Normen
ABGB §828
ABGB §829
ABGB §844
ZPO ArtXLII EinfG
ZPO §266
ZPO §304
ABGB §828
ABGB §829
ABGB §844
ZPO ArtXLII EinfG
ZPO §266
ZPO §304
Spruch:
Die Klage nach Art. XLIII EGzZPO. hat zur Voraussetzung, daß ein rechtsschutzbedürftiges Interesse an der Vorlage der Urkunde behauptet und im Falle der Bestreitung bescheinigt wird und auch im Zeitpunkt der Urteilsfällung noch besteht.
Entscheidung vom 6. Dezember 1950, 3 Ob 352/50.
I. Instanz: Kreisgericht Ried i. I.; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.
Text
Der Kläger hat die Vorlage einer zwischen den Streitteilen errichteten Urkunde vom 18. November 1948, in der bestätigt wird, daß der Beklagte seinen Lastkraftwagen an den Kläger verkauft hat, gemäß Art. XLIII EGzZPO. unter Anführung des genauen Wortlautes der Urkunde mit der Begründung begehrt, daß er vom Beklagten die Vorlage bis zum 12. Dezember 1948 verlangt habe, diese Frist aber ergebnislos verstrichen sei.
Der Beklagte hat in der Klagebeantwortung die Errichtung und den Inhalt der Urkunde nicht bestritten, hat aber behauptet, daß ein Kaufvertrag nicht abgeschlossen, die Urkunde vielmehr nur errichtet worden sei, um auf Grund derselben von der oberösterreichischen Landesregierung die Genehmigung zum Verkauf des Wagens, der nicht an den Kläger, sondern an einen Dritten stattfinden sollte, zu erreichen; die Urkunde sei also nur im Interesse des Beklagten errichtet worden, daher keine gemeinschaftliche Urkunde; der Kläger habe auch kein rechtliches Interesse an der Vorlage der Urkunde behauptet.
Der Erstrichter erkannte, nachdem er über die Vereinbarung, auf die sich die Urkunde bezieht, mehrere Zeugen und die Streitteile als Parteien vernommen hatte, im Sinne des Klagebegehrens.
Das Berufungsgericht änderte das erstrichterliche Urteil ab und erkannte auf Abweisung des Klagebegehrens, indem es das Vorliegen eines Rechtsschutzinteresses des Klägers an der Vorlage der Urkunde verneinte.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Kläger stützt sein Begehren auf Vorlage der Urkunde auf die Bestimmung des Art. XLIII EGzZPO. Nach dieser Bestimmung kann die Vorlage einer gemeinschaftlichen Urkunde auch außerhalb eines anhängigen Rechtsstreites im Wege der Klage gefordert werden.
Welche Urkunde als gemeinschaftlich anzusehen ist, bestimmt das Gesetz durch den Hinweis auf den § 304 ZPO. Diese Bestimmung, die von der Vorlegung von Urkunden durch den Prozeßgegner handelt, erklärt drei Arten von Urkunden als der Vorlagepflicht unterliegend, und zwar Urkunden, auf die der Gegner selbst zum Zwecke der Beweisführung im Prozesse Bezug genommen hat, ferner Urkunden, zu deren Ausfolgung oder Vorlage der Gegner nach bürgerlichem Rechte verpflichtet ist, und schließlich Urkunden, die ihrem Inhalte nach beiden Parteien gemeinschaftlich sind. Die erste Art der Urkunden kommt schon der Sache nach für eine außerhalb eines Prozesses angestrengte Klage nicht in Betracht, weil die Vorlagepflicht in diesem Fall nur durch die Bezugnahme des Gegners auf die Urkunde zu Beweiszwecken im Prozesse entsteht. Diese bloße Bezugnahme des Prozeßgegners macht die Urkunde auch noch nicht zu einer gemeinschaftlichen, sie begrundet nur ein prozessuales Recht des Antragstellers, die Vorlage der Urkunde zu begehren. Urkunden, auf deren Ausfolgung oder Vorlage der Antragsteller nach bürgerlichem Rechte Anspruch hat, etwa weil sie sein Eigentum bilden und er sie dem Prozeßgegner geliehen oder verpfändet hat, können im Sinne der Z. 3 des § 304 ZPO. gemeinschaftlich sein, müssen es aber nicht (z. B. Urkunden über einen zwischen dem Antragsteller und einem Dritten errichteten Vertrag). Es ergibt sich daher trotz der uneingeschränkter Zitierung des § 304 ZPO. in Art. XLIII EGzZPO., daß unter gemeinschaftlichen Urkunden im Sinne der zuletzt bezogenen Gesetzesstelle nur die unter Z. 3 des § 304 Abs. 1 ZPO. bezeichneten Urkunden zu verstehen sind.
