Normen
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §881
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §901
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1037
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1041
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1431
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §881
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §901
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1037
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1041
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1431
Spruch:
Vergütungsanspruch für Garantieübernahme.
Entscheidung vom 17. Juli 1953, 3 Ob 411/53.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Die Klägerinnen bringen in der Klage vor, der Verstorbene Franz S. sen., dessen Nachlaß als Zweitkläger auftritt, sei Eigentümer von 60 Kuxen der Beklagten gewesen. Die restlichen Kuxe seien im Eigentum der Erstklägerin gestanden. Diese Anteilscheine seien auf Grund des Gesetzes vom 17. September 1946 verstaatlicht worden. Nach 1945, aber noch vor der Verstaatlichung, haben der verstorbene Franz S. sen. und seine Frau die persönliche Haftung für einen von der Kreditanstalt der Beklagten eingeräumten Kredit in der Höhe von 300.000 S übernommen und hiefür ihre Kuxe verpfändet. Diese Sicherheitsleistung sei die Voraussetzung für die Gewährung des Kredits gewesen, der für die Ingangsetzung und den Fortbetrieb des Unternehmens notwendig gewesen sei. Dieser Kredit sei zeitweilig stark überzogen worden. Kurz nach der Verstaatlichung haben Franz S. sen., der als vertretungsbefugter Direktionsvorstand belassen worden war und auch seine Frau nicht nur die persönliche Haftung aufrechterhalten, sondern auch ihren Entschädigungsanspruch verpfändet in der Erwartung, daß die Verstaatlichung rückgängig gemacht würde. Niemand werde die Haftung für die Rückzahlung eines Darlehens, das einem Dritten gewährt wird, ohne Gegenleistung übernehmen. Das Ehepaar S. sei diese Verpflichtung eingegangen, weil das Unternehmen Familienbesitz gewesen sei. Durch die Verstaatlichung handle es sich bei dem Bürgen um eine dritte Person, welche in keiner Weise mehr das Äquivalent für ihre Bürgschaft in Erträgnissen des Unternehmens erblicken könne. Es erscheine daher eine Vergütung von 5% des gesamten Kredites per anno angemessen. Diese Vergütung wird für die Erstklägerin mit 49.000 S, für die Zweitklägerin mit 73.500 S berechnet. Wenngleich eine vertragliche Verabredung nicht getroffen worden sei, müsse die Vergütung als stillschweigend vereinbartgelten, da nach den Umständen Unentgeltlichkeit weder erwartet noch vorausgesetzt werden könne.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Ein Provisionsanspruch bestehe nur dann, wenn das Gesetz einen solchen Anspruch gewähre, wenn er zwischen den Parteien vereinbart worden wäre oder wenn ein Handelsbrauch einen solchen einräume. Da beide Parteien nicht Kaufleute sind, können sie sich auf einen Handelsbrauch nicht berufen. Ein Vertrag sei gar nicht behauptet worden. Es bestehe aber auch kein gesetzlicher Anspruch. Das Begehren könne nicht den §§ 1037f. ABGB. unterstellt werden, weil ein Aufwand nicht behauptet worden sei, ebensowenig dem § 1041 ABGB., weil auf Grund dieser Gesetzesstelle keineProvision, sondern allenfalls die Rückstellung der Kuxe begehrt werden könnte.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der zweitklagenden Partei nicht Folge, während die Erstklägerin die Berufung bei der mündlichen Berufungsverhandlung zurückgezogen hatte. Weder die Klage noch die Berufung habe anzugeben vermocht, woraus der Wille der Parteien auf Zuerkennung einer Provision zu erschließen wäre. Schon aus diesem Gründe sei das Urteil zu bestätigen. Die übrigen Ausführungen der Berufung beinhalten nur die Geltendmachung neuer Klagsgrunde, auf die nicht Rücksicht zu nehmen gewesen sei.