OGH 3Ob379/54

OGH3Ob379/5416.6.1954

SZ 27/175

Normen

ABGB §166
ABGB §1042
ABGB §1295
ABGB §166
ABGB §1042
ABGB §1295

 

Spruch:

Rückforderung des vom gerichtlich festgestellten Vater bezahlten Unterhaltsbetrages, nachdem im Wiederaufnahmeprozeß seine Nichtvaterschaft festgestellt worden ist.

Entscheidung vom 16. Juni 1954, 3 Ob 379/54.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Oberlandesgericht Graz.

Text

Der Kläger wurde mit dem ohne Anfechtung in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Amtsgerichtes Graz vom 6. Dezember 1944, GZ. 2 C 71/44- 20, als der Vater des von der Beklagten am 4. Oktober 1943 außer der Ehe geborenen Kindes Karl W. festgestellt und zu einer Unterhaltsleistung verurteilt. Entgegen der Behauptung des Klägers, daß er nur vom Frühjahr 1942 bis August 1942 mit der Beklagten Geschlechtsverkehr gepflogen habe, nahm das Prozeßgericht auf Grund der Zeugenaussage der Beklagten als erwiesen an, daß der Kläger ihr auch im Dezember 1942 und im Jänner 1943 mehrere Male geschlechtlich beigewohnt habe. Auf Grund einer im Jahre 1951 vom Kläger zur GZ. 2 C 2053/51 bei dem Bezirksgericht für ZRS. Graz eingebrachten Wiederaufnahmeklage wurde das Vaterschafts- und Unterhaltsbegehren endgültig abgewiesen. Nachdem das erbbiologisch-anthropologische Gutachten mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit ergeben hatte, daß Kläger nicht als Vater des minderjährigen Karl W. anzunehmen sei, glaubte das Gericht diesmal nicht mehr der Aussage der Kindesmutter (der Beklagten), sondern folgte jener des Klägers und nahm als erwiesen an, daß Kläger der Beklagten innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit nicht beigewohnt habe.

Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger von der Beklagten einmal gemäß § 1042 ABGB. den Ersatz des von ihm in der Zeit vom 10. März 1944 bis 31. Mai 1953 für das minderjährige Kind geleisteten Unterhaltes in der Höhe von 4395.47 S, für den gemäß § 166 ABGB. die Beklagte aufzukommen hatte. Ferner begehrt er aus dem Titel des Schadenersatzes den Betrag von 5506.34 S an Gerichtsgebühren und Anwaltskosten, die ihm infolge des auf die "falsche Zeugenaussage" der Beklagten gegrundeten Urteils 2 C 71/44 und die Folgewirkungen dieses Urteils erwachsen seien.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit dem Betrag von 5525.67 S statt und wies das Mehrbegehren von 4376.14 S ab.

Es hielt den Anspruch des Klägers auf Rückersatz der bezahlten Unterhaltsbeträge gemäß § 1042 ABGB. für begrundet und bejahte auch die Voraussetzungen für die geltend gemachte Schadenersatzforderung. Aus diesem Titel sprach es dem Kläger die Kosten für die erbbiologisch-anthropologische Untersuchung im Betrage von 1050 S sowie die Verfahrenskosten von 43.60 S und 36.60 S zu. Weitere Kosten, die im Exekutionsverfahren anerlaufen sind, wurden dem Kläger nicht zuerkannt, weil er sie selbst verschuldet hat. Den Zuspruch der Kosten des Rechtsanwaltes Dr. G. verweigerte das Prozeßgericht mit der Begründung, daß Kläger diese Kosten bisher seinem Anwalt noch nicht bezahlt habe.

Das Urteil des Erstgerichtes wurde von beiden Parteien mit Berufung angefochten.

