Wettbewerbsstreit nicht bestanden habe und weil schließlich auch keine besonderen Umstände im Sinne des § 16 Abs. 2 UWG. vorlägen, sah das Berufungsgericht im Gebrauch des Verlagsnamens des Klägers durch die beklagte Partei einen Verstoß gegen die Bestimmung des § 9 Abs. 1 UWG. und bejahte auch die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 UWG. für das Bestehen einer Schadenersatzverpflichtung der beklagten Partei, die von dem Nachweis einer bösen Absicht oder eines Verschuldens der Beklagten unabhängig sei.
§ 16 Abs. 1 UWG. besage nun, daß Schadenersatz im Bereich des UWG. auch den Ersatz des entgangenen Gewinnes umfasse. Wenn auch das, was der Kläger als entgangenen Gewinn geltend macht, nämlich sein Verlegerhonorar für den neuen Kalender 1948 der beklagten Partei, begrifflich nicht identisch sei mit dem Gewinn, der ihm dadurch entgangen sein könnte, daß die beklagte Partei unbefugt seinen Verlagsnamen gebraucht habe, so entspräche es doch - so meinte das Berufungsgericht - dem Rechtsempfinden und dem Grundsatz, daß sich niemand auf Kosten eines anderen bereichern soll, wenn dem Kläger unter Anwendung der Bestimmungen des § 273 ZPO. zumindest ein Teil jenes Gewinnes, welcher ihm bei einer vertraglichen Inanspruchnahme seines Verlages für den neuen Kalender 1948 der beklagten Partei zugeflossen wäre, als Schadenersatz bzw. Genugtuung dafür zugesprochen werde, daß die beklagte Partei unbefugt ihren bei einem anderen Verlag verlegten neuen Kalender 1948 unter dem Verlagsnamen des Klägers erscheinen ließ.
Das Berufungsgericht vertrat abweichend vom Erstgericht auch die Rechtsmeinung, daß dann, wenn die Behauptungen der klagenden Partei zutreffen, wonach die Organe der beklagten Partei aus Anlaß der Prüfung der Korrekturbogen (Fahnen) des neuen Kalenders 1948 erkennen mußten, daß auf dem Umschlagblatt der Verlag des Klägers angeführt ist, und wonach sie es absichtlich dabei beließen, in Anbetracht der besonderen Kraßheit des darin gelegenen. Verstoßes auch "besondere Umstände" angenommen werden müßten, die den Zuspruch einer Geldbuße nach § 16 Abs. 2 UWG., welche vom Kläger implicite geltend gemacht wurde, rechtfertigen würden.
Sollte das Erstgericht auf Grund des ergänzten Verfahrens zu dem Ergebnis gelangen, daß an den Kläger der Zuspruch irgendeines Betrages (Schadenersatz, Buße), zu erfolgen habe, dann gewinne die Frage der Wirksamkeit des vom Erstgericht festgestellten einverständlichen Verzichtes der Streitteile auf ihre gegenseitigen Forderungen aus dem gegenständlichen Kalendergeschäft wesentliche Bedeutung. In diesem Punkt hielt jedoch das Berufungsgericht die Beweiswürdigung des Erstgerichtes nicht für bedenkenfrei und vermeinte, daß eine Parteienvernehmung des Klägers und die Vernehmung einer Kontrollzeugin nicht zu umgehen sein werde.
Der Oberste Gerichtshof gab den Rekursen beider Streitteile nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Meinung des Berufungsgerichtes, daß bei wissentlicher Verletzung desNamensrechtes des Klägers der Zuspruch einer Geldbuße an den Kläger nach § 16 Abs. 2 UWG. gerechtfertigt wäre, kann allerdings nicht beigepflichtet werden. Ihrer Natur nach ist die Geldbuße nach § 16 Abs. 2 UWG. lediglich eine Vergütung für erlittene Kränkungen oder andere persönliche Nachteile, die nur dann zuzusprechen ist, wenn dies in den besonderen Umständen des Falles begrundet ist. Es muß sich also um eine solche Beeinträchtigung des seelischen oder körperlichen Wohlbefindens handeln, die den mit jeder unlauteren Wettbewerbshandlung verbundenen natürlichen Ärger überschreitet.
Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer Geldbuße nicht gegeben. Umstände, die erkennen ließen, daß der Kläger durch das Vorgehen der Beklagten in seinem geschäftlichen Betrieb wirklich ernstlich beeinträchtigt worden wäre, sind von ihm nicht dargetan worden. Für die Annahme, daß die Beklagte mit der Verwendung des Verlagsnamens des Klägers die Absicht verfolgte, den Kläger in seinem Erwerb zu schädigen, ihn zu kränken oder ihm sonst persönliche Nachteile zuzufügen, hat das Beweisverfahren keine konkreten Anhaltspunkte geliefert. Es besteht vielmehr Grund zur Annahme, daß der Kläger sich durch die Handlung der Beklagten durchaus nicht ernstlich beeinträchtigt gefühlt und sie auch nicht als schwer kränkend empfunden hat, weil er sich mit der Einbringung der Klage trotz der Bestimmung des § 20 UWG. rund drei Jahre Zeit gelassen hat.
Dagegen ist der Ansicht des Berufungsgerichtes zuzustimmen, daß eine grundsätzliche Schadenersatzpflicht der beklagten Partei gegenüber dem Kläger nach § 9 Abs. 2 UWG besteht. Diese Vorschrift verlangt im Gegensatz zu § 1 UWG weder Sittenwidrigkeit noch einen Wettbewerbszweck. Es genügt der geschäftliche Mißbrauch durch Benutzung des fremden Kennzeichenmittels. Das Verschulden besteht bei mißbräuchlicher Benutzung darin, daß der Verletzer wußte oder fahrlässigerweise nicht wußte, die mißbräuchliche Art der Benutzung sei geeignet, Verwechslungen hervorzurufen.
Wenn die beklagte Partei bei Herausgabe des Kalenders 1948, die in den Bereich ihrer geschäftlichen Betätigung fiel, den Verlagsnamen des Klägers verwendete, den zu führen nur dieser befugt war, so mußte sie sich darüber im klaren sein, daß dadurch der Anschein erweckt wurde, es sei der Kalender tatsächlich im R.-Verlag erschienen. In der Handlung der Beklagten sind somit alle Tatbestandsmerkmale des § 9 Abs. 2 UWG. verkörpert. Die Beklagte ist daher im Gründe der Bestimmung des § 9 Abs. 2 UWG. dem Kläger schadenersatzpflichtig.
Mit der Feststellung der grundsätzlichen Schadenersatzverpflichtung der Beklagten allein ist nun allerdings für den Kläger, der den Zuspruch einer bestimmten Schadenssumme begehrt noch nichts gewonnen. Der Verpflichtung der Beklagten zur Schadenersatzleistung an den Kläger entspricht das Recht des Klägers, von der beklagten Partei Schadenersatz zu verlangen, sofern er einen Schaden tatsächlich erlitten hat.
Die strikte Beweisführung über den Schadenseintritt im Wettbewerbsrecht stößt häufig auf unüberwindliche Schwierigkeiten. Oft hängt die Schadenshöhe vom Umfang der Verletzungshandlung ab, worüber der Verletzte zunächst nichts Näheres wissen kann. Erst eine Auskunfterteilung oder Rechnungslegung (Bucheinsicht) durch den Verletzer kann darüber Klarheit schaffen. Eine Konkretisierung des Schadens in der Klage wird daher von der Praxis nicht verlangt. Es genügt, wenn der Verletzte die Richtung andeutet und dartut, daß ein Schaden mit "hoher Wahrscheinlichkeit" eingetreten ist. Es ist dann Sache des Verletzers, durch Gegenbeweis darzutun, daß ein Schaden nicht eingetreten sein kann.
