OGH 3Ob31/91

OGH3Ob31/9110.4.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hule, Dr.Warta, Dr.Klinger und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Alfred K*****, vertreten durch Dr.Harald W.Jesser und DDr.Manfred Erschen, Rechtsanwälte in Leoben, wider die beklagte Partei Josefa K*****, vertreten durch Dr.Michael Augustin, Rechtsanwalt in Leoben, wegen Unzulässigkeit einer Exekution (§ 35 EO), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Berufungsgerichtes vom 28.August 1990, GZ R 146/90-28, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Eisenerz vom 27.Dezember 1989, GZ C 258/89 s-20, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, daß das Urteil der ersten Instanz wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 7.720,10 (darin S 1.286,70 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 4.077,-- (darin S 679,50 USt) bestimmten Kosten des Revisionsvefahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Ehe der Streitteile wurde am 2.9.1980 gemäß § 55 a EheG zu 10 Sch 32/80 des Bezirksgerichtes Leoben geschieden. Gleichzeitig schlossen die Streitteile einen Vergleich, in dem sich der Kläger zu einer monatlichen Alimentation von S 2.000,-- ab 1.9.1980 an die Beklagte verpflichtete. Auf Grund dieses Vergleiches wurde der Beklagten zu E 27/86 des Bezirksgerichtes Eisenerz am 9.1.1986 gegen den Kläger zur Hereinbringung eines Unterhaltsrückstandes für Dezember 1985 von S 2.000,-- und des laufenden Unterhaltes die Gehaltsexekution bewilligt. Zu C 4/86 des Bezirksgerichtes Eisenerz hat der Kläger vergeblich versucht, seine Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Beklagten mit der Behauptung zu bekämpfen, daß diese in Lebensgemeinschaft mit Heinrich O***** lebe. Mit der vorliegenden Klage vom 25.4.1989 gemäß § 35 EO wiederholt der Kläger diese Behauptung; überdies hätten sich seine Einkommensverhältnisse seit dem Vergleichsabschluß drastisch verschlechtert.

Die Beklagte bewohnt seit 1.4.1986 eine an die Wohnung Heinrich O***** angrenzende Wohnung. Die beiden gleich großen Wohnungen sind über getrennte Eingänge erreichbar. 1986 wurde eine beide Wohnungen verbindende Etagenheizung eingebaut, welche derzeit nur von der Wohnung der Beklagten aus beheizt wird. Heinrich O***** stellt hiefür das gesamte Heizmaterial zur Verfügung. Die gemeinsame Anlage wurde errichtet, weil Heinrich O***** die Beklagte, die nicht über ausreichende Mittel zur Begleichung ihres Lebensaufwandes verfügt, unterstützen will. Heinrich O***** bezahlt auch die Raten für den Kredit, mit dem die Heizanlage errichtet worden ist. Heinrich O***** und die Beklagte besuchen sich wechselseitig in ihren Wohnungen, zwei- bis dreimal in der Woche verkehren sie miteinander sexuell. In der 48 m2 großen Wohnung Heinrich O***** wohnen außer ihm noch seine Tochter Sandra ***** und sein 14jähriger Sohn Oliver, der die Sonderschule in Eisenerz besucht. Das Schlafzimmer wird von Heinrich O***** benützt, nur fallweise schläft dort auch sein Sohn Oliver, wenn dieser "unruhig" ist, im zweiten Bett. Die Beklagte bereitet täglich (in der Wohnung Heinrich O*****) das Mittagessen für ihn (und seine Kinder) und ißt mit. Sie erhält hiefür von Heinrich O***** ein Wirtschaftsgeld von S 3.000,-- monatlich. Es kommt häufig vor, daß die Beklagte mit diesem Geld nicht auskommt, worauf von Heinrich O***** das fehlende dazugegeben wird. Heinrich O***** unternahm mit der Beklagten (von ihm finanzierte) Reisen nach Jugoslawien. Um die vorzeitige Entlassung der stationär im Landeskrankenhaus Eisenerz wegen eines Selbstmordversuches behandelten Beklagten zu erreichen, unterfertigte Heinrich O***** (am 20.5.1989) im Spital einen Revers, wobei er sich als Lebensgefährte bezeichnete. Die Beklagte hat eine Miete von monatlich S 1.846,-- zu bezahlen. Sie ist nicht ständig berufstätig, arbeitet aber ca. einmal im Jahr 3 Monate hindurch auf einer Eisbahn als Kellnerin. Für 4 Wochen erhält sie hiefür ein Entgelt von S 2.000,--. Zuletzt war die Beklagte kurzfristig Urlaubsvertreterin einer Aufräumerin. Über weiteres Einkommen verfügt die Beklagte nicht.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und folgerte aus den oben wiedergegebenen Feststellungen, daß eine Lebensgemeinschaft zwischen der Beklagten und Heinrich O***** vorliege, die deren Unterhaltsanspruch ruhen lasse.

Das Berufungsgericht wies mit dem angefochtenen Urteil in Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung das Klagebegehren zur Gänze ab. Gegenüber dem Vorverfahren C 4/86 des BG Eisenerz habe sich keine wesentliche Änderung ergeben. Nach dem äußeren Erscheinungsbild liege kein Zusammenleben der Beklagten mit Heinrich O***** in einer Form vor, wie es bei Ehegatten unter gleichen Bedingungen zu erwarten wäre. Die Zubereitung des Mittagessens durch die Beklagte für Heinrich O*****, wofür sie ein Wirtschaftsgeld erhalte und mitesse, weiters die finanziellen weiteren Unterstützungen durch Heinrich O***** in Notsituationen sowie der zwei- bis dreimal wöchentlich stattfindende Verkehr und letztlich die Urlaubsfahrten reichten noch nicht für die Annahme einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft aus.

