Normen
Geschäftsordnung für die Gerichte I, und II. Instanz §241
JN §1
StPO §381
StPO §383
Geschäftsordnung für die Gerichte I, und II. Instanz §241
JN §1
StPO §381
StPO §383
Spruch:
§ 381 StPO. enthält eine erschöpfende Aufzählung der Kosten des Strafverfahrens und umfaßt nicht Aufwendungen des Privatanklägers infolge Beschäftigung eines Detektivinstitutes. Der Ersatz solcher Aufwendungen kann daher im ordentlichen Rechtswege vom Angeklagten begehrt werden.
Entscheidung vom 22. November 1950, 3 Ob 283/50.
I. Instanz: Bezirksgericht Hietzing; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Das Erstgericht hat das auf Zahlung eines Geldbetrages gerichtete Klagebegehren mit der Begründung abgewiesen, daß es sich bei dem angesprochenen Betrag um Kosten des Strafverfahrens handle, deren Ersatz die Klägerin nur im Strafverfahren begehren könne.
Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und trug dem Erstgerichte eine neue Entscheidung mit der Begründung auf, daß die Klägerin eine Schadenersatzforderung ex delicto behaupte, daher für ihren privatrechtlichen Anspruch jedenfalls der ordentliche Rechtsweg offenstehe.
Nach Ergänzung des Verfahrens wies das Erstgericht das Klagebegehren abermals ab, diesmal mit der Begründung, daß durch die Hingabe eines Betrags von 1000 RM zur Bezahlung "auch verschiedener anderer Verpflichtungen" auch der für die Inanspruchnahme eines Detektivbüros durch die Klägerin entstandene Aufwand gedeckt sei.
Aus Anlaß der nun von der klagenden Partei gegen dieses Urteil ergriffenen Berufung hob das Berufungsgericht, offenbar im Hinblick auf die mittlerweile in einer anderen Rechtssache des Landesgerichtes für ZRS. Wien ergangenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, SZ. XXII/171, das angefochtene Urteil und das ihm vorangegangene Verfahren als nichtig auf, wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück und hob die Kosten gegenseitig auf.
Der Oberste Gerichtshof gab den Rekursen beider Streitteile Folge und trug dem Berufungsgerichte die sachliche Entscheidung über die Berufung der Klägerin auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Rekurs der beklagten Partei ist an sich zulässig, da die beklagte Partei, abgesehen von ihrem Interesse am Ausspruche über die Kosten, ein rechtliches Interesse daran hat, daß die Rechtssache im Rechtswege endgültig entschieden wird. In diesem Rekurse wird vor allem geltend gemacht, daß das Berufungsgericht seine im Aufhebungsbeschluß ausgesprochene Rechtsansicht nicht ändern durfte, sondern daran gebunden war.
Es kann davon abgesehen werden, diese Frage zu erörtern, da der Oberste Gerichtshof infolge der erhobenen Rekurse selbst die Rechtsfrage zu erörtern hatte und, wie im nachstehenden ausgeführt wird, zu dem Ergebnis kam, daß der Rechtsweg zulässig ist.
Es ist eine in Lehre (Gleispach, Lohsing u. a.) sowie in der Rechtsprechung (KH. 521 u. a.) unbestrittene Rechtsansicht, daß Kosten des Strafverfahrens nicht vor dem Zivilrichter geltend gemacht werden dürfen und insbesondere der Anspruch auf Ersatz solcher Kosten vom Strafrichter nicht an den Zivilrichter gewiesen werden darf.
Im vorliegenden Fall kommt es sonach darauf an, ob die von der klagenden Partei eingeklagten Aufwendungen für die Inanspruchnahme eines Detektivbüros als Kosten des Strafverfahrens anzusehen sind. Die Entscheidung SZ. XIV/76, wie auch die oben angeführte Entscheidung SZ. XXII/171, bejahen diese Frage und kommen daher zu dem Ergebnis, daß auch Kosten der Art, wie sie hier in Frage kommen, unter die vom Unterliegenden zu ersetzenden Kosten des Strafverfahrens fallen. Der Oberste Gerichtshof sieht sich jedoch veranlaßt, von dieser Rechtsansicht abzugehen, und zwar aus nachstehenden Erwägungen:
Die ursprüngliche Fassung des Einleitungssatzes des § 381 StPO.: "Zu denjenigen Kosten des Strafverfahrens, rücksichtlich welcher eine Vergütung von Seite des Beschuldigten stattfinden kann, gehören .....", ließ die in der Note der Generalprokuratur vom 15. April 1891, Z. 723 (siehe Amschl, II/88) und in wiederholten Entscheidungen (KH. 2074, 3888 u. a.) vertretene Ansicht, daß die Aufzählung der Kosten des Strafverfahrens im Gesetze nicht erschöpfend erfolgt sei, begrundet erscheinen. So auch Lohsing, 2. Aufl., S. 588, und die Entscheidung SZ. XIV/76.