Die Schadenszufügung, worunter jede nachteilige Beeinträchtigung der Vermögenslage zu verstehen ist, kann in einem dem Verletzten tatsächlicherwachsenen Schaden wie auch in einem dem Verletzten entgangenen Gewinn bestehen, den er ohne Eintritt der Verletzungshandlung gehabt hätte; so, wenn die durch die Verletzungshandlung etwa eingetretene Rufschädigung oder Marktverwirrung beim Verletzten eine Minderung des Absatzes zur Folge hatte. In dieser Richtung hat der Kläger insbesondere behauptet, daß durch den Mißbrauch des Verlagsnamens eine Störung der Bezugsquellen und des Kundendienstes eingetreten sei.
Da, wie schon erwähnt, die Forderung des entgangenen Gewinnes vielfach auf erhebliche Beweisschwierigkeiten stößt, räumen Lehre und Rechtsprechung dem Verletzten das Recht ein, bei Mißbrauch von Ausschließungsrechten an Stelle des entgangenen Gewinns eine angemessene Gebrauchsgebühr (Lizenz) für die unbefugte Verwendung seines Zeichens (Namens, Firma) zu verlangen. Die angemessene Festsetzung ist Sache des Einzelfalls, darüber lassen sich allgemeine Regeln nicht aufstellen. Die Höhe wird in erster Linie von dem Verkehrswert des verletzten Ausschließungsrechtes abhängen.
Neben den beiden Schadenberechnungsarten - entgangener Gewinn und entgangene Gebrauchsgebühr - ist eine dritte Berechnungsweise denkbar: die Herausforderung des vom Verletzer gemachten Gewinnes (Bereicherung).
Abweichend von § 108 Abs. 3 PatG. und § 87 Abs. 4 UrhG. enthält das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb keine ausdrückliche Bestimmung, daß die durch den Eingriff in ein geschütztes Recht erzielte Bereicherung herauszugeben sei. Bei der Bemessung des durch einen Eingriff nach § 9 UWG. erlittenen Schadens - der auch den entgangenen Gewinn umfaßt - ist daher auch auf den Gewinn Bedacht zu nehmen, den der Eingreifer erzielt hat, da angenommen werden muß, daß der geschädigte Wettbewerber der Verwendung seines Zeichens nur dann zugestimmt hätte, wenn ihn der Eingreifer an dem durch den Eingriff erzielten Gewinn beteiligt hätte.
Stimmt der vom Verletzer erzielte Gewinn mit dem Verlust des Verletzten überein, dann handelt es sich - wenn auch gleichzeitig unter dem Gesichtspunkt der Gewinnherausgabe - um den Ersatz des Schadens. Ist aber dem Verletzten kein Gewinn entgangen, sondern hat nur der Verletzer einen Profit gemacht dann handelt es sich um den Fall der reinen Bereicherung, wobei unter "Bereicherung" jede entgangene Verwertungsmöglichkeit (also schon die dem anderen entzogene Möglichkeit, seinerseits einen Gewinn zu machen) zu verstehen ist, die bei Verschulden des Verletzers gebührt.
Abschließend ist hiezu noch zu bemerken, daß die Höhe der dem Verletzten aus dem Titel der Gewinnbeteiligung gebührenden Entschädigung gemäß § 273 ZPO. nach Feststellung aller maßgeblichen Gesichtspunkte zu ermitteln ist. Auch ist bei der Feststellung des entstandenen Schadens zu beachten, daß regelmäßig schon durch jeden rechtswidrigen Zeicheneingriff der Wert eines Zeichens (eines Namens, einer Firma) beeinträchtigt wird und daß daher schon auf Grund dieser Erwägung dem Verletzten regelmäßig ein nach § 273 ZPO. abzuschätzender Entschädigungsbetrag gebührt.
Aus diesen Darlegungen ergibt sich, daß die Sache zunächst noch nicht spruchreif ist und daß der Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes gerechtfertigt war.
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