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Zweitklägerin Folge, hob die Urteile beider Untergerichte auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Erstgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Darin, daß die Berufung auch auf die Bestimmungen der §§ 1041 ff. und 1431 ff. ABGB. Bezug nimmt, kann die Geltendmachung eines neuen Klagegrundes nicht erblickt werden. In der Klage wird der Sachverhalt geschildert und aus ihm der Anspruch auf eine "Vergütung", eine "Delkredereprovision" abgeleitet. Dabei ist der Ausdruck Vergütung keine juristisch technische Bezeichnung, sondern kann Verschiedenes, wie Entgelt, Provision, Schadloshaltung, bedeuten. Gerade die Verwendung des Ausdruckes Vergütung in der Klage zeigt, daß sich die Kläger hinsichtlich der juristischen Qualifikation des erhobenen Anspruches nicht festlegen, sondern bloß vortragen wollten, daß ihnen auf Grund des geschilderten Sachverhalts ein Anspruch auf eine Leistung der beklagten Partei, eben auf eine Vergütung zustehe. Bei solcher Betrachtung kann die zweitklagende Partei nicht davon ausgeschlossen sein, daß sie sich im Rechtsmittelverfahren auch noch auf die Bestimmungen der §§ 1041 ff., 1431 ff. ABGB. ausdrücklich beruft, zumal auch damit keine eindeutige Anspruchskategorie geltend gemacht wird, sondern auch hier wieder der allgemeine Gedanke anklingt, daß derjenige,der eine vermögenswerte Leistung erbracht hat, dafür Anspruch auf eine Vergütung, auf Entgelt habe. Die Bezeichnung als Delkredereprovision kann eine Festlegung der klagenden Parteien auf diesem Rechtsgrund schon deswegen nicht zur Folge haben, weil unter Delkredereprovision eine Provision verstanden wird, die ein Kommissionär dafür erhält, daß er dem Kommittenten für die Erfüllung durch den Dritten haftet (§ 394 HGB.). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Vielmehr ist eben auch der Ausdruck Delkredereprovision in der Klage nur deswegen gebraucht worden, um den auch in der Bezeichnung Vergütung enthaltenen Rechtsgedanken zum Ausdruck zu bringen, daß nämlich die Kläger Anspruch auf die von der beklagten Partei begehrte Leistung deswegen haben, weil sie eine Haftung für die beklagte Partei übernommen haben.
Der Oberste Gerichtshof kommt daher abweichend vom Berufungsgericht zu dem Ergebnis, daß durch die Bezugnahme auf die §§ 1041 ff., 1431 ff. ABGB. keine neuen Klagegrunde geltend gemacht worden sind. Das Berufungsgericht hätte sich daher auch in dieser Richtung mit der Berufung auseinandersetzen sollen. Obwohl es dies nicht getan hat, vermag dies, da es sich um eine Frage der rechtlichen Beurteilung handelt, nunmehr der Oberste Gerichtshof zu tun, ohne die Entscheidung des Berufungsgerichtes aus diesem Gründe aufheben zu müssen.
Es ist daher auf die materiellrechtliche Frage einzugehen, ob grundsätzlich für die Übernahme einer Haftung für einen Dritten, die diesem zugute kommt, auch dann, wenn eine Entgeltsabrede sowie die Absicht einer unentgeltlichen Zuwendung nicht besteht, ein Entgelt, eine Vergütung, verlangt werden kann. Eine ausdrückliche Lösung dieser Frage ist der österreichischen Rechtsordnung nicht zu entnehmen. Es liegt aber nahe, hier die von den Klägern bezogenen Vorschriften über die Bereicherung und über die Verwendung (§§ 1431 ff., 1041 ff. ABGB.) analog heranzuziehen. Die Regelung dieser Rechtsgebiete ist lückenhaft. Gerade hier ist der analogen Rechtsanwendung und der Entscheidung nach den natürlichen Rechtsgrundsätzen breiter Raum gegeben. Der Leistung einer Sache oder Handlung kommt es gleich, eine Bereicherung liegt also vor, wenn der Leistungsempfänger notwendige Ausgaben erspart. Im Wirtschaftsleben werden nun Garantien (Bürgschaften), die ein Schuldner aus irgendwelchen Gründen etwa gegenüber einer Bank oder einer Behörde benötigt, nicht unentgeltlich, sondern nur gegen Provision übernommen. Durch eine Garantiezusage, wie sie im vorliegenden Fall behauptet ist, hätte daher die beklagte Partei sich die Leistung einer Garantieprovision erspart. Die beklagte Partei ist eben - nach dem klägerischen Vorbringen -, ohne etwas dafür zu leisten in den wirtschaftlichen Genuß der Garantiezusage gekommen. Der Fall liegt rechtlich nicht anders als derjenige des Benützers einer körperlichen Sache, der sich auf einen Rechtsgrund, etwa auf einen Mietvertrag, nicht berufen kann. Auch ein solcher Benützer einer fremden Sache, etwa ein vermeintlicher Mieter, muß für die Benützung das übliche Entgelt entrichten.
