OGH 3Ob35/81

OGH3Ob35/8120.5.1981

SZ 54/83

Normen

ABGB §863
ABGB §1379
EO §35
ABGB §863
ABGB §1379
EO §35

 

Spruch:

Bei einem Bruchteilstitel wird durch eine Vereinbarung über die Höhe zu leistender Unterhaltsraten im Zweifel der bisherige Exekutionstitel nicht aufgehoben

Erklärt der Unterhaltsberechtigte dem Verpflichteten gegenüber, derzeit mit einem bestimmten Unterhaltsbetrag einverstanden zu sein, so hat er bis zum Widerruf auf allenfalls zustehende Mehrleistungen verzichtet

OGH 20. Mai 1981, 3 Ob 35/81 (KG Korneuburg 5 R 286/80; BG Gänserndorf 2 C 83/80)

Text

Der Kläger ist gemäß dem vor dem Landesgericht für ZRS Wien zu 22 Cg 88/65 abgeschlossenen Vergleich vom 15. Juli 1965 verpflichtet, der Beklagten einen monatlichen Unterhaltsbetrag in der Höhe von 30% seines jeweiligen Gesamtnettoeinkommens zu zahlen. Die Streitteile haben im Vergleich auf eine Herabsetzung oder Erhöhung des Unterhaltsbetrages auch bei geänderten Verhältnissen verzichtet.

Zu E 549/80 des Bezirksgerichtes Gänserndorf erwirkte die Beklagte gegen den Kläger nach Erklärung des Dienstgebers des Klägers im Sinne des § 10a EO die Pfändung und Überweisung zur Einziehung der Bezüge des Klägers zur Hereinbringung eines Unterhaltsrückstandes für die Zeit vom 1. März 1977 bis 29. Feber 1980 in Höhe von 176 062 S abzüglich geleisteter Zahlungen von 55 600 S, sohin von 120 462 S, sowie zur Hereinbringung des laufenden Unterhaltes ab 1. März 1980 in Höhe von 30% des monatlichen Gesamtnettoeinkommens. Die Exekution wurde durch Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den Drittschuldner am 24. März 1980 vollzogen.

Gegen den in dieser Exekution geltend gemachten Anspruch und die von der Beklagten erwirkte Exekutionsbewilligung erhob der Kläger mit der am 3. April 1980 eingebrachten Klage Einwendungen gemäß §§ 35 und 36 EO, in der er vor allem geltend machte, daß die Beklagte sich in der Vergangenheit immer mit bestimmten Beträgen zufrieden gegeben habe, die der Kläger auch immer regelmäßig geleistet habe. Seit 27. Dezember 1977 bezahle der Kläger in diesem Sinne monatlich 1200 S und seit Sommer 1978 monatlich 2000 S. Die Beklagte habe daher auf ihr allenfalls laut Vergleich zustehende höhere Beträge verzichtet. Der Vergleich sei durch die Vereinbarungen der Streitteile entsprechend abgeändert worden. Zumindest habe die Beklagte aber auf eine Exekutionsführung verzichtet. Der Kläger beantragte das Urteil, seinen Einwendungen gegen die Exekutionsbewilligung E 549/80 Folge zu geben und auszusprechen, daß der Anspruch der Beklagten auf eine über monatlich 2000 S hinausgehende Zahlung erloschen sei und die Exekution E 549/80 unzulässig sei.

Die Beklagte bestritt es, je auf einen Unterhaltsbetrag verzichtet zu haben, wies darauf hin, daß der im Vergleich vereinbarte Ausschluß einer Änderung des Unterhaltsbetrages gegen einen Verzicht spreche, und beantragte die Abweisung der Klage.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit der Einschränkung statt, daß der Anspruch der Beklagten für die Zukunft hinsichtlich eines 2000 S übersteigenden Unterhaltsbetrages nur für die Zeit bis zu ihrem Ausscheiden aus dem aktiven Arbeitsverhältnis erloschen sei, und wies das Mehrbegehren, daß der Anspruch der Beklagten aus dem Vergleich darüber hinausgehend zur Gänze erloschen sei, ab.

Das Berufungsgericht gab der von der Beklagten gegen den stattgebenden Teil dieses Urteiles erhobenen Berufung - der abweisende Teil erwuchs in Rechtskraft - keine Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 60 000 S übersteige.

