OGH 3Ob315/98i

OGH3Ob315/98i24.11.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Kurt F*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der D*****, gegen die beklagte Partei D*****, vertreten durch Dr. Franz Josef Salzer, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 10,970.549,31 sA, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 25. September 1998, GZ 3 R 91/98v-29, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 21. Februar 1998, GZ 16 Cg 85/96s-24, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss des Berufungsgerichtes wird aufgehoben.

Das Ersturteil wird wiederhergestellt.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 99.332,84 (darin enthalten S 16.555,47 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der D***** GmbH (in der Folge: Gemeinschuldnerin). Die Gemeinschuldnerin gehörte ebenso wie die beklagte Partei zum Firmenimperium des mittlerweile in Strafverfahren verwickelten Mag. K*****. Dieser war zeitweilig, insbesondere zum Zeitpunkt der Auftragserteilung der beklagten Partei an die Gemeinschuldnerin, auch Geschäftsführer beider Gesellschaften. Er beabsichtigte, mit seinen Unternehmen von den Bundesforsten das Stift Ossiach zu pachten und zu einem Freizeitbetrieb auszubauen. Die Gemeinschuldnerin sollte die Umbau- und Sanierungsarbeiten leiten. Zu einer Fertigstellung dieser Umbaumaßnahmen ist es allerdings bis heute nicht gekommen, weil sich die wirtschaftlichen Verhältnisse geändert haben und sich die von Mag. K***** getätigten Annahmen nicht realisieren ließen. Über die von der Gemeinschuldnerin erbrachten Leistungen wurde zwar keine Rechnung ausgestellt, die Forderung für diese Baumaßnahmen wurde jedoch in Höhe von S 10,970.549,31 (darin enthalten 20 % Umsatzsteuer) in den Jahresabschluss der Gemeinschuldnerin aufgenommen.

Noch vor Eröffnung des Konkursverfahrens über die Gemeinschuldnerin hatte Mag. K***** die Geschäftsführung der beklagten Partei an Mag. Stefan H***** übergeben. Dieser hatte schon vorher, ohne einen Überblick über die gesamten Aktivitäten zu haben, mit Mag. K***** zusammengearbeitet, verfügte allerdings - ebenso wie später der Kläger - nicht über vollständige Firmenunterlagen.

Nachdem der Kläger den Geschäftsführer der beklagten Partei Mag. H***** von der auf Grund der Geschäftsunterlagen offenen Verbindlichkeit verständigt hatte, kam es zu einer Besprechung, bei der der Geschäftsführer der beklagten Partei dem Kläger die schlechte wirtschaftliche Situation der beklagten Partei schilderte. Er gab an, dass die beklagte Partei wirtschaftlich überhaupt nur aufrecht erhalten werde, um anlässlich des Rückzuges aus dem Projekt Stift Ossiach eine Ablösezahlung in beachtlicher Höhe zu lukrieren. Die diesbezüglichen Verhandlungen seien noch nicht abgeschlossen. Die Forderung bestritt er nicht. Der Kläger erklärte sich bereit, bis zu einem erfolgreichen Abschluss der Ablöseverhandlungen zuzuwarten.

Nachdem der Kläger aus der Zeitung entnommen hatte, dass es zu einer derartigen Einigung über die Ablösezahlung gekommen sei, setzte er sich wieder mit dem Geschäftsführer der beklagten Partei in Verbindung. Dieser bestritt, dass es bereits zu einer Liquidierung der Ablösezahlung gekommen sei. Dessen ungeachtet anerkannte er als alleinzeichnungsberechtigter Geschäftsführer der beklagten Partei die Klagsforderung gegenüber dem darauf beharrenden Kläger in einer Besprechung am 24. 10. 1995, die in den Kanzleiräumlichkeiten des Klägers geführt wurde. Dabei waren der Kläger und der Geschäftsführer der beklagten Partei allein anwesend. Der Geschäftsführer der beklagten Partei erklärte sich bereit, den bereits im Schreiben vom 23. 10. 1995 vom Kläger an die beklagte Partei aus den Büchern der Gemeinschuldnerin bekanntgegebenen Betrag von S 9,392.124,43 zuzüglich Umsatzsteuer anzuerkennen und dem Kläger zu zahlen. Hinsichtlich des Zahlungszieles erklärte er sich bereit, die Zahlung in dem Zeitpunkt zu leisten, in dem die Ablöse tatsächlich an die beklagte Partei geflossen war. Ein bestimmter Zinssatz wurde nicht vereinbart.

Der Kläger nahm das von ihm ausdrücklich als konstitutives begehrte Anerkenntnis an. Er richtete an den Geschäftsführer der beklagten Partei ein Schreiben vom 30. 10. 1995, in dem er dieses Anerkenntnis bestätigte und ersuchte, der Geschäftsführer der beklagten Partei möge dieses Schreiben firmenmäßig rückleiten. Dies geschah auch.

