Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die betreibende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung
Der betreibenden Partei wurde zur Hereinbringung eines Unterhaltsrückstandes und laufenden Unterhaltes ab 1.10.1994 die Exekution auf die Rente des Verpflichteten nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz (KOVG) bewilligt. In der Folge stellte die Betreibende den Antrag, einerseits den für Forderungen nach § 291 b Abs 1 EO geltenden unpfändbaren Freibetrag auf einen Betrag von monatlich S 5.000,-- herabsetzen, und andererseits zu entscheiden, ob und in welchem Ausmaß die vom Verpflichteten bezogenen Sonderzulagen pfändbar seien, insbesondere auch, ob die Entschädigungen nach § 290 Abs 1 Z 1 EO dem dem Verpflichteten tatsächlich erwachsenen Mehraufwand entsprechen.
Nach Aufhebung der über diesen Antrag ergangenen Entscheidung durch das Rekursgericht stellte das Erstgericht mit seinem Beschluß vom 10.6.1996 (ON 15) fest, daß bei einer Exekution wegen eines gesetzlichen Unterhaltsanspruches - rückständiger Unterhalt und laufender Unterhalt ohne Zinsen und Kosten - die Blindenzulage, die Blindenführzulage, die Kleider-Wäschepauschale und der Diätkostenzuschuß pfändbar seien (Punkt 1.). Aufgrund dieser Feststellung könne die Entscheidung über den Antrag auf Herabsetzung des unpfändbaren Betrages entfallen (Punkt 2.). Die Punkte 3 und 4 betrafen Kostenentscheidungen.
Über Rekurse des Drittschuldners (Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen Wien Niederösterreich Burgenland) und des Verpflichteten gab das Rekursgericht dem Rekurs des Drittschuldners gegen den ersten der beiden genannten Punkte der Entscheidung erster Instanz Folge, hob den angefochtenen Beschluß in diesem Umfang auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung auf. (Punkt 1.) Den Verpflichteten verwies es mit seinem Rekurs auf diese Entscheidung. (Punkt 2.) Darüber hinaus gab es dem Rekurs des Verpflichteten gegen Punkt 2. und die Entscheidung über Verfahrenskosten erster Instanz (Punkt 3.) des erstinstanzlichen Beschlusses Folge und hob ihn auch in diesem Umfang auf, Punkt 4 des erstgerichtlichen Beschlusses wurde bestätigt. Auch insoweit wurde dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen. Die derzeit in § 55 Abs 1 KOVG und § 11 Abs 1 OpferfürsorgeG (OFG) als unpfändbar angeführten Leistungen wie Pflege- und Blindenzulage, Blindenführzulage, Hilflosenzulage, Zuschüsse, Sterbegeld, Kleider- und Wäschepauschale seien auch in Zukunft von der Pfändung ausgenommen. Um genau beurteilen zu können, welche Leistungen des Drittschuldners nunmehr tatsächlich pfändbar seien, bedürfe es einer genauen Feststellung, welche Leistungen dem Verpflichteten in welcher Höhe vom Bundessozialamt für Wien, Niederösterreich und Burgenland zukämen.
Zur Begründung für die Aufhebung des Punktes 1. des erstgerichtlichen Beschlusses berief sich das Rekursgericht auf § 290 Abs 3 EO, wonach die Unpfändbarkeit von Renten und Beihilfen nach Abs 1 Z 14 leg cit (Leistungen nach dem KOVG und dem OFG) nicht bei einer Exekution wegen einer Forderung nach § 291 b Abs 1 Z 1 EO gelte. Nach Abschnitt X des KOVG gälten lediglich Sterbegeld und Reisekostenzuschuß nicht als Rente im Sinne des § 290 Abs 3 EO. Die Pfändung von Leistungen nach KOVG und OFG ausschließlich zugunsten von Unterhaltsforderungen erstrecke sich lediglich auf die einem Arbeitseinkommen vergleichbaren Renten und Beihilfen, sodaß die derzeit im § 55 Abs 1 KOVG und § 11 Abs 1 OFG als unpfändbar angeführten Leistungen wie Pflege- und Blindenzulagen, Blindenführzulage, Hilflosenzulage, Zuschüsse, Sterbegeld und Kleider- und Wäschepauschale auch in Zukunft von der Pfändung ausgenommen seien (Mohr, Die neue Lohnpfändung, ecolex spezial 42).