Das Berufungsgericht gab nur der Berufung der Beklagten nicht aber der des Klägers Folge und änderte das Urteil des Prozeßgerichtes dahin ab, daß es das Klagebegehren zur Gänze abwies. Selbst wenn es dem Kläger im Vorprozeß gelungen wäre, entgegen der anders lautenden Aussage der Beklagten nachzuweisen, daß sie in der kritischen Zeit auch mit anderen Männern geschlechtlich verkehrt habe, so wäre mit Rücksicht auf das negative Ergebnis der Blutgruppenuntersuchung und weil nach österreichischem Recht die Einrede des Mehrverkehrs unbeachtlich sei, für den Kläger nichts gewonnen gewesen. Da nunmehr ein erbbiologisches Gutachten vorliege, sei der Schluß gerechtfertigt, daß die Kindesmutter im Vorprozeß zumindest objektiv eine falsche Zeugenaussage abgelegt habe. Diese falsche Zeugenaussage sei aber nicht allein dafür maßgebend gewesen, daß der Kläger im Vorprozeß als Vater des mehrfach genannten Kindes festgestellt wurde, da auch bei wahrheitsgemäßer Aussage der Kindesmutter (sie habe mit anderen Männern geschlechtlich verkehrt) das Urteil nicht anders hätte lauten können. Mangels Vorliegens einer Kausalität sei daher das Schadenersatzbegehren nicht begrundet. In der Inanspruchnahme eines von mehreren Beischläfern als außerehelichen Vater allein könne ein Verschulden nicht erblickt werden, da die Frau selbst erfahrungsgemäß nicht wissen könne, von welchem Beischläfer die Schwängerung erfolgt sei. Daß aber der Kläger mit der Beklagten verkehrt habe, bestreite er auch heute nicht.

Einsichtlich des auf § 1042 gestützten Verwendungsanspruches führt das Berufungsgericht aus, daß für seine Entstehung nach österreichischem Recht der animus obligandi erforderlich sei. Daß aber der Kläger im Zeitpunkt der Leistung des Unterhaltes den Willen gehabt habe, diese Leistung für einen anderen, nämlich den wirklichen Kindesvater, beziehungsweise die Kindesmutter, zu erbringen, sei nicht bewiesen. Kläger habe nicht damit rechnen können, daß das gegen ihn erflossene Urteil, womit er als außerehelicher Vater festgestellt wurde, einmal noch werde abgeändert werden können.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird vom Kläger in seinem das erstgerichtliche Urteil abändernden Teil mit dem Antrag angefochten, dem Kläger den Betrag von 5525.67 S samt Nebengebühren zuzusprechen.

Der Oberste Gerichtshof verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 4395 S s. A.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Dem Umstand, daß der Kläger im Vaterschaftsprozeß nicht nur Mehrverkehr eingewendet, sondern auch die Beiwohnung in der kritischen Zeit bestritten hat, kommt keine entscheidende Bedeutung zu. Der Kläger geht, soweit er gegen die Beklagte aus dem Titel des Schadenersatzes Ansprüche geltend macht, davon aus, daß das im Vaterschaftsprozeß 2 C 71/44 ergangene Urteil auf einer falschen Zeugenaussage der Beklagten beruhe. Diese Annahme ist nicht hinlänglich fundiert. Entgegen der Meinung der Revision ist auch durch das nachfolgende Wiederaufnahmsverfahren nicht bewiesen worden, daß die Beklagte im Hauptprozeß falsch ausgesagt hätte. In diesem Verfahren sind lediglich die Beweise anders gewürdigt worden als im Hauptprozeß. Während dort das Gericht die Angaben der Beklagten für glaubwürdig erachtete, ist es im Wiederaufnahmsprozeß den Parteienangaben des Klägers gefolgt und hat der Zeugenaussage der Beklagten in den entscheidenden Punkten, nämlich daß sie innerhalb der Vermutungsfrist des § 163 ABGB. nur mit dem Kläger und sonst mit keinem anderen Mann Geschlechtsverkehr hatte, den Glauben versagt. Damit ist nun aber keineswegs bewiesen, daß die Aussage der Beklagten falsch war. Es ist durchaus denkbar, daß der im Wiederaufnahmeprozeß unterlegene minderjährige Kläger seinerseits nun wiederum in den Besitz von neuen Beweismitteln gelangt, wodurch er die Beweiswürdigung im Wiederaufnahmeprozeß umstößt und dem Gericht die Überzeugung verschafft, daß die Angaben der Beklagten im Hauptprozeß Glauben verdienen. Nur die Würdigung der Beweise durch den an keine Beweisregeln gebundenen Richter hat bewirkt, daß der Kläger zuerst unterlegen ist und dann obsiegt hat. Die gegen eine Partei oder gegen einen Zeugen ausschlagende Beweiswürdigung rechtfertigt nicht zur Annahme, daß die betreffende Partei oder der betreffende Zeuge falsch ausgesagt haben und schafft daher auch keine Grundlage für einen Schadenersatzprozeß gegen die genannten Personen. Um mit seinen Schadenersatzansprüchen gegen die Beklagte durchzudringen, müßte der Kläger den strikten Nachweis erbringen, daß die Beklagte im Vaterschaftsprozeß, sei es dolos, sei es culpos, eine falsche Zeugenaussage abgelegt und daß nur diese falsche Zeugenaussage seiner Verurteilung geführt habe. Dieser Beweis ist dem Kläger nicht gelungen. Sein Schadenersatzbegehren ist daher vom Berufungsgericht mit Recht abgewiesen worden.