Beide Vorinstanzen gingen von folgenden Tatsachenfeststellungen aus:

Der Kläger bezahlte an die Beklagte in den ersten Jahren nach Vergleichsabschluß monatlich 1000 S, was tatsächlich etwa 30% seines damaligen Einkommens entsprach. Die Beklagte urgierte in der Folge des öfteren Unterhaltserhöhungen, wogegen sich der Kläger unter Hinweis auf seine zahlreichen weiteren Sorgepflichten wehrte. Anläßlich eines Familientreffens im Jahre 1974 begnügte sich die Beklagte daher weiterhin mit dem Betrag von 1000 S monatlich, welcher im Jahr 1977 einvernehmlich auf 1200 S erhöht wurde. Im Sommer 1978, als die Beklagte damit rechnete, frühzeitig in Pension gehen zu müssen, schickte sie ihre Schwiegertochter zum Kläger, um einen höheren Unterhaltsbetrag von 14 x jährlich 2000 S zu fordern. Der Kläger erklärte der Schwiegertochter der Beklagten gegenüber, daß er nur 12 x jährlich 2000 S zu zahlen bereit sei. Als der Beklagten dieser Vorschlag des Klägers überbracht worden war, erklärte sie sich mit diesem Vorschlag einverstanden, wies jedoch ihrer Schwiegertochter gegenüber darauf hin, daß sie im Falle ihrer Pensionierung mehr fordern würde. Dies teilte die Schwiegertochter der Beklagten dem Kläger etwa eine Woche danach mit. Seit September 1978 zahlte der Kläger monatlich 2000 S, wogegen die Beklagte bis zur Einbringung der eingangs erwähnten Exekution am 26. Feber 1980 nichts unternahm.

In rechtlicher Hinsicht vertraten die beiden Untergerichte die Auffassung, daß die Streitteile trotz des im Vergleich enthaltenen Verzichtes auf eine Änderung des Unterhaltsbetrages zur einvernehmlichen Neuregelung des Unterhaltsbetrages berechtigt gewesen seien. Die Beklagte habe bis zum Sommer 1978 schlüssig und im Sommer 1978 auch ausdrücklich auf einen höheren Unterhaltsbetrag, als ihn der Kläger tatsächlich leistete, für die Dauer ihrer Berufstätigkeit verzichtet, weshalb ihr Anspruch insoweit erloschen sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten teilweise Folge und änderte das angefochtene Urteil dahin ab, daß es unter Einbeziehung des bestätigten Teiles insgesamt zu lauten hat wie folgt:

"Den Einwendungen des Klägers, daß der vollstreckbare Anspruch der Beklagten aus dem Vergleich vom 15. Juli 1965, 22 Cg 88/65 des Landesgerichtes f. ZRS Wien, auf Leistung eines monatlichen Unterhaltsbetrages für die Zeit vom 1. März 1977 bis 29. Feber 1986 in Höhe eines Unterhaltsrückstandes von insgesamt 120 462 S erloschen sei, wird stattgegeben.

Das Mehrbegehren, den Einwendungen des Klägers auch dahin stattzugeben, daß der vollstreckbare Anspruch der Beklagten aus demselben Vergleich auf Leistung des laufenden monatlichen Unterhaltsbetrages von 30% des Gesamtnettoeinkommens des Klägers seit 1. März 1980 erloschen sei, oder auszusprechen, daß die mit Beschluß des Bezirksgerichtes Gänserndorf vom 20. März 1980, E 549/80, hinsichtlich des seit 1. März 1980 begehrten laufenden Unterhaltes unzulässig sei, wird abgewiesen."

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Mit Recht führt die Beklagte in ihrer Rechtsrüge aus, daß in den von ihr (durch ihre Vertreterin) abgegebenen Erklärungen kein so weitreichender Unterhaltsverzicht zu erblicken ist, wie dies die Vorinstanzen angenommen haben.

Einen Beweis dafür, daß die Streitteile einen Neuerungsvertrag dahin vereinbart hätten, der Vergleich vom 15. Juli 1965 solle seine Wirkung überhaupt verlieren und statt der dort getroffenen Regelung solle der Kläger ab Sommer 1978 zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von 2000 S an die Beklagte verpflichtet sein, hat der Kläger jedenfalls nicht erbracht. Im Zweifel wird bei einem Bruchteilstitel der vorliegenden Art durch eine Vereinbarung über die Höhe zu leistender Unterhaltsraten der bisherige Exekutionstitel nicht aufgelöst (§ 1379 ABGB).