Nachdem der erkennende Senat in seiner aufhebenden Entscheidung 3 Ob 219/97w (ON 34) klargestellt hatte, daß in dem den Punkt 1. der erstinstanzlichen Entscheidung aufhebenden Teil des rekursgerichtlichen Beschlusses in Wahrheit eine Abänderung erfolgt sei, ergänzte das Rekursgericht seine Entscheidung durch den Ausspruch, daß gegen die Punkte 1 bis 3 derselben der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
Zur Begründung führte das Rekursgericht aus, daß zu den [neuen] Bestimmungen des § 290 Abs 3 und Abs 1 Z 14 EO bei Exekution wegen Unterhaltsforderungen nach § 291 b Abs 1 Z 1 EO eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.
Gegen die Punkte 1 und 2 der Entscheidung der zweiten Instanz richtet sich der rechtzeitige Revisionsrekurs der betreibenden Partei, mit dem sie wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung die Abänderung dahin begehrt, daß Punkt 1. des erstgerichtlichen Beschlusses bestätigt werde.
Die Zulässigkeit ihres Rechtsmittels begründet sie in gleicher Weise wie das Rekursgericht.
Rechtliche Beurteilung
In der Sache wird zunächst auf einen Widerspruch des angefochtenen Beschlusses mit der Begründung des Aufhebungsbeschlusses des Rekursgerichtes im ersten Rechtsgang hingewiesen. Im übrigen seien für gesetzliche Unterhaltsansprüche sämtliche Leistungen nach dem KOVG mit Ausnahme des Sterbegeldes und des Ersatzes von Reisekosten pfändbar. Was unter Renten und Beihilfen zu verstehen sei, ergebe sich aus Abschnitt III des KOVG (§§ 7 ff). In diesem mit "Beschädigtenrente" übertitelten Abschnitt würden dann die Bestandteile derselben, nämlich Grundrente, Zusatzrente sowie Schwerstbehindertenzulage, Pflegezulage, Blindenzulage, Blindenführzulage, Hilflosenzulage, Diätverpflegungszuschuß, Familienzulage, Pauschbeträge für außergewöhnlichen Kleider- und Wäscheverbrauch etc. festgehalten. Da § 55 Abs 1 KOVG idF der EO-Novelle 1991 nichts anderes ergebe, fielen alle diese Zulagen etc. unter den Begriff der Renten und Beihilfen im Sinn des § 290 Abs 3 EO. Dies gelte nur nicht für das im Abschnitt VIII des KOVG geregelte Sterbegeld und Reisekostenersatz. Im übrigen werde bei jeder Unterhaltsfestsetzung das gesamte Einkommen ermittelt und höhere Aufwendungen wegen Krankheit, Blindheit etc. als unterhaltsmindernd berücksichtigt. Der sich so ergebende Unterhaltsanspruch müsse aber auch exequierbar sein, sonst hätte der Betreffende in Wahrheit keinen Unterhaltsanspruch.
Der Revisionsrekurs ist aus den vom Revisionsrekurswerber und dem Rekursgericht übereinstimmend angeführten Gründen zulässig. Er ist aber nicht berechtigt.
Soweit die Revisionsrekurswerberin eine Übereinstimmung zwischen dem materiellen (Unterhalts-)Recht und dem formellen (Exekutions-)Recht postuliert, mag dies allenfalls (entgegen der bisherigen Rechtsprechung: SZ 65/126; SZ 52/177; SZ 49/130 ua) für das Titelverfahren von Bedeutung sein, diese Forderung ist aber zur Entscheidung für einen Antrag nach § 291 b EO ohne Relevanz.
Auch die systematischen Ableitungen des Revisionsrekurses aus dem KOVG vermögen aus den nachstehenden Überlegungen nicht zu überzeugen.
Mit dem BG BGBl 1972/163 wurde der davor auf die Regeln des LPfG verweisende letzte Satz des § 55 Abs 1 KOVG 1957 dahin geändert, daß er lautete: "Ansprüche auf Pflegezulage oder Blindenzulage (§§ 18,19), Hilflosenzulage (§§ 18 a und 46 a), Zuschuß (§§ 14 und 46 b), Führhundzulage (§ 20), Sterbegeld (§ 47) sowie auf das Kleider- und Wäschepauschale (Abschnitt VII der Anlage zu §§ 32 und 33) können weder verpfändet noch gepfändet werden." Die Zuschüsse nach § 14 KOVG sind solche für Diätverpflegung.
Die vom Erstgericht beurteilten Leistungen waren demnach zur Gänze und (wie sich aus dem Zusammenhang mit Satz 2 der Gesetzesstelle ergibt) auch zugunsten von gesetzlichen Unterhaltsansprüchen unpfändbar (Heller/Berger/Stix Lohnpfändung 53).
