Spruch:
Rechtsnatur des bäuerlichen Übergabsvertrages.
Entscheidung vom 25. Juli 1956, 3 Ob 330/56.
I. Instanz: Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.
Text
Die Kläger führen in ihren, zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klagen aus, ihr Vater Ludwig S. sei Eigentümer der P.-Liegenschaft gewesen. Mit Übergabsvertrag vom 25. Mai 1953 habe der Vater dem Beklagten die Liegenschaft übergeben, während die Kläger als weichende Geschwister mit Erbteilsvorausempfängen bedacht worden seien. Diese Vorausempfänge seien bewußt nieder gehalten worden, damit der Beklagte auf dem Besitze wohl bestehen könne, und hätten den Gegenwert einer Nutzkuh im Gewichte von 300 kg betragen. Der Beklagte habe den Großteil der Wälder geschlagen und habe die Liegenschaft sodann verkauft. Der Beklagte habe aus diesem Gründe den Klägern erhöhte Erbteilsvorausempfänge zugesagt. Er habe Johann S. 8000 S versprochen, den übrigen Klägern 15.000 S, zahlbar, sobald das Holzabmaß festgestellt worden sei. Dieses Abmaß sei festgestellt worden, der Beklagte sei aber seinem Versprechen nicht nachgekommen. Er habe unzureichende Beträge bei einem Notar erlegt, wofür die Kläger einen schriftlichen Verzicht auf alle weiteren Forderungen hätten unterschreiben sollen.
In der ersten Streitverhandlung wurde seitens der Kläger noch ausgeführt, daß die Klage nicht auf den Übergabsvertrag und nicht auf ein Schenkungsversprechen gestützt werden solle, sondern daß in dem Versprechen des Beklagten auf Bezahlung der erhöhten Erbteilsentfertigungen eine Novation liege.
Der Beklagte bestritt, jemals eine erhöhte Erbteilsentfertigung zugesagt zu haben.
Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab. Er ging dabei von folgendem Sachverhalt aus:
Mit notariellem Übergabsvertrag vom 25. Mai 1953 übergab Ludwig S. die P.-Hube Nr. 52 in M. seinem Sohne, dem Beklagten Johann S., und dessen Ehegattin Walpurga S. je zur Hälfte. Der Übergabspreis wurde mit 60.000 S festgesetzt, wovon 48.500 S auf das Ausgedinge des Übergebers und seiner Ehegattin und 1000 S auf das Ausgedinge der 87jährigen Mutter des Übergebers verrechnet wurden. Der Beklagte und seine Gattin übernahmen ferner eine Darlehensschuld des Übergebers in der Höhe von 4000 S und verpflichteten sich, den anderen Kindern des Übergebers, und zwar Eduard S., Josef S. und Karoline B., als väterliche lebzeitige Erbsentfertigung je einen Betrag in der Höhe auszuzahlen, der dem Wert einer Nutzkuh im Gewichte von 300 kg entspricht, welch letztere Leistung mit je 2000 S bewertet wurde. Die Beträge an die weichenden Geschwister waren bis zum 25. Mai 1959 auszuzahlen. Bezüglich des Sohnes Engelbert S. wurde festgehalten, daß dieser schon vor Abschluß des Übergabsvertrages durch Lieferung von Bauholz im Werte von mindestens 2000 S erbsentfertigt wurde und daher an den Übernehmer keine Erbsentfertigungsansprüche zu stellen habe. Am 13. Juni 1955 verkauften der Beklagte und seine Gattin die P.-Liegenschaft um 305.000 S. Bevor der Beklagte die übernommene Liegenschaft verkaufte, fragte er seinen Vater, ob dieser mit dem Verkaufe einverstanden sei. Der Vater erwiderte, daß er nichts dagegen habe, doch müsse der Beklagte seinen Geschwistern höhere Erbteilsvorausempfänge auszahlen als im Übergabsvertrag vorgesehen sei. Er überließ es aber dem Beklagten, mit den Geschwistern übereinzukommen. Einige Zeit vor dem Verkauf der Liegenschaft versprach der Beklagte Eduard S. insgesamt 15.000 S, der Karoline B. ebenfalls 15.000 S, schließlich dem Engelbert S. 8000 S, zahlbar, sobald das Holz gemessen sei. Mit Josef S. hat der Beklagte über einen erhöhten Abfertigungsbetrag nicht gesprochen. Für das verkaufte Holz hat der Beklagte 48.000 S erhalten.