Die Revision des Kägers ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Das Eingehen einer Lebensgemeinschaft der Unterhaltsberechtigten mit einem anderen Mann führt mangels einer gegenteiligen Vereinbarung auch bei verglichenem Scheidungsunterhalt zu dessen Ruhen (SpR 38; EFSlg 57.265 ff, zuletzt SSV-NF 4/28 mwN). Der Unterhaltsanspruch gegen den geschiedenen Ehemann erlischt für die Dauer der Lebensgemeinschaft und lebt nach deren Beendigung wieder auf.

Das Wesen der Lebensgemeinschaft wird in Lehre und Rechtsprechung in einem eheähnlichen Zustand erblickt, der dem typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens entspricht. Dazu gehört im allgemeinen eine Geschlechts-, Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft. Es kann aber auch - wie in einer Ehe, bei der die Ehegatten nach § 91 ABGB ihre eheliche Lebensgemeinschaft unter Rücksichtnahme aufeinander einvernehmlich gestalten sollen - das eine oder das andere Merkmal fehlen. Eine bloße Geschlechtsgemeinschaft, die nicht über das hinausgeht, was üblicherweise als intimes Verhältnis bezeichnet wird, führt noch nicht zum Vorliegen einer Lebensgemeinschaft. Es kommt immer auf die Umstände des Einzelfalles an. Maßgeblich ist auch nicht nur die materielle Seite, weil es sich bei einer Lebensgemeinschaft um eine zwischen einem Mann und einer Frau eingegangene seelische Bindung handelt, die vom Willen getragen wird, auf unbestimmte Zeit miteinander zusammenzuleben. Diese Bindung findet ihren Niederschlag im äußeren Eindruck, der Rückschlüsse auf die in der Regel nicht feststellbare innere Einstellung der Partner zuläßt (Heller-Berger-Stix, EO4 382 f; EFSlg 57.268 mwN uva). Partner, deren Lebensgemeinschaft durch äußere Umstände vermutet wird, trifft daher die Offenlegungspflicht. Eine nicht eheliche Lebensgemeinschaft ist anzunehmen, wenn nach dem äußeren Erscheingungsbild ein Zusammenleben vorliegt, wie es bei Ehegatten unter gleichen Bedingungen zu erwarten wäre. Es muß dabei nicht immer zugleich die Geschlechts-, Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft als Merkmal der Lebensgemeinschaft gegeben sein, weil jedes dieser Elemente weniger ausgeprägt sein oder auch ganz fehlen kann (EFSlg 57.268 ua).

Unstrittig liegt hier seit Jahren eine Geschlechtsgemeinschaft zwischen der Beklagten und Heinrich O***** vor. Nach der Häufigkeit des Zusammenseins und den sonstigen festgestellten Umständen stimmen die Beklagte und Heinrich O***** ihre Lebensführung aufeinander ab, es ist ein gemeinsamer Lebensplan erkennbar. Es liegt auch teilweise eine Wirtschaftsgemeinschaft vor. Heinrich O***** zahlt der Beklagten ein Wirtschaftsgeld und hilft ihr in finanziellen Notsituationen aus. Die Beklagte bereitet ihm und seinen Kindern das Mittagessen, teilweise ist sie ihm auch beim Bearbeiten seiner Wäsche behilflich. Zu der zwischen Ehegatten sonst üblichen Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft fehlt nur das gemeinsame Abendessen und Frühstück. Dies und die gemeinsamen Urlaube stellen ein Erscheinungsbild gleich einer Ehe zwischen Gatten dar, die in getrennten Schlafzimmern leben und auch sonst größeren Wert auf persöhnliche Selbständigkeit legen. Was die erforderlichen Anschaffungen der Beklagten für Kleidung, Haushalt und kulturelle Bedürfnisse betrifft, hat es die Beklagte verabsäumt offenzulegen, wie sie nach Bezahlung der monatlichen Miete von S 1.846,-- und Begleichung sonstiger Lebenshaltungskosten die finanziellen Mittel dafür aufbringt, weil offenkundig ist, daß sie aus dem "Zubrot" und der Alimentation durch den Kläger hiefür nicht aufkommen kann. Es liegt daher nahe, daß sie auch diese erforderlichen Unterstützungen von Heinrich O***** erhält. Die Beklagte hat auch nicht den Eindruck widerlegt, daß die festgestellte gemeinsame Lebensführung mit Heinrich O***** in der Weise praktiziert wird, um ein Ruhen des Unterhaltsanspruches gegenüber dem Kläger zu vermeiden. Es ist daher von einer aufrechten Lebensgemeinschaft zwischen der Beklagten und Heinrich O***** auszugehen. Damit erweist sich aber das Oppositionsbegehren als gerechtfertigt und es war das Ersturteil wiederherzustellen. Der Unterhaltsanspruch ist für die Dauer der Lebensgemeinschaft erloschen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. (Berufungsverhandlung vom 20.3.1990 nach TP 2.)

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