Spruch:
Wer eine unter Eigentumsvorbehalt gekaufte Sache erwirbt, erlangt daran Eigentum, sobald das Eigentumsrecht des Vorbehaltsverkäufers infolge Zahlung der Schuld erloschen ist.
Entscheidung vom 3. April 1968, 3 Ob 37/68.
I. Instanz: Bezirksgericht Eibiswald; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.
Text
Die Beklagte führt gegen die Eltern der Klägerin Johann und Rosa St, zu E .../67 des Bezirksgerichtes Eibiswald zur Hereinbringung des Betrages von 6090 S s. A. Fahrnisexekution, wobei ein Rundfunkgerät, ein VW-Pritschenwagen, eine Waschmaschine und zwei Schweine gepfändet wurden.
Die Klägerin erhebt gegen diese Zwangsvollstreckung Widerspruch gemäß § 37 EO. und bringt vor: Sie habe das Rundfunkgerät mit eigenem Geld gekauft. Der Wagen sei ihr an Stelle eines Lohnes, den ihre Eltern ihr zu zahlen gehabt hätten, übergeben worden. Die Waschmaschine und die Schweine habe sie zusammen mit ihren Schwestern Elfriede und Maria St. gekauft. Den Verpflichteten gehöre daher keiner der erwähnten Pfandsachen. Die Beklagte bestritt dieses Vorbringen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Entscheidungsgründe enthalten keine klare Feststellung des Sachverhaltes. Es heißt zunächst, daß die Klagsbehauptungen "im wesentlichen" richtig sind. Ferner erklärt das Erstgericht die Aussage der Zeugin Maria St. für glaubwürdig. Diese Zeugin hat angegeben, daß das zu versteigernde Rundfunkgerät und die Waschmaschine den drei Schwestern gehören sollte und daß diese hiefür aus ihrem Verdienst das Geld ergegeben hätten. Das Erstgericht erklärt es weiters als glaubhaft, daß auch die beiden Schweine aus den Mitteln der drei Schwestern angeschafft worden seien, ebenso, daß die Verpflichteten der Klägerin den Wagen an Stelle eines Lohnes übergeben hätten.
Das Berufungsgericht hob dieses Urteil unter Vorbehalt der Rechtskraft auf. Es erklärte die Feststellungen insoweit als mangelhaft, als nicht erkennbar ist, ob die Klägerin und deren Schwestern unmittelbar durch die Anschaffung Eigentümerinnen geworden sind. Insbesondere sei nicht
lar, von wem und in wessen Namen die Sachen gekauft wurden. Nach der Aussage des Vaters der Klägerin hat dieser das Rundfunkgerät gerichtlich ersteigert. Es müßte also festgestellt werden, in wessen Namen die Sachen gekauft wurden und auf welche Weise sie in das Eigentum der Klägerin übergegangen sein sollen. Sollte die Waschmaschine, was nach den Beweisergebnissen der Fall sein könne, von Johann St. im eigenen Namen auf Raten unter Eigentumsvorbehalt gekauft worden sein, so hätte dieser das Anwartschaftsrecht auf die Klägerin und deren Schwestern nicht übertragen können, weil ihm die Sache anvertraut gewesen wäre. Sache des Erstgerichtes wäre es gewesen, genau anzuführen, auf welche Weise es zur Übergabe der einzelnen Gegenstände an die Klägerin gekommen ist. Ein Kraftwagen sei in der Regel körperlich zu übergeben.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurse der Klägerin nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Mit Recht erklärt die zweite Instanz die Feststellungen des Erstgerichtes als mangelhaft. Die betreffenden Ausführungen des Erstgerichtes sind undeutlich, insbesondere ist nicht zu erkennen, ob Johann St. die Sachen im eigenen Namen gekauft hat. In diesem Fall wäre er selbst Eigentümer geworden. Die bloße Feststellung, sie seien der Klägerin und deren Schwestern "übergeben" worden, reicht nicht aus, weil Übergabe ein sehr bestrittener Rechtsbegriff ist. Es ist daher auch notwendig, genau die Vorgänge zu schildern, welche die Übergabe darstellen sollen, vor