OGH 3Ob33/88

OGH3Ob33/8820.4.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei prot. Firma Ludwig H*** Inhaber Franz H*** Maschinenbau- und Maschinenhandel, Traungauergasse 13, 8020 Graz, vertreten durch Dr. Leo Kaltenbäck ua, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Friedrich L***, Monteur, Raaba 82, 8041 Graz, vertreten durch Dr. Guido Held, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 304.555 sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 7. Dezember 1987, GZ 3 R 203/87-18, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 10. August 1987, GZ 6 Cg 138/87-13, unter Rechtskraftvorbehalt teilweise aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Prozeßkosten.

Text

Begründung

Die klagende Partei erhob am 10. Juni 1986 gegen die Friedrich L*** OHG die Klage auf Zahlung von S 304.555 sA, weil diese Handelsgesellschaft die Verlegung und Verarbeitung vorgefertigter Dachteile für die Dachkonstruktion der Produktionshalle der klagenden Partei fehlerhaft ausgeführt habe. Die im Winter 1982/1983 aufgetretenen Mängel seien wiederholt gerügt, Sanierungsversuche des Werkunternehmers aber erfolglos geblieben. Es dringe Feuchtigkeit in die Halle ein, Kondenswasser schlage sich auf den Maschinen nieder. Zuletzt sei am 13. Mai 1985 die Behebung der Mängel bis 14. Juni 1985 gefordert worden. Das Dach sei undicht, die Dachrinne leck, ihre Abläufe zu kurz, und Kondenswasser tropfe auf die Maschinen. Die Behebung der Mängel erfordere einen Aufwand von S 304.555. Die Klage und die Aufforderung zur schriftlichen Beantwortung der Klage wurde der in Anspruch genommenen Handelsgesellschaft zugestellt und von Friedrich L*** übernommen. Auf Antrag der klagenden Partei erkannte das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz am 25. September 1986 mit dem stattgebenden Versäumungsurteil nach § 398 Abs. 1 ZPO GZ 15 Cg 213/86-3. Das Prozeßgericht bestätigte am 4. November 1986, daß das Urteil, das der Handelsgesellschaft am 1. Oktober 1986 durch Hinterlegung beim Postamt zugestellt worden war, vollstreckbar sei. Nach dem Stand des Handelsregisters Abteilung A Nr. 2314 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz war am 28. November 1983 eingetragen worden, daß die Firma "Friedrich L*** OHG" in Friedrich L*** geändert ist, die persönlich haftenden Gesellschafter Friedrich L*** sen. geboren 1904 und Gottfried S*** aus der Gesellschaft ausgetreten sind, die offene Handelsgesellschaft damit aufgelöst und der persönlich haftende Gesellschafter Friedrich L*** geboren 1939 nunmehr Alleininhaber ist.

Am 14. Jänner 1987 erhob die klagende Partei gegen den nun persönlich beklagten Friedrich L*** die Klage zunächst mit dem Begehren, das Versäumungsurteil vom 25. September 1986, GZ 15 Cg 213/86-3 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz gegenüber dem Beklagten für vollstreckbar zu erklären, weil sich nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteiles ergeben habe, daß die aus dem Titel verpflichtete Handelsgesellschaft nicht mehr bestehe, die "Offene Handelsgesellschaft" gelöscht und ihr Alleininhaber der beklagte frühere persönlich haftende Gesellschafter sei, der nach § 128 HGB und wegen "Übernahme der Firma" den Gesellschaftsgläubigern gegenüber für die Verbindlichkeiten hafte. Das rechtskräftige Urteil wirke daher auch gegen ihn, es bedürfe nur der Titelergänzung (§ 10 EO).

Der Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Die Gesellschaft, die aus dem Versäumungsurteil verpflichtet wurde, sei bereits im November 1983 durch den Austritt von zwei Gesellschaftern aufgelöst worden. Der Beklagte habe das Unternehmen übernommen. Die Gesellschaft habe den Werkauftrag der klagenden Partei auf Verlegung der beigestellten Dachprofile auftragsgemäß und mängelfrei bis September 1982 beendet und die später aufgetretenen und verspätet gerügten Mängel nicht zu vertreten. Die von der klagenden Partei beigestellte Isolierung sei ungeeignet gewesen, weshalb auch die vom Beklagten vorgenommenen Sanierungsversuche erfolglos bleiben mußten. Das Kondenswasser bilde sich durch das Fehlen einer Dampfsperre, auf welche die klagende Partei zur Kosteneinsparung verzichtet habe; sie habe sich den Schaden selbst zuzurechnen.

Das ohne mündliche Verhandlung gefällte erste, das Klagebegehren aus dem Grunde, daß zur Exekutionsführung gegen den Beklagten auf Grund des rechtskräftigen Versäumungsurteiles nach § 9 EO die Vorlage eines Handelsregisterauszuges genüge, abweisende Urteil des Erstgerichtes, wurde über die Berufung der klagenden Partei vom Gericht zweiter Instanz als nichtig aufgehoben.