Die Beklagte hat aber im Sommer 1978 auch nicht für die Zukunft bis zur Beendigung ihrer Berufstätigkeit im Sinne des § 1444 ABGB auf einen Teil des ihr laut Vergleich zustehenden Unterhaltsbetrages verzichtet. Zu einem ausdrücklichen Verzicht in dieser Hinsicht kam es schon deshalb nicht, weil zwischen den Streitteilen der Vergleich vom 15. Juli 1965 überhaupt nicht erwähnt und das Wort "Verzicht" oder ein ähnlicher Ausdruck überhaupt nicht verwendet wurden. Ein Verzicht kann nach herrschender Ansicht zwar auch stillschweigend erklärt werden (Klang in Klang[2] VI, 530; EFSlg. 33 868 u.a.). Ob ein stillschweigender Verzicht vorliegt, ist aber mit besonderer Vorsicht zu beurteilen und nur dann anzunehmen, wenn besondere Umstände auf einen ernstlichen Vertragswillen in dieser Richtung hinweisen (EFSlg. 27 289, 33 868). Die zwischen den Streitteilen im Sommer 1978 zustande gekommene Vereinbarung erfüllt diese Voraussetzungen bezüglich des künftigen Unterhalts der Beklagten nicht. Der Kläger hat in der Klage selbst erklärt, daß er der Beklagten die Zahlung von 2000 S monatlich mit dem Zusatze angeboten habe, wenn sie damit nicht einverstanden sei, solle sie ihn pfänden. Obwohl sich die Beklagte im Jahr 1977 noch mit 1200 S monatlich "begnügt" hatte, forderte sie doch ein Jahr später 2000 S monatlich, und der Kläger war damit einverstanden. Er konnte daher auch im Sommer 1978 nicht annehmen, daß die 2000 S nun für alle Zukunft gelten sollten. Daß die Beklagte dem Kläger mitteilen ließ, im Fall ihrer Pensionierung würde sie mehr fordern, schloß nicht aus, daß sie nach Ablauf einer gewissen Zeit auch ohne Eintritt dieses Umstandes aus einem anderen Gründe mehr fordern werde. Es kann daher nicht gesagt werden, daß im Sinne des § 863 Abs. 1 ABGB mit Überlegung aller Umstände kein vernünftiger Grund bestehen blieb, an einem Verzicht der Klägerin auch für die Zukunft zu zweifeln.

Wohl aber konnte der Kläger nach Treu und Glauben darauf vertrauen, daß die Beklagte bis zu einem Widerruf ihres Einverständnisses, mit einer Zahlung von monatlich 2000 S einverstanden zu sein und diese Summe als Erfüllung der Unterhaltsverpflichtung des Klägers aus dem Vergleich anzunehmen, auf ihr allenfalls zustehende Mehrleistungen verzichte. Der Unterhaltsberechtigte, der dem Unterhaltsverpflichteten gegenüber erklärt, derzeit mit einem bestimmten Unterhaltsbetrag einverstanden zu sein, hat sich bis zum Widerruf dieser Erklärung so eindeutig ausgesprochen, daß eine andere Auslegung hier vernünftigerweise nicht in Frage kommt (vgl. EFSlg. 13 969).

Die Beklagte hat erst durch die Einbringung ihres Exekutionsantrages ihre früher erklärte Zustimmung zu einem monatlichen Unterhaltsbetrag von 2000 S widerrufen. Hinsichtlich des Unterhaltsrückstandes bis zum 29. Feber 1980 ist daher die Revision unbegrundet. Hingegen wirkte sich der Umstand, daß die Beklagte bis dahin mit einem geringeren Betrag einverstanden war, nicht dahin aus, daß sie auch seit 1. März 1980 nicht mehr mehr fordern könnte, so daß der Revision hinsichtlich des laufenden Unterhalts Berechtigung zukommt, was sowohl für die Klage nach § 35 EO wie für jene § 36 EO gilt, denn die Beklagte hat weder auf den Anspruch noch auf eine künftige Exekutionsführung verzichtet.

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