Diesen Sachverhalt würdigte das Erstgericht rechtlich dahin, daß lebzeitige Zuwendungen des präsumtiven Erblassers im Verhältnis zwischen Übergeber und weichenden Geschwistern als Schenkungen anzusehen seien; im Verhältnis zwischen Übergeber und Übernehmer stellten sie die Entrichtung eines Teiles des Übergabspreises, also ein entgeltliches Geschäft, dar, wobei die Leistungen allerdings nicht dem Übergeber, sondern für ihn an Dritte zu erbringen seien. Verspreche der Übernehmer mehr, als er nach dem Übergabsvertrag zu bezahlen habe, stelle auch diese Zusage eine Schenkung dar, weil der Dritte kein Recht auf eine erhöhte Leistung habe. Eine solche Schenkung ohne wirkliche Übergabe bedürfe der Form des Notariatsaktes. Mangels Einhaltung dieser Form sei der Beklagte nicht gebunden. Die bloße Erhöhung oder Verminderung der Leistung sei keine Novation. Das Versprechen sei aber auch kein Vergleich, weil die Kläger keine höheren Ansprüche hatten, sie daher auf den Anspruch auch nicht hätten verzichten können.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Kläger Eduard S. und Josef S. Folge, hob den auf diese Kläger bezughabenden Ausspruch des Berufungsgerichtes auf und verwies die Rechtssache im Umfange der Aufhebung an das Berufungsgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die rechtliche Konstruktion der Untergerichte über das Wesen des Übergabsvertrages ist zutreffend. Die Revisionswerber übersehen, daß der Pflichtteilsanspruch als solcher erst mit dem Tode des Vaters entsteht. Bis dahin ist es gar nicht sicher ob ein solcher Anspruch überhaupt zustehen wird. Es handelt sich also keineswegs um ein bedingtes Recht, sondern um eine möglicherweise künftig entstehende Forderung. Es ist auch den Ausführungen der Kläger in erster Instanz nicht zu entnehmen, daß es in der Absicht der Parteien gelegen gewesen wäre, mit dem zwischen ihnen abgeschlossenen Vertrag einen künftigen Pflichtteilsergänzungsanspruch zu bereinigen. Da somit die Ausführungen der Revisionswerber von einer falschen Prämisse ausgehen, braucht auf diese Ausführungen nicht weiter eingegangen zu werden.
Es ist aber folgendes zu erwägen: der Übergeber der Liegenschaft hat zugunsten seiner Kinder verfügt, daß der Übernehmer einen Teil des Übergabsentgeltes an die Geschwister zur Abdeckung künftiger Erbteilsforderungen bezahle. Darin ist keine Schenkung zu erblicken, sondern eine Regelung der Wirtschaftsübergabe im Sinne der herrschenden bäuerlichen Auffassungen. Durch diese Vereinbarung haben die Kinder eine Forderung auf Zahlung des vereinbarten Entgeltes gegen den Übernehmer erworben. Der Übernehmer erfüllt somit gegenüber den Kindern des Übergebers keine Schenkung, sondern leistet an sie einen Teil des Entgeltes. Mit Übergabe des Gutes ist der Anspruch der Kläger entstanden, mag auch die Fälligkeit hinausgeschoben worden sein. Daß die Kläger aus Anlaß dieses Versprechens ihres Vaters auf eine weitere Erbteils- bzw. Pflichtteilsforderung verzichtet hätten, ist dem Vertrage nicht zu entnehmen und wurde auch nicht behauptet. Selbstverständlich hätten sie auch keine Forderung gegen den Übergeber zu dessen Lebzeiten. Hingegen hätte der Beklagte an sich freies Eigentum erworben.
Trotzdem holte er die Zustimmung seines Vaters zum beabsichtigten Verkaufe ein. Diese Handlung entsprang offensichtlich der richtigen Vorstellung, daß der Übergabsvertrag unter der Voraussetzung geschlossen wurde, die Übernehmer würden die Wirtschaft selbst bewirtschaften, und daß sich durch den Verkauf der Liegenschaft die seinerzeitigen Geschäftsgrundlagen verschoben haben. Es kann hier der Zweck eines Übergabsvertrages nicht übersehen werden. Er ist eine verfrühte Erbfolge, eine lebzeitige Vermögensabhandlung, und enthält zahlreiche erbrechtliche und familienrechtliche Bestandteile (JBl. 1955 S. 405). Die weichenden Geschwister werden bei solchen Übergaben in der Regel weniger bedacht, um dem Übernehmer die Fortführung der Wirtschaft zu ermöglichen. Der Übergeber würde aber den weichenden Geschwistern des Übernehmers eine wesentlich andere Stellung einräumen, wenn er wüßte, daß der Übernehmer den Hof nicht dauernd bewirtschaften, sondern über kurz oder lang verkaufen werde. Stellt sich nachträglich die Notwendigkeit eines Verkaufes heraus, ist es bei dem Charakter des Übergabsvertrages nur natürlich, daß die Vertragsteile versuchen, den geänderten Umständen nachträglich Rechnung zu tragen und den Vertrag den neuen Verhältnissen anzupassen.