In der Verhandlungstagsatzung am 14. Juli 1987 brachte die klagende Partei ergänzend vor, der Beklagte hafte eventual auch aus der "Schuldübernahme", und stellte ein auf Zahlung von S 304.555 sA gerichtetes Eventualbegehren.

Der Beklagte erwiderte, es handle sich um eine unzulässige Klagsänderung, und wendete hilfsweise Verjährung und "entschiedene Sache" ein.

Das Erstgericht wies nun mit Urteil das auf Titelergänzung gerichtete Hauptbegehren und das Eventualbegehren ab und verwies auf seine Ausführungen in dem als nichtig aufgehobenen Urteil. Die klagende Partei könne auf Grund des rechtskräftigen Versäumungsurteiles gegen die Handelsgesellschaft und eines Handelsregisterauszuges gegen den Beklagten Exekution führen, habe dies aber gar nicht versucht, und stütze sich im Eventualbegehren ebenfalls auf eine Schuldübernahme. Es könne daher auch das Eventualbegehren keinen Erfolg haben. Der Einwendung des Beklagten, es handle sich um eine unzulässige Änderung der Klage, könne schon deshalb und mangels weiterer Ausführungen keine Relevanz zukommen. Das Berufungsgericht bestätigte - unangefochten - die Abweisung des Hauptbegehrens, hob aber das Urteil des Erstgerichtes im übrigen auf und verwies die Rechtssache zur neuen Verhandlung und Entscheidung über das Zahlungsbegehren unter Setzung des Rechtskraftvorbehaltes an das Gericht erster Instanz zurück. Den Aufhebungsbeschluß begründete das Berufungsgericht damit, das Vorbringen der klagenden Partei zu dem für den Fall der Abweisung des Begehrens auf Titelergänzung nach § 10 EO gestellten Zahlungsbegehren stelle sich nicht als bloße Unterstützung des Hauptbegehrens dar und sei zu Unrecht weder erörtert noch einer Prüfung unterzogen worden. Immerhin habe die klagende Partei behauptet, daß der Beklagte, der als offener Gesellschafter schon zuvor für die Erfüllung der Schuld der Gesellschaft nach § 128 HGB einzustehen hatte, nach der mit November 1983 erfolgten Übernahme des Geschäfts deren Verbindlichkeit zu erfüllen gehabt habe. Der Beklagte habe die im erstgerichtlichen Urteil zum Ausdruck gelangte Zulassung der Klagsänderung nicht bekämpft. Das Erstgericht werde das knappe Vorbringen der klagenden Partei zu erörtern und zu den nötigen Ergänzungen und Beweisanboten anzuleiten haben. Von einer rechtskräftig entschiedenen Sache könne nicht die Rede sein, weil das gegen die ursprüngliche Vertragspartnerin erwirkte Versäumungsurteil keine Rechtskraftwirkung auf die Rechtsbeziehung zum Beklagten entfalte. Ob die Fristen des § 933 ABGB gewahrt sind, werde zu prüfen sein. Die Vorschrift des § 377 HGB sei auf den Werkvertrag nicht anwendbar. Es werde festzustellen sein, wann der Beklagte zuletzt Sanierungsversuche vornahm, weil im Falle der Zusage der Behebung der Mängel mit dem letzten erfolglosen Verbesserungsversuch eine neue Gewährleistungsfrist beginne. Sollte danach am 14. Juli 1987 die dreijährige Gewährleistungsfrist noch nicht verstrichen gewesen sein, sei zu klären, ob die vom Werkunternehmer erbrachte Leistung mangelhaft war, ob die klagende Partei die weitere Mängelbehebung vereitelt und ob das Begehren auf Zahlung des für die Behebung der Mängel erforderlichen Deckungskapitals berechtigt ist.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes erhobene Rekurs des Beklagten ist nicht berechtigt.

Das Begehren, der Anspruch der klagenden Partei aus dem Versäumungsurteil vom 25. September 1986, GZ 15 Cg 213/86-3 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz sei nunmehr gegen den Beklagten vollstreckbar, ist, weil der Rechtsübergang nicht nach, sondern vor der Schaffung des Exekutionstitels eingetreten war, rechtskräftig abgewiesen und nicht mehr Gegenstand des Rechtsstreits. Damit ist das diesem Hauptbegehren beigefügte Eventualbegehren übrig geblieben. Der Beklagte macht in seinem Rekurs vor allem geltend, das Berufungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß die in der Stellung des Eventualbegehrens erblickte Änderung der Klage ungeachtet der Einwendungen des Beklagten unangefochten im Sinne des § 235 Abs. 3 ZPO zugelassen worden sei. Die nachträgliche Stellung eines Eventualbegehrens ist als Klagsänderung im Sinne des § 235 ZPO anzusehen, wenn es nicht aus denselben rechtserzeugenden Tatsachen abgeleitet wird, sondern zu seiner Begründung neue rechtserzeugende Tatsachen zusätzlich vorgetragen werden (Fasching III 116 f und ZPR Rz 1225; SZ 24/325). Dies war hier der Fall, weil dem Begehren auf Ergänzung des Exekutionstitels nach § 10 EO, die im Titel anerkannte Verpflichtung sei auf den Beklagten übergegangen und der Titel deshalb gegen den Beklagten vollstreckbar, hilfsweise das Begehren beigefügt wurde, der Beklagte schulde der Klägerin den Geldbetrag, zu dessen Leistung die andere Person verhalten worden war, nun wegen Vermögensübernahme und Gesellschafterhaftung.

