OGH 3Ob279/01b

OGH3Ob279/01b26.6.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann V*****, vertreten durch Dr. Leopold Boyer, Rechtsanwalt in Zistersdorf, wider die beklagte Partei Edeltraud V*****, vertreten durch Dr. Heide Strauss, Rechtsanwältin in Gänserndorf, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO; Streitwert 182.400 S [= 13.255,52 EUR] sA), infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 12. Juli 2001, GZ 44 R 215/01w-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 19. Februar 2001, GZ 24 C 55/00p-11, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Ehe der Streitteile wurde mit Urteil vom 7. Mai 1999 gemäß § 55 Abs 1 EheG geschieden und dabei gemäß § 61 Abs 3 EheG ausgesprochen, dass den Kläger das Verschulden treffe. Noch während aufrechter Ehe wurde der Kläger mit Urteil vom 25. Juli 1997 verpflichtet, der Beklagten ab 1. Juli 1996 einen monatlichen Unterhalt von 15.200 S zu bezahlen. Das Erstgericht bewilligte mit Beschluss vom 27. Jänner 1999 der Beklagten die Forderungsexekution zur Hereinbringung eines Unterhaltsrückstands von 96.000 S und des laufenden Unterhalts von 8.400 S monatlich ab 1. Dezember 1998 (Differenzanspruch).

Der Kläger stellte mit Klage gemäß § 35 EO folgendes Urteilsbegehren:

"Die Exekution gemäß Exekutionsbewilligung des Bezirksgerichts

Floridsdorf vom 27. Jänner 1999 GZ... ist zur Gänze unzulässig, der

Anspruch aus dem Urteil des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 25. Juli

1997 GZ... ist erloschen, bzw in Abänderung dieses Urteils des

Bezirksgerichts Floridsdorf wird der Unterhaltsanspruch und

Unterhaltsbeitrag der Beklagten beginnend ab 1. April 2000 mit

monatlich 2.115,60 S bis auf weiters festgelegt". Zur Begründung

brachte er im Wesentlichen vor, aufgrund seines Einkommens von 23.289

S monatlich (inklusive der anteiligen Sonderzahlungen) und des

Einkommens der Beklagten von 12.000 S ergebe sich ein

Unterhaltsbeitrag von 2.115,60 S; die Exekution sei daher zumindest

ab 1. 4. 2000 unzulässig, weil sich höchstens dieser

Unterhaltsanspruch der Beklagten ergebe.

Das Erstgericht wies beide Klagebegehren ab, wobei es das zweite Begehren als Eventualbegehren bezeichnete; bei Ermittlung des Einkommens des Klägers, der Angestellte der OMV-AG war und im 52. Lebensjahr im März 1998 im Rahmen eines Sozialplans gekündigt wurde, berücksichtigte das Erstgericht insbesondere, dass er anlässlich dieser Kündigung eine Abfertigung auf Basis von 12 Monatsbezügen von netto 878.240 S erhielt. Bis zur Auszahlung seiner ASVG-Pension bezieht der Kläger eine Überbrückungszahlung, die brutto bis März 1999 etwa 29.200 S, danach bis Februar 2000 etwa 23.285 S und seit März 2000 23.425 S ausmacht; diese Überbrückungszahlung wird 14 x jährlich ausbezahlt. Zusätzlich bezog der Kläger vom Mai 1998 bis Mai 1999 Arbeitslosenentgelt von täglich 465,40 S. Weiters erhielt der Kläger, der zusätzlich zur ASVG-Pension auch eine Firmenpension erhalten wird, im April 1999 eine Pensionsabfindung von etwa 717.000 S netto, um zukünftige Pensionsanhebungen dieser Firmenpension abzudecken. Das Erstgericht teilte sowohl die Abfertigung als auch die Pensionsabfindung auf drei Jahre auf, weil sich aus der außergewöhnlichen Höhe der Abfertigung ergebe, dass sie für den Kläger keineswegs die Funktion einer Überbrückungshilfe bis zum Antritt der nächsten Arbeitsstelle habe; der Kläger habe weiters eine monatliche Überbrückungszahlung erhalten. Abfertigung und - ebenfalls außergewöhnlich hohe - Pensionsabfindung seien daher jeweils auf 36 Monate aufzuteilen und daher in dieser Höhe als unterhaltswirksam in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Dies ergibt Monatsbeträge von 24.395 S bzw 19.916 S und unter Hinzurechnung des Durchschnittsnettoeinkommens des Klägers ein monatliches Einkommen des Klägers von 68.290 S. Dem steht ein monatliches Einkommen der Beklagten von 12.250 S gegenüber, somit ein Gesamtfamilieneinkommen von 80.540 S. Daraus errechne sich nach Ansicht des Erstgerichts ein monatlicher Unterhaltsanspruch der Beklagten von 19.950 S (40 % von 80.540 S = 32.200 S abzüglich 12.250 S). Eine Herabsetzung des Unterhalts sei daher nicht möglich.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil über Berufung des Klägers auf und verwies die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück; es sprach aus, der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil zu der hier entscheidenden Frage der Aufteilung von Einmalzahlungen unterschiedliche Rsp des Obersten Gerichtshofs vorliege; weiters werde von einer wiederholten Rsp des 3. Senats des Obersten Gerichtshofs (insbesondere 3 Ob 308/99k) abgegangen. In rechtlicher Hinsicht führte die zweite Instanz aus, die Frage, wie gesetzliche Abfertigungen oder andere Einmalzahlungen mit Entgeltcharakter bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen seien, könne nur nach den konkreten Umständen des Einzelfalls beantwortet werden. Auszugehen sei von der Maßstabsfigur des pflichtbewussten Familienvaters. Da hier aufgrund des Ausspruchs nach § 61 Abs 3 EheG bei einer Scheidung nach § 55 Abs 1 EheG der Kläger der Beklagten Unterhalt wie bei aufrechter Ehe schulde, sei daher zu fragen, wie der Kläger als Ehegatte sein Einkommen verwenden würde, um zur Deckung der den Lebensverhältnissen der Streitteile angemessenen Bedürfnisse gemeinsam beizutragen (§ 94 Abs 1 ABGB). Es sei darauf abzustellen, von welchen realistischen Entwicklungen in der Zukunft der Unterhaltspflichtige ausgehen könne. Auch die Pensionsabfindung, die hier nicht eine Abschlagszahlung für eine Firmenpension in ihrer Gesamtheit, sondern nur für zukünftige Aufwertungen einer solchen Pension darstelle, werde von dem oben genannten Maßstabsmenschen nicht einfach linear zur Auffüllung des nach Beendigung des Dienstverhältnisses erlangten Einkommens auf das bisherige Einkommen herangezogen werden, sondern derart, dass dieser Betrag entsprechend den Zukunftserwartungen zur Sicherung der Existenz beitragen könne. Nicht ausgeschlossen sei, dass im Einzelfall an eine derartige Verwendung sachgerecht sei. Es komme daher bei der Beantwortung der Frage nach der angemessenen Berücksichtigung der vom Kläger erhaltenen Zahlungen auf folgende Umstände an:

a) Welche Einkommen des Klägers und der Beklagten machten ihre "Lebensverhältnisse" vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers aus?

b) Welche Einkommen erzielten beide nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers?

c) Hatte der Kläger nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen neuen Arbeitsplatz in Aussicht oder musste er von der Erwartung ausgehen, dass bis zum Eintritt in die Pension - abgesehen von den Einmalzahlungen seines Arbeitgebers - lediglich die Überbrückungszahlung und (für ein Jahr) das Arbeitslosengeld sein einziges Einkommen darstellen werde?

d) Mit welchen gesetzlichen und betrieblichen Pensionszahlungen habe der Kläger und die Beklagte ab wann zu rechnen?

e) Habe die Beklagte mit einer allenfalls ihr zustehenden Abfertigung zu rechnen?

In diesem Zusammenhang sei die Rüge des Berufungswerbers berechtigt, dass das Erstgericht keine Feststellungen über sein vor Pensionsantritt bezogenes Einkommen getroffen habe. Im Übrigen wies das Berufungsgericht darauf hin, dass Unklarheiten der Klagserzählung und des Klagebegehrens richtig zu stellen seien.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Klägers gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts ist entgegen dessen Ausspruch, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist, nicht zulässig. Die dem Unterhaltsberechtigten zukommende Abfertigung ist als Eigeneinkommen zu berücksichtigen (ÖA 1996, 99; 1 Ob 2266/96h = RZ 1997/64 ua; RIS-Justiz RS0106846); es ist nach den konkreten Umständen des Einzelfalls und den Lebensverhältnissen des Unterhaltsberechtigten und des Unterhaltsverpflichteten aufzuteilen (RIS-Justiz RS0009667).

Entgegen der vom Kläger in seinem Rechtsmittel vertretenen Ansicht

ist die nach dem Gesetz zustehende Abfertigung bei Ermittlung der

Unterhaltsbemessungsgrundlage keineswegs immer auf so viele Monate

aufzuteilen, wie sie Monatsentgelten entspricht, sondern es ist ganz

einzelfallabhängig zu untersuchen, in welcher konkreten

Lebenssituation der Unterhaltsverpflichtete in den Genuss einer

relativ hohen Abfertigung gelangt. Dass die zweite Instanz davon

ausging, es sei darauf abzustellen, von welchen realistischen Entwicklungen in der Zukunft ein Unterhaltspflichtiger ausgehen könne, ist ebensowenig zu beanstanden wie der als maßgeblich erachteten Beurteilung, es komme darauf an, ob die Einmalzahlung bloß der Überbrückung einer für den Unterhaltspflichtigen einschätzbaren Zeitspanne bis zur Erlangung eines bestimmten vorhersehbaren Einkommens dient oder aber bei einer Zukunftsprognose ohne weiteres Einkommen und einer deutlich unter dem bisherigen Einkommen liegenden Pension. Hat aber das Berufungsgericht, von einer richtigen Rechtsansicht ausgehend, eine weitere Aufklärung des maßgeblichen Sachverhalts als erforderlich erachtet, so kann der Oberste Gerichtshof, der ja nicht Tatsacheninstanz ist, der aufgetragenen Verfahrensergänzung nicht entgegentreten (1 Ob 342/97v uva; RIS-Justiz RS0043414).

Die endgültige Entscheidung über die Aufteilung der dem Kläger zugekommenen Einmalzahlungen kann erst nach Erörterung der vom Berufungsgericht dargelegten Fragen mit den Parteien erfolgen. Auch zu den vom Berufungsgericht zutreffend aufgeworfenen Fragen der Unklarheit des Vorbringens und des Klagebegehrens kann ebenfalls erst nach Erörterung mit den Parteien Stellung genommen werden. Das Rechtsmittel ist demnach zurückzuweisen.

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