In der Folge erhielt die beklagte Partei zwar die Ablösezahlung, bezahlte jedoch die klagsgegenständliche Forderung nicht an den Kläger. Nach den Unterlagen des Klägers haftete die Forderung bereits seit 1. 1. 1994 aus.

Zum Zeitpunkt des Anerkenntnisses verfügte der Kläger über keinerlei Kenntnisse der wirtschaftlichen Zusammenhänge und kannte die Forderung nur aus den Büchern der Gemeinschuldnerin. Der Geschäftsführer der beklagten Partei hatte sich nicht auf irgendwelche mangelnde Informationen berufen, sondern die Forderung voll anerkannt.

Der Kläger begehrt für die von der Gemeinschuldnerin durchgeführten Baubetreuungsarbeiten den seit 31. 12. 1993 fälligen Betrag von S 10,970.549,31 sA, wobei er vorbrachte, die beklagte Partei habe die eingeklagte Forderung auch ausdrücklich anerkannt. Die Klagsforderung werde auch auf den Titel des Anerkenntnisses einer Verbindlichkeit aus Finanzierungsgeschäften gestützt.

Die beklagte Partei wendete ein, die Gemeinschuldnerin habe den Werkvertrag nicht zur Gänze erfüllt, der Werklohn sei daher nie fällig geworden. Die von der Gemeinschuldnerin erbrachten Teilleistungen seien mangelhaft gewesen. Fakturen habe der Kläger trotz Aufforderung nicht vorlegen können. Als Werklohnforderung sei die Klagsforderung längst verjährt. Die von ihrem seinerzeitigen Geschäftsführer abgegebene Erklärung sei kein Anerkenntnis; ihr Geschäftsführer habe diese Forderung gar nicht rechtswirksam anerkennen können. Angesichts des Stammkapitals von S 500.000 und der Höhe der Forderung wäre ein Anerkenntnis als außergewöhnliche Maßnahme nur mit Zustimmung der Gesellschaft möglich gewesen. Eine ohne dieses Erfordernis abgegebene Anerkenntniserklärung sei als Handlung zum Nachteil der Gesellschaft, was auch dem Kläger offenkundig gewesen sei, unwirksam. Ihr Geschäftsführer habe bei Abgabe seiner Erklärungen auch keinerlei Kenntnis über die der angeblichen Forderung zugrunde liegenden Sachverhalte gehabt, weil er zum Zeitpunkt der Vereinbarung der Werkleistungen weder ihr Geschäftsführer noch ihr Angestellter gewesen sei. Dies sei auch dem Kläger bekannt gewesen.

Das Erstgericht gab der Klage statt; den festgestellten, bereits eingangs wiedergegebenen Sachverhalt beurteilte das Erstgericht dahin, die Voraussetzungen eines konstitutiven Anerkenntnisses seien erfüllt. Dieses bilde einen eigenen Verpflichtungsgrund, sodass die dahinterstehende Forderung und ihre Berechtigung nicht weiter zu überprüfen seien. Der Umstand, dass bezüglich der Zinsen keine endgültige Vereinbarung getroffen worden sei und die Liquidierung der anerkannten Forderung erst vom Eingang der Ablösezahlung abhängig gemacht worden sei, hindere die Wirksamkeit des Anerkenntnisses nicht. Die Fälligkeit der Forderung und der Beginn des Zinsenlaufes ergebe sich aus den Büchern der Gemeinschuldnerin. Zum Zeitpunkt der Empfangnahme des Anerkenntnisses habe der klagende Masseverwalter die wirtschaftlichen Zusammenhänge nicht gekannt, insbesondere die nunmehr aufgestellten Behauptungen, dass zwischen den Streitteilen ein gesellschaftsähnliches Verhältnis bestanden habe und dass die Forderung nicht fällig sei.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil infolge Berufung der beklagten Partei auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Es ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu, weil zur Frage der Wirkung eines Anerkenntnisses, das vom Erklärungsempfänger ausdrücklich als konstitutiv begehrt werde, um eigene Unsicherheiten zu beseitigen, eine höchstgerichtliche Rechtsprechung nicht vorliege, andererseits gerade die Situation von Masseverwaltern, die häufig mit unzureichenden Geschäftsunterlagen Forderungseintreibungen versuchen müssen, die vom Kläger praktizierte Vorgangsweise nahelege, sodass einer Klärung der beschriebenen Rechtsfrage über den Einzelfall hinaus Bedeutung zukomme.

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, ein konstitutives Anerkenntnis sei nur anzunehmen, wenn ein ernsthaft entstandener, konkreter Streit oder Zweifel über den Bestand einer Forderung durch übereinstimmende Willenserklärungen von Gläubiger und Schuldner bereinigt werden. Demgegenüber sei das Rechtsgeständnis (deklaratives Anerkenntnis) kein Leistungsversprechen, sondern eine Wissenserklärung und damit ein widerlegbares Beweismittel.