Nach Eintritt der Streitanhängigkeit bedarf die Änderung der Klage der Einwilligung des Gegners, die als vorhanden anzunehmen ist, wenn er über die geänderte Klage verhandelt, ohne gegen die Änderung eine Einwendung zu erheben. Der Beklagte hat sofort der Klagsänderung widersprochen. Das Gericht hätte daher nach § 325 Abs. 3 ZPO mit anfechtbarem Beschluß zu entscheiden gehabt, ob es die Änderung ungeachtet der Einwendungen des Beklagten zuläßt, gleich ob es diesen Beschluß abgesondert faßte oder mit in die Ausfertigung des Urteils aufnahm. Das Erstgericht hat jedoch dem Eventualbegehren eine bloß das Titelergänzungsbegehren unterstützende Bedeutung beigemessen und keine Klagsänderung angenommen. Der Oberste Gerichtshof hat der Ansicht, der Beklagte müsse eine "stillschweigende" Zulassung der Klagsänderung durch das Prozeßgericht bei sonstigem Eintritt der Rechtskraft mit dem Rechtsmittel gegen die Sachentscheidung bekämpfen (Fasching III 123), entgegengehalten, daß dies dann nicht gelten könne, wenn auch das geänderte Klagebegehren zur Gänze abgewiesen wurde und der Beklagte daher nicht veranlaßt war, die Sachentscheidung zu bekämpfen (3 Ob 76-81/73; 3 Ob 38,39/78), andererseits aber gelegentlich eine "implicite-Entscheidung" über die Zulassung der Klagsänderung gebilligt und gefordert, daß der Beklagte auch im Falle der Abweisung des Klagebegehrens die Zulassung der Klagsänderung bekämpft, weil sein Rechtsschutzinteresse wegen der im Rechtsmittelverfahren möglichen Abänderung der abweisenden Sachentscheidung gegeben sei, und bei Unterlassung der Rekurserhebung eine rechtskräftige Zulassung der Klagsänderung angenommen (7 Ob 742,743/80).

Welche Ansicht richtig ist, kann hier dahingestellt bleiben. Teilt man nicht die Ansicht des Berufungsgerichtes, die Zulassung der Klagsänderung sei schon dadurch rechtskräftig geworden, daß das Erstgericht auch über das Eventualbegehren eine Sachentscheidung traf, sei es, daß es gar keine Änderung annahm oder stillschweigend die Änderung zuließ, ohne daß sich der Beklagte mit Rekurs dagegen zur Wehr setzte, so ist für den Beklagten nichts gewonnen: Auch wenn er sich noch mit dem Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluß gegen die Zulassung der Klagsänderung wehren könnte, wäre sein Widerstand jedenfalls nicht berechtigt. Änderungen der Klage sind nämlich tunlichst zuzulassen (Fasching ZPR Rz 1240; SZ 27/167 uva). Bei der Abwägung, ob aus der Zulassung eine erhebliche Erschwerung oder Verzögerung der Verhandlung zu besorgen ist, ist nämlich die Überlegung einzubeziehen, daß durch Vermeidung eines weiteren Prozesses und eine abschließende Entscheidung über die zwischen den Parteien streitigen Rechtsbeziehungen auch ein zusätzlicher Aufwand vermieden wird. Verfehlt ist somit die Ansicht des Beklagten, das Erstgericht habe bereits rechtsrichtig das Eventualbegehren abgewiesen, weil die Klagsänderung unzulässig war.

Ob der von der klagenden Partei gegen den Beklagten erhobene Anspruch wegen einer Haftung des Beklagten berechtigt ist, ob diesem Anspruch der Ablauf der Gewährleistungsfrist oder eine Verjährung entgegensteht und ob der Beklagte oder die Handelsgesellschaft, deren Geschäft er übernommen hat, Verbesserungszusagen gab und Mängelbehebungsversuche unternahm, kann nicht vorweg erörtert werden. Es fehlt an jeder eine rechtliche Beurteilung gestattenden Feststellung des Sachverhalts.

Daß der Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Beklagten das gegen die offene Handelsgesellschaft ergangene Versäumungsurteil vom 25. September 1986 nicht im Wege steht und das Prozeßhindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache nicht vorliegt, haben die Vorinstanzen abschließend entschieden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs. 1 Satz 2 ZPO.

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