Nach dem Bericht des Justizausschusses zur EO-Novelle 1991 (261 BlgNR
18. GP; im hier relevanten Teil abgedruckt ua bei Mohr, Die neue Lohnpfändung EO-Novelle 1991 41 ff) wurden als Z 14 (des § 290 Abs 1 EO) die Leistungen nach dem KOVG und dem OFG übernommen, damit der Pfändungsschutz aller wiederkehrenden Leistungen in einem Gesetz, nämlich der EO, geregelt sei, während in diesen Gesetzen lediglich auf die EO verwiesen werde. Dementsprechend enthält der geänderte § 55 Abs 1 KOVG nur noch einen Pauschalverweis auf die Pfändungsbeschränkungen der EO.
Außerdem hielt der JA fest, daß die Pfändbarkeit der Leistungen nach dem KOVG und dem OFG im wesentlichen der "derzeitigen" Gesetzeslage entspreche. Die nach Abs 3 vorgesehene Möglichkeit der Pfändung erstrecke sich lediglich auf die einem Arbeitseinkommen vergleichbaren Renten und Beihilfen, sodaß die bisher in § 55 Abs 1 KOVG und § 11 Abs 1 OFG angeführten Leistungen, wie die Pflege- und Blindenzulagen, Blindenführzulagen, Hilflosenzulagen, Zuschüsse, Sterbegeld und Kleider- und Wäschepauschale, auch in Zukunft von der Pfändung ausgenommen wären.
Daraus folgt, daß alle vom Erstgericht als pfändbar erklärten Leistungen im JAB als auch nach der EO-Novelle unpfändbar erklärt werden. Angesichts der Gesetzesmaterialien ergibt sich, daß unter dem für sich allein eher unscharfen Begriff "Renten und Beihilfen nach Abs 1 Z 14" in § 290 Abs 3 EO nur solche zu verstehen sind, die einem Arbeitseinkommen gleichzuhalten sind, was auf die vom Erstgericht beurteilten Leistungen keinesfalls zutrifft. Diese Auslegung stimmt mit der Vorschrift des § 290 Abs 1 Z 2 EO überein, die auf § 3 Z 7 LPfG idF der Novelle 1980 zurückgeht. Nach der RV zur LPfGNov 1980, 260 Blg NR 15. GP, 3, sei es sozialpolitisch nicht gerechtfertigt, daß Leistungen zur Abdeckung des durch die Hilflosigkeit (Behinderung) bedingten Mehraufwandes nach manchen Gesetzen (Hilflosenzulage nach dem PensionsG) pfändbar sein sollten. Ohne die dem Inhalt nach gleichlautende Bestimmung des § 55 KOVG aF wären daher alle aus diesem Grund gewährten Zulagen (auch für gesetzliche Unterhaltsforderungen) unpfändbar gewesen. Gegen den Gleichheitsgrundsatz verstieße dann aber eine Auslegung, unter den Begriff Renten und Beihilfen im Sinne des § 290 Abs 3 EO fielen alle im Abschnitt III des KriegsopferversorgungsG angeführten Bestandteile einer Beschädigtenrente, somit auch solche die nur zur Abdeckung des Mehraufwandes der nach § 1 Abs 1 KOVG Anspruchsberechtigten dienten. Zur Abdeckung eines Mehraufwandes gehören daher schon nach der gesetzlichen Begriffsbestimmung jedenfalls die Pflegezulage nach § 18 KOVG, die Hilflosenzulage nach § 18a KOVG, die Blindenzulage nach § 19 KOVG, die Blindenführzulage nach § 20 KOVG und die Pauschalbeträge für außergewöhnlichen Kleider- und Wäscherverbrauch nach § 20a KOVG. Der Oberste Gerichtshof hat daher auch bereits in seiner Entscheidung 3 Ob 431/50 auf Grund der damaligen Rechtslage nach der Lohnpfändungs VO ausgesprochen, daß die Pflegezulage auch zugunsten gesetzlicher Unterhaltsansprüche unpfändbar ist. Gegenüber diesem eindeutigen Ergebnis der historischen Interpretation vermögen die rein systematischen Argumente der Revisionsrekurswerberin, die keinerlei teleologischen Einwände (wenn man von den bereits abgelehnten) vorbringen kann, nicht zu überzeugen. Tatsächlich decken diese Zulagen und Zuschüsse etc. einen tatsächlichen Mehraufwand ab, was noch zusätzlich für die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung spricht.
Ein allfälliger Verstoß des Rekursgerichtes gegen die Bindung an den eigenen Aufhebungsbeschluß ON 12 bildet keinen Revisions(rekurs)grund, wenn - wie im vorliegenden Fall - die zweite Entscheidung richtig ist (Kodek in Rechberger Rz 3 zu § 499 mN).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 EO iVm den §§ 50, 41 ZPO.
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