OGH 3Ob3/77

OGH3Ob3/771.2.1977

SZ 50/11

Normen

EO §355
EO §355

 

Spruch:

§ 355 EO - Der Verpflichtete hat nach Zustellung des Exekutionsbewilligungsbeschlusses bei jedem neuerlichen Zuwiderhandeln mit einer Beugestrafe zu rechnen. Weitere Warnungen sind für eine weitere Strafe nicht erforderlich. Kein Kumulationsprinzip bei mehrfachem Zuwiderhandeln in einem Exekutionsvollzugsabschnitt, aber Verhängung höherer Strafen je nach Ermessen des Gerichtes

OGH 1. Feber 1977, 3 Ob 3/77 (LG für ZRS Wien 46 R 138/76; Exekutionsgericht Wien 19 C 13/75)

Text

Auf Grund der einstweiligen Verfügung des Handelsgerichtes Wien vom 9. September 1974, 18 Cg 156/74, bewilligte das Titelgericht mit rechtskräftigem Beschluß vom 16. Dezember 1974 gemäß § 355 EO die Exekution zur Erwirkung der Unterlassung

a) der Ankündigung, ein Interessent könnte 30 S verdienen, wenn er ein Werbeschreiben der erstverpflichteten Partei lese und beantworte, falls der in Aussicht gestellte Verdienst lediglich aus der Übersendung einer "Probelektion" besteht ...,

b) der sinngemäßen Behauptung, an Kursen der erstverpflichteten Partei hätten bisher mehr als 500 000 Personen teilgenommen.

Auf Grund eines Antrages der betreibenden Partei vom 3. April 1975, in welchem ein weiteres Zuwiderhandeln gegen Punkt b der Exekutionsbewilligung am 19. März 1975 behauptet wurde, verhängte das Erstgericht mit rechtskräftigem Beschluß vom 7. April 1975, zugestellt am 14. April 1975, Geldstrafen von je S 5000 über die verpflichteten Parteien.

Nach Zustellung dieses Strafvollzugsbeschlusses beantragte die betreibende Partei am 18. April 1975 unter Hinweis auf diesen Beschluß sowie mit der Behauptung, daß die Verpflichteten "nunmehr neuerlich" der einstweiligen Verfügung des Handelsgerichtes Wien vom 9. September 1974, 18 Cg 156/74, durch Versendung "einer Werbeaussendung" die gegen beide Punkte der Exekutionsbewilligung verstoße, zuwidergehandelt hätten, die Verhängung von Geld- bzw. Haftstrafen gegen die verpflichteten Parteien. Sie fügte diesem Antrag ein Werbeschreiben bei, in welchem u. a. formuliert wurde:

"Was das X. für mehr als 500 000 Männer und Frauen in Österreich und Deutschland getan hat, kann es auch für Sie tun."

Das Erstgericht verhängte mit rechtskräftigem Beschluß vom 9. Mai 1975 gegen die drei verpflichteten Parteien Geldstrafen von je 10 000 S, wobei es in der Begründung dieses Beschlusses ausführte, daß auch der - in früherer Werbesendungen nicht enthaltene - Zusatz "in Österreich und Deutschland" nichts an der Qualifizierung des wiedergegebenen Werbetextes als Zuwiderhandeln gegen Punkt b der Exekutionsbewilligung ändere.

Gegen den Strafvollzugsbeschluß vom 9. Mai 1975 richtet sich die gegenständliche Impugnationsklage, in welcher die verpflichteten Parteien einerseits vorbrachten, daß der nunmehrige Werbetext nicht mehr gegen Punkt b der Exekutionsbewilligung verstoße, andererseits behaupteten, das von der betreibenden Partei dem Antrag vom 18. April 1975 beigelegte Schreiben sei bereits am 2. April 1975, also fünf Tage vor Erlassung des vorausgegangenen Strafvollzugsbeschlusses versendet worden.

Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung mit der Begründung, die klagenden Parteien hätten auch anderen Personen, jedenfalls noch nach Zustellung des Beschlusses vom 7. April 1975, Werbesendungen des gegenständlichen Inhaltes übermittelt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Nach den wesentlichen Feststellungen des Erstgerichtes versendeten die klagenden Parteien im hier maßgebenden Monat April 1975 nur am

2. und 11. April 1975 Werbeaussendungen. Die am 11. April 1975 zur Post gegebenen Sendungen hatten u. a. folgenden Wortlaut: "Was das

X. für mehr als 500 000 Männer und Frauen in Österreich und in Deutschland getan hat, kann es auch für Sie tun."

"Die beigefügte Berechtigungskarte hat einen Wert von 30 S. Sie erhalten dafür die für alle Lehrgänge gleiche Probelektion im Wert von 29.80 S geschenktÜ" (Der zuletzt genannte Text ist somit gegenüber dem im Strafvollzugsantrag vom 18. April 1975 angeführten Text geändert.) Diese Werbesendung erhielten einzelne Personen erst am 17. April 1975.

Die klagenden Parteien unternahmen keinen Versuch, den Empfängen der am 11. April 1975 zur Post gegebenen Werbesendungen mitzuteilen, daß der Inhalt dieser Sendung nicht den Tatsachen entspreche, sie änderten jedoch bei dem im Mai 1975 versendeten Werbematerial den Text in einer dem gegenständlichen Exekutionstitel nicht mehr widersprechenden Weise ab.

Bei diesem Sachverhalt vertrat das Erstgericht die Ansicht, daß der Text der am 11. April 1975 von den klagenden Parteien zur Post gegebenen Werbesendungen gegen Punkt b des Exekutionstitels (und der Exekutionsbewilligung) verstoße, ferner auch ein Zuwiderhandeln nach Erlassung, aber vor Zustellung eines vorausgegangenen Strafvollzugsbeschlusses eine weitere Strafverhängung rechtfertige.

Mit dem angefochtenen Urteil gab das Berufungsgericht dem Klagebegehren (bei gleichzeitiger Präzisierung seines Wortlautes) statt. Das Berufungsgericht führte aus, bei den gemäß § 355 EO verhängten Strafen handle es sich um Beugemittel zur Verhinderung weiteren Zuwiderhandelns, von einem "weiteren" Zuwiderhandeln könne jedoch nur gesprochen werden, wenn der Verpflichtete nach Kenntnis der Verhängung eines Beugemittels neuerlich gegen das Titelverbot verstoße; daher rechtfertige ein nach Erlassung, aber vor Zustellung des vorausgegangenen Strafvollzugsbeschlusses erfolgtes neuerliches Zuwiderhandeln der verpflichteten Partei entgegen der Auffassung des Erstgerichtes und des von ihm zitierten Kommentars (Heller - Berger - Stix) nicht die Verhängung einer weiteren Beugestrafe (das Berufungsgericht berief sich hiebei auf die nach seiner Meinung für seine Ansicht sprechenden Ausführungen Jelinek - Die Zwangsvollstreckung zur Erwirkung von Unterlassungen, 164 Punkt 6 - und einzelner Vorentscheidungen).