Der durch das Bundesgesetz vom 8. Juli 1925, BGBl. Nr. 233, geänderte Wortlaut des Einleitungssatzes des § 381 StPO.: "Die Kosten des Strafverfahrens, die von der zum Kostenersatze verpflichteten Partei zu vergüten sind, umfassen .....", läßt diese Auffassung jedoch nicht mehr zu. So bezeichnet denn auch Gleispach als Kosten des Strafverfahrens "nur die vom Gesetze bezeichneten Kosten, die mit einem bestimmten Strafverfahren, einschließlich der Vollstreckung des Strafurteiles, verbunden sind". Auch Lohsing sagt in der dritten Auflage, Seite 437, daß die Aufzählung der Kosten des Strafverfahrens im § 381 StPO. erschöpfend ist.
Es ergibt sich sonach aus § 381 StPO. unter Beachtung der dort erschöpfend aufgezählten Kosten des Strafverfahrens, daß als solche nur die unmittelbar mit dem Strafverfahren und dem Strafvollzug in Zusammenhang stehenden Kosten zu verstehen sind, sonach nicht Aufwendungen, die außerhalb des Strafverfahrens liegen. Insbesondere bestimmt § 381 Z. 1 StPO., daß "ein Pauschalbetrag als Anteil an den im folgenden" (d. h. also in Z. 2 bis 9 des § 381) "nicht besonders angeführten Kosten der Strafrechtspflege einschließlich der Kosten von Amtshandlungen der Sicherheitsbehörden und ihrer Organe im Dienste der Strafjustiz" unter diese Kosten fällt. Als Kosten der Strafrechtspflege aber bezeichnet § 241 Geo. alle Aufwendungen für Zwecke des Strafverfahrens, des Strafvollzuges und der Vollziehung der Unterbringung in einem Arbeitshause.
Für Aufwendungen der Art, wie sie im vorliegenden Fall durch die Inanspruchnahme eines Detektivinstitutes vor Einleitung eines Strafverfahrens entstanden sind, ist im Rahmen der Bestimmungen des § 381 StPO. kein Raum. Derartige Aufwendungen fallen, auch wenn das Ergebnis der Erhebungen erst die Einleitung des Strafverfahrens ermöglichte, ebensowenig unter die Kosten des Strafverfahrens, wie etwa die Kosten der Einrichtung einer Alarmanlage, die jemand, in dessen Räumen wiederholt Einbrüche verübt wurden, zu dem Zwecke errichten ließ, um den Täter zu ertappen.
Wenn sonach derartige Aufwendungen nicht als Kosten des Strafverfahrens im Sinne des § 381 StPO. angesprochen werden können, ist zur Entscheidung darüber, ob sie dem Privatankläger zu vergüten sind, auf keinen Fall der Strafrichter zuständig, da diesem nur die Bestimmung der in § 381 StPO. bezeichneten Kosten zusteht. Dem Privatankläger, der einen Anspruch auf Ersatz derartiger Aufwendungen erhebt, kann dessen Geltendmachung im ordentlichen Rechtswege nicht verwehrt werden.
Im vorliegenden Verfahren war durch den Obersten Gerichtshof jedoch nur diese Frage zu entscheiden, nicht aber auch, ob und aus welchem Rechtsgrunde etwa der Klägerin der Klageanspruch zugesprochen werden kann. Insbesondere wird durch die vorliegende Entscheidung die in der Entscheidung SZ. XIV/76 ausgesprochene Rechtsansicht hinsichtlich derartiger Kosten, soweit sie einen Zivilrechtsstreit betreffen, nicht berührt und ebenso nicht an dem in den Entscheidungen KH. 2074, 2778, 2948, 3888 u. a. ausgesprochenen Grundsatz gerüttelt, daß der seine Sache selbst führende Privatankläger keinen Anspruch auf Ersatz des Aufwandes an Zeit, Mühe und Kosten, sondern nur auf Ersatz der Kosten einer wirklich stattgefundenen Vertretung hat, da dies aus den Bestimmungen des § 383 Abs. 5 StPO. im Zusammenhalte mit den Bestimmungen des § 381 Z. 4 StPO. hervorgeht und es sich hiebei tatsächlich um Kosten des Strafverfahrens handelt, die aber vermöge besonderer gesetzlicher Regelung von der Vergütung ausgenommen sind.
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