Spruch:
Der Gemeinschuldner hat in einem die Konkursmasse betreffenden Exekutionsverfahren kein Rekursrecht.
Entscheidung vom 9. Juli 1959, 3 Ob 283/59.
I. Instanz: Bezirksgericht Tulln; II. Instanz: Kreisgericht St. Pölten.
Text
Johann H. befindet sich seit 1. Oktober 1958 im Konkurs (S 69/58 des Handelsgerichtes Wien). Der Erstrichter hat der betreibenden Partei auf Grund des Auszuges aus dem Anmeldungsverzeichnis des Handelsgerichtes Wien vom 19. März 1959, S. 69/58-947, über eine in der dritten Klasse der Konkursgläubiger festgestellte Forderung der betreibenden Partei von 205.555.541 S 36 g auf Grund der ob der Liegenschaft EZ. 888 Grundbuch der Katastralgemeinde W. in COZ. 75 und ob der Liegenschaft EZ. 1339 derselben Katastralgemeinde in COZ. 1 je mit Rang vom 30. Dezember 1957 einverleibten Kredithöchstbetragshypothek von 215.000.000 S und auf Grund der Behauptung im Zwangsversteigerungsantrag, daß die im Konkurs angemeldete Forderung durch die vorgenannten Pfandrechte hypothekarisch gesichert sei, gegen Johann H. zur Hereinbringung eines Betrages von 1.000.000 S die Zwangsversteigerung der vorgenannten Liegenschaften bewilligt. Der Beschluß wurde unter anderem dem Masseverwalter am 24. April 1959 und dem Liegenschaftseigentümer Johann H. am 29. April 1959 zugestellt.
Dem nur von Johann H. erhobenen Rekurs gab das Rekursgericht Folge und wies den Zwangsversteigerungsantrag ab.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der betreibenden Partei Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und wies den Rekurs des Gemeinschuldners gegen den erstgerichtlichen Beschluß zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Zuerst war die Frage der Rekurslegitimation des Gemeinschuldners zu prüfen.
Durch die Eröffnung des Konkurses wird gemäß § 1 KO. das gesamte der Exekution unterworfene Vermögen des Gemeinschuldners darunter insbesondere auch die ihm gehörigen Liegenschaften, seiner freien Verfügung entzogen. Dieser Entzug ist nicht nur im Sinn des § 1 Abs. 2 KO. ein tatsächlicher, sondern auch ein rechtlicher. Alle Rechtshandlungen des Gemeinschuldners nach der Konkurseröffnung, welche die Konkursmasse betreffe, sind den Konkursgläubigern gegenüber gemäß § 3 Abs. 1 KO. unwirksam. Der Mangel der Verfügungsfähigkeit ist, wie der Mangel der Prozeßfähigkeit im Zivilprozeß (§ 6 ZPO.), von Amts wegen zu beachten (Bartsch - Pollak. Konkursordnung, 3. Aufl. I S. 69). Der Masseverwalter ist im Sinn der §§ 81, 83 KO. der gesetzliche Stellvertreter des Gemeinschuldners hinsichtlich des Konkursvermögens (Bartsch - Pollak a. a. O. S.402). Besteht an bestimmten Vermögensstücken des Gemeinschuldners für einzelne Gläubiger ein Absonderungsrecht, so wird dieses gemäß § 11 KO. durch die Konkurseröffnung nicht berührt. Die betroffenen Vermögensstücke bilden nach § 48 KO. eine Sondermasse. Auf diese haben die absonderungsberechtigten Gläubiger gemäß § 120 KO. ein eigenes Recht auf Veräußerung nach der EO., das mit dem Verwertungsrecht des Masseverwalters konkurrieren kann, aber nicht konkurrieren muß (Bartsch - Pollak a. a. O. S. 550).