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei Folge und stellte das Urteil des Erstgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die gemäß § 355 EO bewilligte Exekution wird, wie dem Wortlaut dieser Gesetzesstelle klar zu entnehmen ist, dadurch vollzogen ("geschieht" durch), daß "nach" Bewilligung der Exekution wegen eines jeden Zuwiderhandelns Beugestrafen verhängt werden. Die Exekutionsbewilligung bestimmt daher nicht bloß die Beurteilung des späteren Zuwiderhandelns - es kommt also nicht darauf an, was der Verpflichtete laut Exekutionstitel zu unterlassen hat, sondern darauf, was er nach dem Inhalt der Exekutionsbewilligung, nunmehr bei Strafe, zu unterlassen hat (vgl. hiezu Heller - Berger - Stix, 2587; EvBl. 1975/94 u. a.), sie stellt vor allem klar, daß der Verpflichtete "nach Bewilligung der Exekution" bei jedem Zuwiderhandeln mit einer Beugestrafe zu rechnen hat. Der sich somit aus dem Gesetz auch ohne ausdrückliche "Androhung", welche deshalb von der neueren Rechtsprechung als unzulässig bzw. überflüssig angesehen wird (vgl. Heller - Berger - Stix, 2587/88; EvBl. 1961/532 und bei Pfersmann, ÖJZ 1961, 654 f. zitierte ältere Rechtsprechung) ergebende Rechtscharakter der Exekutionsbewilligung als einer endgültigen Warnung ("Verwarnung") vor jedem weiteren Zuwiderhandeln bei sonstiger Strafverhängung (vgl. Jelinek a. a. O., 164; ÖBl. 1971, 30 u. a.) hat zur Folge, daß erst nach Wirksamkeit dieser Warnung, also erst bei Zuwiderhandeln nach Zustellung der Exekutionsbewilligung Strafen verhängt werden dürfen. Nur dies besagten die vom Berufungsgericht herangezogenen Ausführungen Jelineks (a. a. O.) sowie die vom Berufungsgericht zitierten Entscheidungen SZ 6/153 und 3 Ob 105/69 = ÖBl. 1971, 30 (in diesem Sinn auch Neumann - Lichtblau[3], 1110).

Für die Strafverhängung "nach Exekutionsbewilligung", also bei Zuwiderhandeln nach deren Zustellung, und damit insbesondere für jeden weiteren Strafvollzugsbeschluß, könnte nun auf Grund der Formulierung des § 355 EO abgeleitet werden, daß für jedes Zuwiderhandeln eine Beugestrafe verhängt, also nach dem Kumulationsprinzip vorgegangen werden kann. Nur eine derartige Strafverhängung nach dem Kumulationsprinzip lehnen die vom Berufungsgericht in seiner Vorentscheidung 46 R 95, 96/74 zitierten Entscheidungen SZ 28/51, und EvBl. 1963/473, ferner auch die bereits vom Erstgericht zitierten Entscheidungen SZ 45/79 und JBl. 1974, 48 unter Hinweis auf den Rechtscharakter der Strafverhängung als Beugemittel ab. Die beiden zuletzt genannten Entscheidungen führten jedoch im Anschluß an die für die Ablehnung des Kumulationsprinzipes maßgebenden Erwägungen ausdrücklich aus, daß die sich dadurch ergebenden Abschnitte des Exekutionsvollzuges durch die Daten der Fassung der jeweiligen -Strafvollzugsbeschlüsse bestimmt sind (ebenso ausdrücklich Jelinek a. a. O., 171/72, weshalb dieser Autor vom Berufungsgericht für die von ihm vertretene Rechtsmeinung zu Unrecht zitiert wird).

Nun ist dem Berufungsgericht zwar beizupflichten, daß bei den beiden zuletzt genannten Entscheidungen das gegenständliche Problem nicht im Vordergrund stand, doch gilt dies genauso für die einzige für die Ansicht des Berufungsgerichtes heranziehbare oberstgerichtliche Entscheidung 3 Ob 11, 12/71, weil in dieser bei Heller - Berger - Stix, 2589 Anm. 4, zitierten, aber unveröffentlichten Entscheidung (in ihr wurden übrigens keinerlei Belegstellen angegeben) die Antragsbehauptung, der Verpflichtete habe seit dem letzten Exekutionsantrag neuerlich zuwidergehandelt, als zur Erlassung eines weiteren Strafvollzugsbeschlusses nicht ausreichend qualifiziert wurde (dies wäre auch auf Grund der hier vertretenen Ansicht der Fall).