Der Rechtsgedanke, daß derjenige, der eine fremde Sache ohne zureichenden Rechtsgrund für die Unentgeltlichkeit zu seinem Nutzen benützt, dafür bezahlen müsse, ist auch in einigen Spezialgesetzen festzustellen. Nach § 17 Wohnungsanforderungsgesetz hat der Zugewiesene, solange kein Mietvertrag abgeschlossen ist, eine Vergütung an den Hauseigentümer in der Höhe des gesetzlich zulässigen Mietzinses zu leisten. In der gleichen Richtung liegt es, wenn § 26 Reichsleistungsgesetz bestimmt, daß die Bedarfsstelle auch für die nur in der Gestattung des Gebrauchs liegende Leistung grundsätzlich eine Vergütung zu gewähren habe.
Der Oberste Gerichtshof ist daher in sinngemäßer Anwendung der §§ 1041 ff., 1431 ff. ABGB. bereits in seiner Entscheidung vom 4. Juli 1953, 1 Ob 515/53, zu dem Ergebnis gekommen, daß derjenige, der eine fremde Sache ohne Rechtsgrund zu seinem Nutzen benützt, dafür Benützungsentgelt zu leisten hat.
Wenn im vorliegenden Fall Franz S. die Sicherheitsleistung für die Beklagte vor der Verstaatlichung nur deswegen unentgeltlich geleistet hat, weil er annehmen konnte, daß der gesamte Vorteil an der Sicherheitsleistung doch wieder ihm und seiner Gattin als der von der Beklagten erzielte Gewinn zugute kommen werde, so hat er der Beklagten eine unentgeltliche Leistung erbracht, die einzig und allein auf einem Beweggrunde beruhte, der sich dann infolge der Verstaatlichung als irrig erwies. Die Verfügung des Franz S. müßte in diesem Falle im Sinne der §§ 901, letzter Satz, § 572, zweiter Halbsatz ABGB. der Beklagten gegenüber als ungültig angesehen werden. Da die Verfügung des Franz S. dem Gläubiger gegenüber nicht widerrufen werden kann, stunde der Zweitklägerin gegenüber der Beklagten analog den §§ 1041 ff., 1431 ff. ABGB. der Anspruch auf einen dem verschafften Nutzen angemessenen Lohn zu, oder auch der Wert zu, dem die Garantie zur Zeit entspricht, da sie geleistet wurde.
Da - wie bereits oben ausgeführt - eine Garantieübernahme einen Vermögenswert und damit eine Sache im Sinne des bürgerlichen Rechts darstellt, so ist auch für sie von dem Schuldner, der sie sich zu seinem Nutzen hat zuwenden lassen, ein angemessenes Entgelt zu entrichten. Für die Höhe des Entgelts werden dabei die im Kreditverkehr für ähnliche Garantieübernahmen üblichen Provisionssätze maßgebend sein.
Da von dieser Rechtsansicht ausgehend dem Obersten Gerichtshof erheblichscheinende Tatsachen von den Untergerichten nicht erörtert worden sind und auch alle Feststellungen fehlen, waren die Entscheidungen der Untergerichte aufzuheben und die Rechtssache an die erste Instanz zur weiteren Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
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