OGH 3Ob404/54

OGH3Ob404/547.7.1954

SZ 27/196

Normen

ABGB §156
ABGB §156

 

Spruch:

Der Umstand, der für die Unehelichkeit spricht, ist schon durch jeden Sachverhalt gegeben, der sichtlich die Ehelichkeit des Kindes ernstlich in Frage zu stellen geeignet ist, also die Möglichkeit einer unehelichen Abstammung begrundet.

Entscheidung vom 7. Juli 1954, 3 Ob 404/54.

I. Instanz: Kreisgericht Leoben; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.

Text

Das Erstgericht erkannte zu Recht, daß die am 1. Mai 1950 von der geschiedenen Ehegatten Isabella Sch., wiederverehelichten E., geborene Beklagte kein eheliches Kind des Klägers (geschiedener Ehemann der Josefa Sch.) sei. Das Erstgericht stellte weiters fest, daß der Kläger von der Geburt der Beklagten bereits in der ersten Hälfte des Monates Mai 1950 durch Ferdinand E. sen. erfahren habe, daß ihm aber erst durch einen Brief des Ferdinand E. jun. vom 17. November 1952 bekanntgeworden sei, daß die Beklagte als sein eheliches Kind in die Geburtsmatrik eingetragen worden sei. Nach Ansicht des Erstgerichtes habe die Bestreitungsfrist erst an dem Tage zu laufen begonnen, an welchem der Ehemann sichere Kenntnis davon erhalten hat, daß das Kind unter seinen Namen in die Geburtsmatrik eingetragen sei.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab, weil die Bestreitungsfrist bereits mit dem Tage beginne, an welchem der Ehemann Kenntnis von den Umständen erlangt habe, die für die Unehelichkeit des Kindes sprechen, nicht aber von dem Tage, an dem er Kenntnis von der Eintragung des Kindes als ehelich in die Geburtsmatrik erhalten habe. Da der Kläger in der Ehescheidungsklage bereits am 16. September 1949 vorgebracht habe, daß seine Gattin seit Fasching 1949 mit Ferdinand E. ehebrecherische Beziehungen unterhalte, und er bereits in der ersten Maihälfte 1950 von der Geburt der Beklagten erfahren habe, habe die Frist des § 156 ABGB. bereits mit diesem Tage zu laufen begonnen, die Klage sei daher erst nach Ablauf der Bestreitungsfrist eingebracht worden.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Bestreitungsklägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Gemäß § 138 ABGB. gilt ein Kind, das nach geschlossener Ehe oder vor Ablauf des 302. Tages nach Auflösung oder Nichtigerklärung der Ehe von der Gattin geboren wurde, als ehelich. Da die Ehe erst am 24. November 1949 durch Scheidung aufgelöst wurde, ist die Beklagte nach dem Gesetz als eheliches Kind des Klägers anzusehen. Nach der Bestimmung des § 156 ABGB. kann der Ehemann der Mutter die Ehelichkeit des Kindes binnen Jahresfrist bestreiten. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Ehemann Kenntnis von den Umständen erlangt, die für die Unehelichkeit des Kindes sprechen. Zwischen der Kenntnis solcher Umstände und der Kenntnis der Unehelichkeit selbst muß unterschieden werden. Der Ehemann muß von den Umständen, die für die Unehelichkeit sprechen, zweifelsfrei Kenntnis haben, wenn die Anfechtungsfrist in Lauf gesetzt werden soll. Seit der Neufassung des § 156 ABGB. durch die Verordnung DRGBl. 1943 I S. 80 können bloße Vermutungen, die auf unüberprüfbare Mitteilungen zurückgehen, oder in zweifelhaften, einer verschiedenen Deutung zugänglichen Tatumständen, ihre Begründung finden, nicht im Sinne des § 156 Abs. 2 ABGB. als Kenntnis jener Umstände gelten, die für die Unehelichkeit sprechen (JBl. 1953, S. 322). Hingegen ist es nicht erforderlich, daß diese Umstände dem Ehemann die feste Überzeugung von der Unehelichkeit des Kindes vermitteln oder objektiv jeden verständigen Beurteiler zu dem Schluß zwingen, das Kind sei nicht von dem Ehemann gezeugt worden. Der Umstand, der für die Unehelichkeit spricht, ist vielmehr schon durch jeden Sachverhalt gegeben, der sichtlich die Ehelichkeit des Kindes ernstlich in Frage zu stellen geeignet ist, also die Möglichkeit einer unehelichen Abstammung begrundet. Die Kenntnis solcher Umstände als erster Anstoß genügen, den Ehemann zu veranlassen, sich binnen Jahresfrist über die Erhebung der Anfechtungsklage schlüssig zu werden (Entscheidung des Deutschen Bundesgerichtshofes vom 7. Mai 1953, Juristische Rundschau 1953, Heft 12, S. 459).

Der Kläger hat nun bereits in der Klage angeführt, er habe den späteren Geschlechtsverkehr mit seiner dann geschiedenen Gattin bereits im Februar 1949 vollkommen eingestellt, er hat weiters angegeben, seine Gattin sei bereits im September 1949 von ihm weggezogen, nachdem er bereits vorher davon Kenntnis erhalten hatte, daß seine Gattin mit Ferdinand E. ehebrecherische Beziehungen unterhalte. Dadurch nun, daß er in der ersten Hälfte des Monates Mai 1950 von Ferdinand E. sen. erfahren hat, daß seine geschiedene Gattin ein Kind geboren hat, mußte ihm bereits in diesem Zeitpunkt klar sein, daß dieses Kind nicht von ihm stammen könne, da er mit seiner Gattin letztmals im Februar 1949 geschlechtlich verkehrt haben will. Er hat somit von den Umständen, die für die Unehelichkeit des Kindes sprechen, Mitte Mai 1950 Kenntnis erlangt. Es hat die Frist des § 156 ABGB. von diesem Zeitpunkt an zu laufen begonnen. Wann der Kläger davon Kenntnis erhalten hat, daß das Kind als sein eheliches Kind in die Geburtsmatrik eingetragen worden ist, ist rechtlich ohne Bedeutung, da das Kind ja nach dem Gesetz (§ 138 ABGB.) als eheliches Kind des Klägers zu gelten hat. Daß dem Kläger die Bestimmung des § 138 ABGB. nicht bekannt war, kann ihn gemäß § 2 ABGB. nicht entschuldigen. Die Unkenntnis gesetzlicher Bestimmungen kann aber auch nicht als unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis angesehen werden, das den Mann an der Bestreitung der Ehelichkeit gehindert hätte und den Fristenablauf hätte hemmen können.

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