In diesem Punkt haftet somit dem Urteil des Berufungsgerichtes keiner der von der Revision geltend gemachten Revisionsgrunde an.

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, wonach für die Entstehung des Verwendungsanspruches der Wille des Verwenders, Ersatz zu fordern, zurzeit vorhanden gewesen sein muß, als der Aufwand von ihm getätigt wurde, steht mit der herrschenden Lehre und Rechtsprechung in Übereinstimmung und ist zu billigen. Mit Recht rügt jedoch die Revision die Feststellung des Berufungsgerichtes, daß der Kläger eine Prozeßbehauptung dahingehend, daß er die Aufwendung in Erwartung des Ersatzes getätigt hätte, nicht aufgestellt habe, als aktenwidrig, da sich aus Punkt 3) der Klage das Gegenteil ergibt. Dort wird ausdrücklich vorgebracht, daß der Kläger von allem Anfang an wußte, daß er nicht der Vater des Kindes sei und er den Unterhalt nur notgedrungen auf Grund des gegen ihn wirkenden rechtskräftigen Urteiles 2 C 71/44-20, Bezirksgericht für ZRS. Graz, geleistet habe, selbstverständlich mit der Absicht, diese Beträge von der Beklagten zurückzuverlangen, sobald ihm hiezu Gelegenheit geboten sei. Damit hat der Kläger seinen schon zur Zeit der Unterhaltsleistung bestandenen Willen, von der mangels einer anderwertigen Vaterschaftsfeststellung gesetzlich zur Unterhaltsleistung verpflichteten Beklagten seinerzeit Ersatz zu verlangen, auf eindeutige Weise behauptet. Wenngleich nun dieser Wille eine rechtserzeugende Tatsache ist, folgt aber daraus noch nicht, daß ihn der Kläger zu beweisen hat. Auch in diesen Fällen wird vielmehr entsprechend den allgemeinen schuldrechtlichen Grundsätzen ein Verzicht auf den Ersatzanspruch nicht vermutet. Es müßte daher die Beklagte behaupten und beweisen, daß der Ersatzwille auf seiten des Verwenders nicht bestanden hat. Eine derartige Behauptung hat jedoch die Beklagte im Verfahren erster Instanz nicht aufgestellt, sondern lediglich Zeugenbeweis, unter anderem über das Verhalten der Beklagten nach der Geburt des Kindes, zum Nachweis darüber beantragt, daß sie in den Verfahren 2 C 71/44 und 2 C 2053/51 keine falsche Zeugenaussage abgelegt habe. Wenn das Berufungsgericht ausspricht, das ganze Verfahren ergebe, daß der Kläger bei Leistung des Unterhaltes den Willen, Ersatz zu verlangen, nicht gehabt habe, zumal sogar hervorgekommen sei, daß er darüber Freude empfand, als das Kind zur Welt kam, und er es damals beschenkte, so wird mit dieser Ausführung, da Beweise hierüber in diesem Verfahren nicht angeführt wurden, offenbar aus dem Inhalt der Akten 2 C 71/44 und 2 C 2053/51, Bezirksgericht für ZRS. Graz, die Gegenstand des Beweisverfahrens waren (S. 40 des Aktes) Bezug genommen. Die auf den Akteninhalt gestützte Annahme des Berufungsgerichtes, daß dem Kläger bei Leistung des Unterhaltes der Wille, Ersatz zu verlangen, gemangelt habe, betrifft daher nicht eine Frage der Beweiswürdigung, sondern der rechtlichen Beurteilung, die der Überprüfung durch das Revisionsgericht im Rahmen der Revisionsanträge unterliegt (vgl. ZBl. 1926, Nr. 80; ZBl. 1925, Nr. 124). Das Revisionsgericht