Im vorliegenden Fall wird die Zwangsversteigerung von zur Konkursmasse gehörigen Liegenschaften allein von einem absonderungsberechtigten Gläubiger betrieben. Es liegt somit kein Fall einer kridamäßigen Verwertung vor, die gemäß § 115 KO. zu den Amtsobliegenheiten des Masseverwalters gehört (Bartsch - Pollak a. a. O. S. 550). Es handelt sich vielmehr um eine reine Exekutionssache. Da bei der Exekutionsführung eines absonderungsberechtigten Gläubigers auf Vermögensstücke der Konkursmasse während des anhängigen Konkurses der Masseverwalter im Sinne der obigen Ausführungen der gesetzliche Vertreter des Gemeinschuldners ist, kann in solchen Fällen der Gemeinschuldner nicht selbst als Verpflichteter auftreten, da es im Exekutionsverfahren nur einen Verpflichteten geben kann; er kann auch nicht als Beteiligter im Exekutionsverfahren auftreten. Auf diese Grundsätze stützt sich auch die Entscheidung SZ. XXVII 13, mit der in einer reinen Exekutionssache ein Rekursrecht des Gemeinschuldners gegen eine Exekutionsbewilligung verneint wurde. Wenn der Oberste Gerichtshof in Fällen kridamäßiger Versteigerungen dem Gemeinschuldner in einzelnen Phasen des Versteigerungsverfahrens ein Rekursrecht zubilligte (SZ. XIII 58, XIX 68), wurde die Rekurslegitimation des Gemeinschuldners aus § 176 KO. abgeleitet, welche Bestimmung in reinen Exekutionssachen nicht anzuwenden ist. In der Entscheidung SZ. XIX 68 wird ausdrücklich auf Bartsch - Pollak a. a. O. S. 49 verwiesen, wo aus dem Gesichtspunkt der Unwirksamkeit von Rechtshandlungen des Gemeinschuldners über das Massevermögen (§ 3 Abs. 1 KO.) ein Rekursrecht des Gemeinschuldners, insbesondere in Exekutionssachen, abgelehnt und in Anm. 20 auf vereinzelt gebliebene, gegenteilige Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes verwiesen wird. In den Exekutionssachen betreffenden Entscheidungen SZ. XVI 64 und EvBl. 1953 Nr. 19 wurde das Rekursrecht des Gemeinschuldners in der Hauptsache wieder mit konkursrechtlichen Bestimmungen begrundet, die aber nach der neueren Rechtsprechung auf Exekutionssachen nicht anzuwenden sind (SZ. XIV 119 behandelt nur das Recht des Gemeinschuldners zur Stellung eines Einstellungsantrages). Auch Petschek nimmt in seiner Besprechung der im ZBl. 1934 Nr. 197 ebenfalls publizierten Entscheidung SZ. XVI 64 einen gleichen Standpunkt wie Bartsch - Pollak ein. Kämen Gemeinschuldner und Masseverwalter als Verpflichtete in Frage, so würden sich im Exekutionsverfahren erhebliche, vielleicht oft unlösbare Schwierigkeiten ergeben, etwa bezüglich des Beginnes des Laufes der Rekursfrist bei Zustellung an den Masseverwalter und den Gemeinschuldner an verschiedenen Tagen (wie vorliegend am 24. April und am 29. April), der Legitimation zur Erhebung von Klagen nach §§ 35, 36 EO. (- es könnten sonst allenfalls sowohl der Gemeinschuldner als auch der Masseverwalter eine solche Klage einbringen -), der Stellung von Anträgen durch den Gemeinschuldner im Exekutionsverfahren etwa bei der Schätzung, den Versteigerungsbedingungen oder im Sinne der §§ 200 Z. 4, 201 EO., bei der Beteiligung an Verhandlungen in Streitigkeiten nach den §§ 35 bis 37 EO.; bei Unmöglichkeit der Zustellung an den Gemeinschuldner müßte für ihm allenfalls ein Kurator bestellt werden, obgleich bereits ein Masseverwalter tätig ist.
Der Gemeinschuldner kann daher im vorliegenden Fall auch aus der bloßen Tatsache der Zustellung des erstgerichtlichen Beschlusses an ihn seine Rekurslegitimation nicht ableiten.
Aus den vorstehenden Gründen hat das Rekursrecht zu Unrecht über den Rekurs des Gemeinschuldners in der Sache eine Entscheidung getroffen. Es hätte vielmehr den Rekurs des Gemeinschuldners mangels Legitimation als unzulässig zurückweisen und die Rechtskraft des von keiner berechtigten Person angefochtenen Zwangsversteigerungsbewilligungsbeschlusses von Amts wegen beachten müssen (§§ 425, 240, 411 ZPO.; § 78 EO.). An Stelle des Rekursgerichtes hatte der Oberste Gerichtshof auf Grund des zulässigen Revisionsrekurses der betreibenden Partei zur Wahrung der Rechtskraft des erstgerichtlichen Zwangsversteigerungsbeschlusses den nichtigen Beschluß des Rekursgerichtes unter Zurückweisung des Rekurses des Gemeinschuldners aufzuheben. Es erübrigt sich daher, auf die materielle Einwendung einzugehen.
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