Bei Lösung der gegenständlichen Frage ist vor allem die Erwägung maßgebend, daß die verpflichtete Partei nach Zustellung des Exekutionsbewilligungsbeschlusses damit rechnen muß, daß jedes neuerliche Zuwiderhandeln ab diesem Zeitpunkt grundsätzlich zur Verhängung einer Beugestrafe führt; gerade deshalb sind "weitere" Warnungen für eine weitere nicht erforderlich. Ferner verhindert der allseits anerkannte Rechtscharakter der gemäß § 355 EO verhängten Strafen als Beugemittel nicht die Verhängung höherer Strafen bei mehrfachem Zuwiderhandeln je nach dem Ermessen des Gerichtes (hiezu SZ 28/51; EvBl. 1960/27 u. a.). Bei der Verhängung weiterer Strafen muß daher als maßgebender Abschnitt jener Vollzugsabschnitt angesehen werden, in dessen Bereich gegebenenfalls auch mehrere Verstöße aus Verpflichteten vom Gericht bei seiner Entscheidung zu beurteilen sind (dieser Abschnitt bestimmt sich also nicht aus der Sicht des Verpflichteten). Da das Gericht nun über ein seiner Entscheidung nachfolgendes Zuwiderhandeln nicht absprechen kann (dies wäre auch im Rechtsmittelverfahren nicht möglich, weil, wie Jelinek a. a. O. zutreffend betont, jeweils der Zeitpunkt der Beschlußfassung erster Instanz maßgebend ist), und überdies jede sachliche Rechtfertigung für die Annahme fehlt, daß der durch Zustellung der Exekutionsbewilligung endgültig, also sozusagen ein für allemal gewarnte Verpflichtete in der - für ihn überhaupt nicht überschaubaren - Zeit zwischen Beschlußfassung und Zustellung eines Strafvollzugsbeschlusses ohne Sanktion zuwiderhandeln dürfte, muß der Auffassung des Erstgerichtes beigetreten werden, daß die gegenständliche Impugnationsklage bei Annahme eines Zuwiderhandelns der klagenden Parteien am 11. April 1975 abzuweisen ist (in diesem Sinne neben den bereits zitierten Meinungen ausdrücklich auch Heller - Berger - Stix, 2589).

Zutreffend hat das Erstgericht ferner in der Versendung des Werbematerials am 11. April 1975 wegen der in dieser Versendung verwendeten Texte ein Zuwiderhandeln gegen das in Punkt b der Exekutionsbewilligung ausgesprochene Verbot erblickt.

Grundlage der Unterlassungsverpflichtung laut Exekutionstitel war bereits im Titelverfahren der Umstand, daß durch den seinerzeitigen Wortlaut, was die X. "für mehr als 500 000 Männer und Frauen jeden Alters und jeder Berufsgruppe" getan habe, könne es auch für jeden Empfänger der nunmehrigen Werbeschrift tun, der Anschein erweckt wurde, als hätten mehr als 500 000 Personen an Kursen der nunmehrigen Erstklägerin mit ihrem Sitz in Österreich teilgenommen, während dies in Wahrheit nur bei 45 000 bis 50 000 Personen der Fall war, die Zahl von etwa 500 000 Kursteilnehmern hingegen nur bei der X. mit dem Sitz in Hamburg verzeichnet wurde.

Die in dem am 11. April 1975 versendeten Werbetext gebrauchte Formulierung unterscheidet sich gerade in diesem, die Erlassung des Exekutionstitels sowie die Beschlußfassung laut Punkt b der Exekutionsbewilligung allein rechtfertigenden Punkt, nämlich die Erweckung des unrichtigen Anscheines, als hätte die nunmehr erstklagende Partei (mit ihrem Sitz in Österreich) schon über 500 000 Kursteilnehmer gehabt, überhaupt nicht.

Bei dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt haben die klagenden Parteien nach Erlassung des Strafvollzugsbeschlusses vom 7. April 1975 zwar nicht gegen beide Punkte der Exekutionsbewilligung vom 16. Dezember 1974, wohl aber gegen deren Punkt b neuerlich zuwidergehandelt. Demzufolge war die vom Erstgericht ausgesprochene Abweisung des Klagebegehrens gerechtfertigt.

Es war daher in Abänderung des angefochtenen Urteils das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen.

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