vermag jedoch in selbständiger Würdigung des Inhaltes der vorzitierten Akten die Schlußfolgerung des Berufungsgerichtes auf den schon zur Zeit der Unterhaltsleistung nicht vorhandenen Willen des Klägers, die Beklagte zum Ersatz heranzuziehen, nicht zu übernehmen. So ergibt sich aus dem Akt 2 C 71/44, daß der Kläger bei der ersten Streitverhandlung vom 13. März 1944, also rund 5 Monate nach der Geburt des Kindes, ausdrücklich bestritten hat, der Kindesmutter während der kritischen Zeit beigewohnt zu haben (S. 7 des Aktes). Im gleichen Sinne lautet auch seine Parteienaussage (S. 53, 54 des Aktes). Es kann daher daraus auf den mangelnden animus obligandi nicht geschlossen werden. Die Tatsache aber, daß der Kläger am 10. Dezember 1951 in Anbetracht des nunmehr fortgeschrittenen Alters des Kindes zu 2 C 2053/51 das Begehren auf Wiederaufnahme des Verfahrens 2 C 71/44 gestellt hat, muß als ein Versuch gewertet werden, die ihm seiner Behauptung nach zu Unrecht angelastete Unterhaltsverpflichtung loszuwerden. Keineswegs kann aber daraus abgeleitet werden, daß der Kläger nicht von allem Anfang an die Absicht hatte, die ihm zu Unrecht auferlegten Unterhaltsbeträge, sobald ihm hiezu die Gelegenheit geboten wird, zurückzuverlangen. Aber auch wenn von der Richtigkeit der von der Kindesmutter als Zeugin bekundeten und vom Kläger in seiner Parteiaussage nicht bestrittenen Tatsache, daß er drei Tage nach der Geburt des Kindes die Kindesmutter besuchte und ein Kleidungsstück für das Kind gekauft habe (S. 95 des Aktes 2 C 2053/51), ausgegangen wird, ließe dieser Umstand allein noch keineswegs den Schluß zu, daß der Kläger den Willen hatte, kraft eigener Verpflichtung und nicht nur zufolge des gegen ihn erwirkten rechtskräftigen Urteiles 2 C 71/44, somit notgedrungen, den Unterhalt für den Minderjährigen zu leisten, zumal er im Verfahren 2 C 71/44, wie bereits erwähnt, von allem Anfang an eine eindeutige Stellungnahme im Sinne der Bestreitung der Vaterschaft bezogen hat. Der in Zweifel anzunehmende animus obligandi des Klägers kann daher auch durch den Inhalt der zitierten Akten nicht als entkräftet angesehen werden. Dies um so weniger, als der Kläger auf Grund eines rechtskräftigen Urteiles zur Unterhaltsleistung verpflichtet wurde und daher schon aus diesem Grund bei den urteilsmäßigen Unterhaltszahlungen an den Berufsvormund des Minderjährigen nicht erkennbar in Erscheinung treten konnte, ob der Kläger den Willen hatte, kraft eigener Verpflichtung oder in Erwartung des Ersatzes von der sonst hiezu gesetzlich verpflichteten Beklagten den Unterhalt zu leisten. Anderseits hatte der Kläger aber bei der durch das Urteil 2 C 71/44 geschaffenen Rechtslage bis zu dessen rechtskräftiger Aufhebung im Wege der Wiederaufnahme keine Möglichkeit, von der Beklagten Ersatz zu begehren. Der der ziffermäßigen Höhe nach unbestrittene, auf § 1042 ABGB. gestützte Anspruch des Klägers auf Ersatz der erbrachten Unterhaltsleistungen in der Höhe von 4395.47 S s. A. erscheint demnach gerechtfertigt.

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