Der Vater hat nun gegen den Verkauf keine Einwendungen erhoben, hat aber gleichzeitig verlangt, daß der Beklagte an seine Geschwister höhere Erbteilsvorausempfänge auszahle. Ein bestimmter Betrag wurde nicht genannt, vielmehr wurde die Höhe des zu bezahlenden Betrages der Vereinbarung mit den Geschwistern überlassen. Damit war der Beklagte einverstanden, hat er doch daraufhin nach den getroffenen Feststellungen mit seinen Geschwistern diesbezüglich unterhandelt. Daraus folgt, daß der seinerzeit zwischen dem Übergeber und dem Beklagten abgeschlossene Vertrag einverständlich dahin abgeändert wurde, daß der Beklagte einer angemessenen Erhöhung des Kaufpreises durch Erhöhung der Erbteilsvorausempfänge an die Geschwister zustimmte. Was in einem solchen Falle angemessen ist, ist durchaus bestimmbar. Es liegt somit eine rechtsgültige Vereinbarung vor. Verwiesen sei auf § 1056 ABGB., wonach die Bestimmung des Preises auch bestimmten dritten Personen (hier den Geschwistern des Beklagten hinsichtlich der Erhöhung) übertragen werden kann. Hat nun der Beklagte tatsächlich mit den Geschwistern eine Erhöhung der Erbteilsvorausempfänge vereinbart, läge darin eine Neufestsetzung des Kaufpreises, und der Beklagte wäre aus diesem Gründe verpflichtet, den erhöhten Betrag zu bezahlen. Mangels einer Schenkung bedarf es der Form eines Notariatsaktes nicht. Für die Annahme einer Schenkung fehlen alle Voraussetzungen. Der Beklagte hat einen erhöhten Kaufpreis zu bezahlen, die Kläger sind die forderungsberechtigten Empfänger dieses Entgeltes. Es wurde also gar keine unentgeltliche Zuwendung seitens des Beklagten versprochen.
Der Umstand, daß der Beklagte nicht allein die Liegenschaft übernahm, kann hier außer Betracht bleiben, weil sich der Beklagte allein zu einer Erhöhung des Kaufpreises verpflichten konnte, wobei ganz unerörtert bleiben soll, ob er nicht als Vermögensverwalter der Frau aufgetreten ist.
Die dieser Rechtsansicht zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen wurden allerdings vom Beklagten in der Berufungsmitteilung und auch im Revisionsverfahren bekämpft; insbesondere wurde bekämpft, daß er eine Erhöhung zugesagt habe. Das Berufungsgericht hat sich, von einer anderen Rechtsansicht ausgehend, mit der Richtigkeit der erstgerichtlichen Feststellungen nicht weiter befaßt. Aus diesem Gründe mußte das berufungsgerichtliche Urteil aufgehoben und dem Berufungsgericht die Prüfung der tatsächlichen Feststellungen des Erstgerichtes aufgetragen werden. Sollte eine bindende Vereinbarung zustandegekommen sein, wird auch zu prüfen sein, ob der vereinbarte Betrag an die Stelle des im Übergabsvertrag festgesetzten Betrages oder neben diesen zu treten hat, was den erstgerichtlichen Feststellungen nicht eindeutig zu entnehmen ist.
Mit Josef S. hat der Beklagte allerdings nichts vereinbart. Allein, da mit dem Übergeber eine angemessene Erhöhung des Kaufpreises vereinbart worden war, hätte Josef S. mangels einer besonderen Vereinbarung mit dem Beklagten den angemessenen Betrag zu bekommen. Dabei wird zu prüfen sein, ob nicht der Beklagte den Betrag von 15.000 S bereits als angemessen anerkannt hat, zumal er sich nach den bisherigen Feststellungen Engelbert S. gegenüber geäußert hat, alle übrigen Geschwister sollten 15.000 S bekommen.
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