allem aber, wie die Sachen erworben worden sind, ob Johann St. sie im eigenen Namen gekauft und dann an die Klägerin und deren Schwestern weiter übertragen hat. Das Erstgericht wird daher, wie es im § 417 (2) ZPO. vorgeschrieben ist, die von ihm festgestellten rechtlich erheblichen Tatsachen genau anzugeben, den ganzen Sachverhalt zu schildern haben und sich nicht mit einer Verweisung auf die Klagsbehauptungen und Zeugenaussagen begnügen dürfen. Allerdings ist davon auszugehen, daß es zur körperlichen Übergabe genügt, daß der Erwerber zu der Sache in eine solche Beziehung kommt, daß sie sich nach der Verkehrsauffassung in seiner Macht befindet (EvBl. 1966 Nr. 233). Es bedarf dann nur der Zustimmung des Übergebers. Ob dies zutrifft, ist nach der Lage des einzelnen Falles zu entscheiden. Bei Personen, die im gemeinsamen Haushalt leben, insbesondere Familienangehörigen, ist, wenn die Sache gemeinsam benützt wird, eine besondere körperliche Übergabe nach der Verkehrsauffassung nicht zu erwarten. Es genügt die einverständliche Erklärung, daß einer der bisherigen Mitinhaber (Mitbenützer) nunmehr Eigentümer sein soll, so daß der Mitinhaber dadurch den Alleinbesitz und das Eigentum an der Sache erwirbt (vgl. SZ. XX 188). Es wird daher darauf ankommen, ob und inwieweit dies bei der Klägerin hinsichtlich der einzelnen Gegenstände zutrifft. Im übrigen ist dem Berufungsgericht zuzustimmen, daß bei Kraftfahrzeugen die Eintragung in die Kraftfahrzeugpapiere oder deren Aushändigung nach herrschender Rechtsprechung keine Übergabe darstellt (SSt. IX 66. JBl. 1951 S. 264, EvBl. 1964 Nr. 435, SZ. XXVII 18 u. a.). Sollte die Klägerin den Wagen in keiner Weise benützen, wird mangels anderer Umstände, die eine Übergabe darstellen, eine solche nicht anzunehmen sein. Je nach dem festzustellenden Sachverhalt kann allerdings auch Übergabe durch Erklärung (§§ 318, 428 ABGB.) in Frage kommen.
Die auf Rspr. 1933 Nr. 61 gestützte Ansicht des Berufungsgerichtes, daß, wer eine Sache unter Eigentumsvorbehalt kauft, nicht befugt ist, sie zu veräußern, also das Anwartschaftsrecht zu übertragen, trifft im allgemeinen zu. Ein Verstoß dagegen würde in der Regel eine Veruntreuung begrunden. Wenn jedoch die Sache im Haushalt des Veräußerers (Vorbehaltskäufers) bleibt und der Erwerber der Sache bereit ist, sie dem Vorbehaltsverkäufer gegebenenfalls herauszugeben, wird in dessen Rechte nicht eingegriffen. Mag auch die Veräußerung der Sache wegen des Eigentumsvorbehaltes unzulässig gewesen sein, so ist doch der Vertrag, durch den sich der Vorbehaltskäufer verpflichtete, die Sache dem Erwerber zu übergeben, zwischen den Parteien dieses Geschäftes nicht ungültig und wird wirksam, wenn die Kaufpreisschuld getilgt und daher das Eigentumsrecht des Vorbehaltsverkäufers erlischt. Dieses geht dann unmittelbar auf den Rechtsnachfolger des Vorbehaltskäufers, also auf den Erwerber der Sache, über. Das ergibt sich daraus, daß nach dem letzten Satz des § 366 ABGB. derjenige, der zwar zur Zeit der Veräußerung noch nicht Eigentümer war, das Eigentum aber in der Folge erlangt hat, die Sache, vom Erwerber nicht zurückverlangen kann. Es handelt sich hier nicht um die bloße Einrede, daß die Sache verkauft und übergeben wurde; vielmehr tritt Konvaleszenz des Eigentums ein (Klang[2] II 219 ebenda Anm. 17). Doch fehlen auch hierüber alle Feststellungen.
Nach dem Gesagten hat das Berufungsgericht den Sachverhalt mit Recht als aufklärungsbedürftig bezeichnet, weshalb das unbegrundete Rechtsmittel erfolglos bleiben mußte.
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