OGH 3Ob341/98p

OGH3Ob341/98p22.12.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef J*****, vertreten durch Dr. Robert Kerschbaumer, Rechtsanwalt in Lienz, gegen die beklagte Partei Helmut M*****, vertreten durch Dr. Peter Rohracher, Rechtsanwalt in Lienz, wegen Feststellung (Streitwert S 120.000), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 15. Oktober 1998, GZ 1 R 478/98w-10, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Matrei in Osttirol vom 30. Juli 1998, GZ C 87/98 t-6, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Antrag der beklagten Partei auf Zurückweisung der Klage wegen Streitanhängigkeit abgewiesen wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 14.872,32 (darin enthalten S 2.478,72 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger begehrt die Feststellung, dem Beklagten als Eigentümer der GP 2738/2, EZ 511, KG V*****, stehe kein Benützungsrecht an der GP 2732/2, KG V***** zu, mit Ausnahme jenes Flächenteiles, der Gegenstand des Verfahrens C 344/96 h des Erstgerichtes war und der im Vermessungsplan DI Rudolf Neumayr durch die Dreiecksfläche der Punkte 3351, 9571 und 8811 dargestellt wird, welche in dem einen integrierenden Bestandteil des Urteils bildenden Vermessungsplan DI Neumayr vom 30. 3. 1988 dargestellt ist. Zur Begründung dieses Feststellungsbegehrens brachte der Kläger vor, er sei grundbücherlicher Eigentümer der im Klagebegehren genannten Fläche, an der keine Benützungsrechte des benachbarten Beklagten bestünden, der sich jedoch solche anmaße und die Fläche auch konsequent befahre und befahren lasse.

Der Beklagte erhob die Einrede der Streitanhängigkeit.

Das Erstgericht wies die Klage (nach Beschränkung der Verhandlung auf diese Einrede) zurück. Es sei Streitanhängigkeit im Verhältnis zum Verfahren C 575/97 gegeben. In diesem Verfahren stütze der Kläger sein Unterlassungsbegehren offensichtlich auf die titellose Inanspruchnahme des auch hier den Gegenstand der Klage bildenden Grundstücks mit Ausnahme der erwähnten Dreiecksfläche. Der dortige Erstbeklagte und nunmehrige Beklagte habe mit dem Hinweis bestritten, dass ihm sehr wohl mit einer Dienstbarkeit ein Titel zum Befahren dieser Fläche zur Verfügung stehe. Bei Überprüfung der Berechtigung des Klagebegehrens im Vorverfahren werde daher maßgeblich sein, ob der behauptete Titel tatsächlich bestehe. Im nunmehrigen Verfahren führe der Kläger keine weiteren Eingriffshandlungen an. Die anspruchserzeugenden und anspruchsvernichtenden Behauptungen in beiden Verfahren seien absolut identisch.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss infolge Rekurses des Klägers und sprach aus, der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteige S 52.000, nicht jedoch S 260.000; es sah vorerst den ordentlichen Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung, die über den Einzelfall hinausgehe, nicht als zulässig an. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, die Sachanträge des Klägers in beiden Verfahren strebten dasselbe Rechtsschutzziel an, nämlich die Freiheit seines Eigentums mit Ausnahme der näher bezeichneten Dreiecksfläche von irgendwelchen Rechten des Beklagten. Streitanhängigkeit setze voraus, dass nicht nur die Identität der Parteien, sondern auch die Gleichheit der Begehren und des geltend gemachten Rechtsgrundes vorlägen. Gleichheit der Ansprüche sei dann gegeben, wenn sich aus den vorgebrachten rechtserzeugenden Tatsachen und dem daraus abgeleiteten Begehren ergebe, dass beide Sachanträge dasselbe Rechtsschutzziel anstreben. Dabei stehe die Wesensgleichheit des materiellen Anspruchs im Vordergrund. Wie das Erstgericht zutreffend erkannt habe, liege hier zwingende Identität der rechtserzeugenden Tatsachen in beiden Verfahren vor. Aus dem Klagsvorbringen ergebe sich keinesfalls, dass es sich beim Befahren bzw Befahrenlassen um einen demonstrativen Hinweis auf die Eingriffshandlungen des Beklagten handle. Auch in diesem Verfahren wäre nur zu prüfen, inwieweit dem Beklagten eine Dienstbarkeit des Fahrens auf der strittigen Fläche zustehe.

Mit Beschluss vom 19. 11. 1998 erklärte das Rekursgericht den Revisionsrekurs des Klägers gemäß § 528 Abs 2a, § 508 Abs 3 ZPO doch für zulässig, weil der Kläger auf Umstände hinweise, die doch von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung seien. In seinem Antrag weise er darauf hin, dass die Rechtsansicht des Rekursgerichtes der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes widerspreche, wonach ein auf § 523 ABGB gestütztes negatives Feststellungsbegehren keine Streitanhängigkeit mit einem gleichzeitig erhobenen Unterlassungsbegehren begründe und dass Rechtsprechung zur Frage fehle, ob durch die im LGVÜ verankerten Grundsätze der Entscheidungsharmonie und Rechtssicherheit eine Abkehr von dieser Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes geboten sei.

Der Revisionsrekurs des Klägers ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung liegt das Prozesshindernis der Streitanhängigkeit erst dann vor, wenn nicht nur die Identität der Parteien, sondern auch Identität der Ansprüche besteht. Identität der Ansprüche ist gegeben, wenn der Streitgegenstand der neuen Klage derselbe ist wie jener der ersten. Nach der Rechtsprechung liegt Identität der Ansprüche dann vor, wenn sich aus den rechtserzeugenden Tatsachen und dem daraus abgeleiteten Begehren ergibt, dass beide Sachanträge dasselbe Rechtsschutzziel anstreben (Kodek in Rechberger, ZPO**2 Rz 10 zu § 233 mwN).

Im vorliegenden Fall hat der Kläger zuerst am 27. 10. 1997 eine zu C 575/97 f des Erstgerichtes eingetragene Klage mit einem Unterlassungsbegehren eingebracht. Dieses Unterlassungsbegehren betrifft zwar dieselbe Grundfläche wie die nunmehrige Feststellungsklage, ist jedoch gegen den nun Beklagten auf das Befahren mit Motorrädern und Autos beschränkt. Nunmehr begehrt der Kläger die darüber hinausgehende Feststellung, dem Beklagten stehe - auch in anderen Fällen - kein Benützungsrecht zu. Dieser negativen Feststellungsklage kann eine über den vorher anhängig gemachten Unterlassungsprozess hinausgehende Bedeutung nicht abgesprochen werden, weil damit über die Rechtsbeziehungen der Parteien abschließend und endgültig Klarheit geschaffen wird (vgl 4 Ob 516/94; JUS Z 728).

Schon aus diesem Grund erweist sich der Revisionsrekurs des Klägers als berechtigt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. In erster Instanz sind für den Zwischenstreit über die Einrede der Streitanhängigkeit keine gesonderten Kosten aufgelaufen.

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