Der Charakter einer Urkunde als einer gemeinschaftlichen bestimmt sich gemäß der Vorschrift des § 304 Abs. 1 Z. 3 ZPO. nur nach ihrem Inhalte. Nach der beispielsweisen Aufzählung in § 304 Abs. 2 ZPO. gelten daher Urkunden als gemeinschaftlich für Personen, deren gegenseitige Rechtsverhältnisse darin beurkundet sind, oder für Personen, in deren Interesse die Urkunde errichtet wurde. Lediglich das äußere Kriterium des Inhaltes, also des Wortlautes der Urkunde entscheidet. Ob die Richtigkeit des Inhaltes von der vorlagepflichtigen Partei zugegeben oder bestritten wird, ist für die Entscheidung über die Vorlagepflicht belanglos. Dies haben beide Unterinstanzen auch zutreffend hervorgehoben. Das Prozeßgericht hat daher den durch die Klage gegebenen Rahmen des Rechtsstreites überschritten, indem es Beweisaufnahmen über den Bestand und den Inhalt des in der klagsgegenständlichen Urkunde bezogenen Rechtsgeschäftes durchgeführt und im Urteil darauf bezügliche Feststellungen getroffen hat, und das Berufungsgericht ist ihm, obwohl es diesen Vorgang mißbilligte, hierin doch gefolgt, indem es die erstrichterlichen Feststellungen über den Inhalt der zwischen den Streitteilen getroffenen Vereinbarung ergänzte.
Daß die Urkunde, deren Vorlage vom Kläger begehrt wird, nach ihrem Inhalte eine den Streitteilen gemeinschaftliche ist, kann nicht bezweifelt werden, denn sie ist nach ihrem Wortlaute eine Bestätigung darüber, daß zwischen den Streitteilen ein Kaufvertrag über einen dem Beklagten gehörigen Lastkraftwagen abgeschlossen wurde.
Der Kläger ist also grundsätzlich berechtigt, die Vorlage der Urkunde zu begehren und im Falle der Verweigerung den Klagsweg zu beschreiten. Er kann dieses Recht aber nur ausüben, wenn hiezu ein anerkennenswerter Grund besteht; andernfalls müßte das Vorlagebegehren als schikanös angesehen und dem Inhaber der Urkunde das Recht zugebilligt werden, die Vorlage abzulehnen.