Nun ergebe sich im vorliegenden Fall auf Grund der unbekämpften Sachverhaltsfeststellungen zwar, dass weder der Kläger noch der Geschäftsführer der Beklagten eine genaue Vorstellung von Inhalt und Rechtsgrundlage der anerkannten Forderung hatten, von "Zweifeln" oder "Streitigkeiten", die durch das Anerkenntnis als bereinigenden, neuen Verpflichtungsgrund beseitigt werden sollten, sei jedoch nirgends die Rede.

Der Oberste Gerichtshof habe bereits mehrfach betont, dass es nicht auf die wahre Absicht des Erklärenden ankomme, sondern darauf, welchen Eindruck der andere aus dem Verhalten des Erklärenden redlicherweise haben müsste. Nach Ansicht des Berufungsgerichtes liege im vorliegenden Fall trotzdem nur ein deklaratives Anerkenntnis vor, weil der Kläger nicht behauptet habe, dass der Geschäftsführer der beklagten Partei je einen Zweifel am Bestand der anerkannten Forderung geäußert hätte und ein Anerkenntnis nicht dazu verwendet werden dürfe, um durch Schaffung einer abstrakten Verbindlichkeit Zweifel und Streit präventiv auszuschließen. Im Zweifel sei außerdem immer von den weniger weitreichenden Folgen des deklarativen Anerkenntnisses auszugehen.

Verneine man aber das Vorliegen eines konstitutiven Anerkenntnisses, so erweise sich die Sache als nicht spruchreif, weil das Erstgericht keine Feststellungen zum Grundgeschäft getroffen habe.

Der Rekurs des Klägers ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Das konstitutive Anerkenntnis ist ein Feststellungsvertrag, in dem eine Partei durch einseitiges Nachgeben das von ihr bezweifelte Recht des anderen Vertragsteiles in vollem Umfang zugesteht (SZ 58/29; SZ 66/11; SZ 71/94 ua; Ertl in Rummel, ABGB**2 Rz 6 zu § 1380; Harrer/Heidinger in Schwimann, ABGB**2 Rz 5 zu § 1375); es setzt die Absicht des Erklärenden voraus, unabhängig vom bestehenden Schuldgrund eine neue, selbständige Verpflichtung zu schaffen (SZ 64/35).

Hier ist diese Absicht der beklagten Partei, die durch ihren allein vertretungsbefugten Geschäftsführer vertreten war, klar zu Tage getreten.

Ein konstitutives Anerkenntnis ist überdies nur zur Bereinigung eines ernsthaft entstandenen konkreten Streites oder Zweifels über den Bestand einer Forderung möglich (SZ 71/94; Ertl in Rummel**2 Rz 6 zu § 1380 mwN).

Auch diese weitere Voraussetzung eines konstitutiven Anerkenntnisses, nämlich eine unsichere Rechtslage, die durch einseitiges Nachgeben bereinigt wird, ist hier gegeben. Der beklagten Partei lagen nämlich keine Aufzeichnungen über die vom Kläger geltend gemachte Forderung vor, für die nicht einmal eine Rechnung ausgestellt worden war. Es kann somit keineswegs davon die Rede sein, die Berechtigung der Forderung sei nicht zumindest zweifelhaft gewesen. Die Ansicht des Berufungsgerichtes, nur dann, wenn der Geschäftsführer der beklagten Partei dem Kläger gegenüber Zweifel am Bestand der anerkannten Forderung geäußert hätte, liege ein konstitutives Anerkenntnis vor, kann nicht gebilligt werden. Ein konstitutives Anerkenntnis kann nämlich nicht nur ausdrücklich, sondern auch schlüssig erfolgen. Bei der Beurteilung eines Verhaltens ist dabei der Eindruck entscheidend, den der Vertragspartner aus dem Verhalten gewinnen musste (JBl 1975, 302 ua; Harrer/Heidinger in Schwimann**2 Rz 8 zu § 1375). Im vorliegenden Fall durfte der Kläger sehr wohl annehmen, dass zwischen den Beteiligten die Höhe der Forderung strittig oder zweifelhaft war. Für die Annahme eines grundsätzlich unzulässigen abstrakten Vertrages (s hiezu Ertl in Rummel**2 Rz 6 zu § 1380; Harrer/Heidinger in Schwimann**2 Rz 6, 24 zu § 1375) besteht keine Grundlage.

Auch die weiteren Einwände der beklagten Partei sind nicht berechtigt. Es kann keine Rede davon sein, dass Erklärungen ihres Geschäftsführers für die beklagte Partei nicht verpflichtend wären. Auf Beschränkungen der Geschäftsführerbefugnis im Innenverhältnis kann sich die GmbH Dritten gegenüber nicht berufen; ein Ausnahmefall etwa einer absichtlichen Schadenszufügung seitens des Dritten durch arglistiges Zusammenwirken mit dem Geschäftsführer wurde nicht einmal behauptet (zur Vertretungsmacht des Geschäftsführers einer GmbH vgl Koppensteiner, GmbHG**2 Rz 26 zu § 20 mwN).

Da die Klagsforderung somit zu Recht besteht, konnte der Oberste Gerichtshof in der Sache entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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