Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss, der in Ansehung der Zurückweisung des Schriftsatzes der Klägerin vom 8. November 2005, GZ 2 C 854/04f-33, als unangefochten unberührt bleibt, wird im Übrigen ersatzlos aufgehoben.
Dem Gericht zweiter Instanz wird aufgetragen, über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Ebreichsdorf vom 6. Mai 2005, GZ 2 C 854/04f-27, unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund in der Sache abzusprechen. Die Rekurskosten sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.
Text
Begründung
Die Klägerin begehrte die Herausgabe mehrerer Wertsachen, die sie der Beklagten unter „der Bedingung übergeben" habe, "dass diese Sachen jederzeit zurückgefordert werden" könnten. Es liege daher ein bloßes Prekarium vor.
Die Beklagte wendete ein, die Klägerin habe ihr die Wertsachen, deren
Herausgabe begehrt werde, geschenkt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht wies den Schriftsatz der Klägerin vom 8. November 2005 „wegen des Grundsatzes der Einmaligkeit des Rechtsmittels", aber auch deren durch den Verfahrenshelfer ausgeführte Berufung gemäß § 471 Z 2 ZPO zurück. Es hielt dieses Rechtsmittel, in dem lediglich eine Beweisrüge ausgeführt wurde, unter Berufung auf die zu RIS-Justiz RS0041835 dokumentierte Kette an Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs und die Ansicht E. Kodeks (in Rechberger², § 471 ZPO Rz 8) für nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil die Rechtsmittelausführungen nicht erkennen ließen, „welche konkrete(n) Tatsachenfeststellungen nach Ansicht der Berufungswerberin zu treffen gewesen wären". Soweit in der Berufung betont werde, „die Wertgegenstände" seien „der Beklagten lediglich leihweise bzw prekaristisch übergeben worden", handle „es sich ... um eine rechtliche Beurteilung". Auf Grund „welcher Feststellungen diese rechtliche Beurteilung hätte erfolgen sollen" und infolge „welcher Beweisergebnisse und Erwägungen diese Feststellungen zu treffen gewesen wären", sei der Berufung dagegen nicht zu entnehmen. Über die Berufung könne daher nicht in der Sache abgesprochen werden. Der Rekurs der Klägerin, der sich erkennbar nicht auch gegen die Zurückweisung des Schriftsatzes vom 8. November 2005 richtet, ist gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässig; er ist auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Dem Gericht zweiter Instanz ist zunächst zuzubilligen, dass die Beweisrüge der Klägerin einer klaren argumentativen Gliederung entbehrt, wie sie in der Rsp des Obersten Gerichtshofs (RIS-Justiz RS0041835), aber auch im Schrifttum (E. Kodek aaO; Pimmer in Fasching/Konecny² IV/1 § 467 ZPO Rz 40; im Kern ebenso Fasching in Fasching/Konecny² IV/1 Einl Rz 78) als Voraussetzung einer gesetzmäßigen Ausführung des erörterten Berufungsgrunds gewöhnlich verlangt wird. Allerdings ist festzuhalten, dass die inhaltlichen Anforderungen, denen Rechtsmittel nach allgemeinen Leitlinien entsprechen sollen, durch die Rechtsentwicklung ausgezehrt und so auf ein niedriges, eigentlich nicht mehr verfehlbares Anforderungsprofil abgesenkt wurden (Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 Vor §§ 514 ff ZPO Rz 13, 87; vgl etwa zur Revision ferner § 506 ZPO Rz 7 f).
2. Obgleich in der Berufung der Klägerin eingangs der Beweisrüge nur ein konkreter Teil der Beweiswürdigung des Erstgerichts zu einem bestimmten Schmuckstück als „Feststellung" bekämpft wird, ist doch aus den weiteren Ausführungen zu schließen, dass Gegenstand des Rechtsmittels die zentralen Feststellungen des Erstgerichts sind, es seien „alle streitgegenständlichen Schmuckstücke bzw Wertgegenstände
... der Beklagten von der Klägerin selbst bzw in deren Auftrag von
Mag. ... mit der Absicht übergeben" worden, „ihr diese Gegenstände zu
schenken", und es habe die Beklagte „die Übergabe aller dieser Wertgegenstände auch als Geschenke" aufgefasst. Es finden sich im Rechtsmittel überdies Erörterungen zum mangelnden Beweiswert bestimmter Aussagen im Gegensatz zu der aus bestimmten Gründen als „durchaus gläubwürdig" bezeichneten Aussage der Klägerin, „die streitgegenständlichen Gegenstände" der Beklagten bloß „leihweise übergeben" zu haben. Das Erstgericht hätte daher den Schluss ziehen „können" - erkennbar gemeint ist: „müssen" -, "dass die streitgegenständlichen Pretiosen bzw die Silberschale lediglich in prekaristischer Absicht der Beklagten übergeben worden" sei.
3. Auf dem Boden der unter 1. erläuterten Rechtslage und des zu 2. behandelten Inhalts der Berufung tritt der Oberste Gerichtshof der Ansicht der zweiten Instanz über den Mangel einer gesetzmäßigen Ausführung dieses Rechtsmittels als Hindernis für seine meritorische Erledigung nicht bei. Unzutreffend ist insofern die Auffassung der zweiten Instanz, die Klägerin habe letztlich nur die Feststellung einer rechtlichen Beurteilung begehrt. Der Begriff „Leihe" ist Teil des allgemeinen Sprachgebrauchs. Unter diesem Begriff wird landläufig die unentgeltliche, in manchen Zusammenhängen - so etwa beim Begriff „Leihwagen" - auch die entgeltliche Überlassung einer Sache zum befristeten Gebrauch verstanden. Es kann daher nicht zweifelhaft sein, welche Tatsachenfeststellungen die Berufungswerberin anstrebt. Es betrifft insofern auch die Frage nach einer bestimmten „Absicht" einer Person eine feststellungsfähige Tatsache.
Dem Rekurs ist somit Folge zu geben, ohne dass noch auf die Frage einzugehen ist, welcher der Gründe gemäß § 471 ZPO im Fall der Zurückweisung einer Berufung wegen nicht gesetzmäßiger Ausführung einschlägig wäre.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.
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