Die Klage nach Art. XLIII EGzZPO. hat also zur Voraussetzung, daß ein rechtsschutzbedürftiges Interesse an der Vorlage der Urkunde behauptet und im Falle der Bestreitung bescheinigt wird (GlUNF. 959). Das Berufungsgericht hat ein solches Interesse nicht als gegeben angesehen und es sind die Ausführungen der Revision, die hierin eine unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache erblickt, nicht geeignet, die Gründe des Berufungsgerichtes zu widerlegen. Der Kläger hat zunächst in der Klage ein schutzwürdiges Interesse an der Vorlage der Urkunde nicht behauptet und begrundet, sein Vorbringen in der fortgesetzten Streitverhandlung vom 21. Juni 1949 aber dahin ergänzt, daß ihm durch die Nichteinhaltung des in der Urkunde bestätigten Kaufvertrages durch den Beklagten ein Verdienstentgang von 3500 S erwachsen sei. Bei der Parteienvernehmung gab der Kläger an, er begehre die Bestätigung deshalb vom Beklagten, um einen Nachweis zu haben, daß das Geschäft zwischen ihnen tatsächlich fix geschlossen worden sei, und allenfalls zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegenüber dem Beklagten. Aus der Ergänzung des Klagevorbringens und den Parteienangaben des Klägers ist also zu entnehmen, daß der Kläger die Vorlage der Urkunde begehrt hat, weil er beabsichtigt, gegen den Beklagten Schadenersatzansprüche wegen Nichterfüllung des in der Urkunde bestätigten Kaufvertrages zu stellen. Nun hat aber der Beklagte schon in der Klagebeantwortung zugegeben, daß die Urkunde im Einvernehmen beider Streitteile errichtet und von beiden Teilen gefertigt wurde. Da der Kläger den Inhalt der Urkunde kennt, besteht, wie das Berufungsgericht zutreffend angeführt hat, für den Kläger derzeit kein Grund, die Urkunde einzusehen, die begehrte Vorlage bei Gericht würde ihm lediglich die Möglichkeit einer Einsicht- und Abschriftnahme bieten.
Wenn die Revision vermeint, daß neben dem Inhalte und dem Wortlaute auch die äußere Form der Urkunde von Bedeutung sei, so läßt sie eine Klarstellung, inwiefern im vorliegenden Falle die äußere Form der Urkunde von Bedeutung sein könnte, vermissen.
Da der Beklagte den Inhalt und den Wortlaut der Urkunde sowie ihre Fertigung durch beide Parteien nicht bestreitet, ist entgegen der Rechtsansicht der Revision die Frage, ob die Urkunde noch vorhanden ist, für einen eventuellen Schadenersatzprozeß ohne Bedeutung. Es wird in einem solchen Prozesse, für den nach der Sachlage nur die heutigen Prozeßparteien in Betracht kommen könnten, der Vorlage der Urkunde als Beweismittel nicht bedürfen (§ 266 Abs. 1 ZPO.). Für die Annahme, daß der Beklagte in einem Schadenersatzprozesse eine andere Haltung einnehmen und die Tatsache der gemeinsamen Errichtung und Fertigung der Urkunde bestreiten würde, besteht kein Anhaltspunkt, zumal sich im vorliegenden Prozesse, der sich bereits meritorisch mit dem in der Urkunde angeführten Rechtsgeschäfte befaßt hat, die Verteidigung des Beklagten in völlig anderer Richtung gegangen ist.
Wenn die Revision zur Begründung des Vorlageanspruches auf die materiellrechtlichen Bestimmungen des ABGB. (§ 844, neben dem auch noch die §§ 828 und 829 anzuführen wären) verweist, so geht dieses Vorbringen deshalb fehl, weil der Kläger in der Klage keinen materiellrechtlichen Anspruch auf Vorlage der Urkunde geltend gemacht, sondern sich nur auf die Bestimmung des Art. XLIII EGzZPO. berufen hat, die sich aber, wie oben ausgeführt wurde, nur auf gemeinschaftliche Urkunden im Sinne des § 304 Abs. 1 Z. 3 ZPO. bezieht.
In rechtlicher Beziehung erweist sich die Berufungsentscheidung als dem Gesetze entsprechend. Da im Zeitpunkt der Fällung des erstrichterlichen Urteils ein rechtsschutzbedürftiges Interesse des Klägers nicht bestand, hat das Berufungsgericht mit Recht das erstrichterliche Urteil abgeändert und das Klagebegehren abgewiesen. Die Frage, ob die Klage zur Zeit ihrer Einbringung noch begrundet war, wäre nur zu untersuchen gewesen, wenn der Kläger in der mündlichen Streitverhandlung sein Begehren auf Kostenersatz eingeschränkt hätte. Diese Frage ist nur für die Kostenentscheidung von Bedeutung, die in dritter Instanz nicht mehr abgesondert überprüft werden kann.
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