Normen
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §426
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §428
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §426
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §428
Spruch:
Zum Eigentumserwerb beim Abstockungsvertrag (Nutzholz am Stamm).
Entscheidung vom 4. Feber 1953, 3 Ob 27/53.
I. Instanz: Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.
Text
Im Zuge der Verlassenschaftsabhandlung nach der am 22. Jänner 1949 verstorbenen Maria N. (der Schwester der Klägerin und Gattin des Beklagten) kamen die Streitparteien dahin überein, daß die Klägerin für ihren Erbteil aus einer bestimmten in den Nachlaß gehörigen Waldparzelle 210 Festmeter Nutzholz am Stamm (Fichte) von 20 cm aufwärts innerhalb eines Zeitraumes von 10 Jahren zu erhalten habe. Bei Selbstschlägerung war die vorherige Verständigung des Beklagten zum Zwecke der Beaufsichtigung der Schlägerung vorgesehen.
Mit der Begründung, daß sie das laut Erbübereinkommen ihr zustehende Holz noch nicht erhalten habe und der Beklagte die Herausgabe verweigere, begehrt die seit 19. Jänner 1950 wegen Geistesschwäche beschränkt entmundigte Klägerin, den Beklagten schuldig zu erkennen, ihr 210 Festmeter Fichtennadelholz von 20 cm aufwärts in der Schlägerungszeit 1952 zu übergeben.
Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab. Er stellte folgenden Sachverhalt fest: Am 27. April 1950 richtete Ferdinand K., der Beistand der Klägerin, an den Beklagten ein Schreiben, in dem er ihn ersuchte, Käufer für das der Klägerin zustehende Nutzholz namhaft zu machen, da er in kürzester Zeit mit der Schlägerung beginnen werde. Der Beklagte trat mit verschiedenen Interessenten in Verbindung, doch wurde die Angelegenheit in dieser Richtung nicht weiter verfolgt. Denn inzwischen war bei Ferdinand K. dessen mittlerweile verstorbener Ziehsohn Johann G. erschienen, der sich als Holzeinkäufer der Firma C. & Co. in Bozen ausgab. Mit diesem wurde Ferdinand K. handelseinig und verkaufte die gegenständlichen 210 Festmeter Holz. Es wurde vereinbart, daß Johann G. nach Erhalt des Geldes durch die Firma den Kaufpreis erlegen sollte. Ferdinand K., Johann G. und ein Holzarbeiter namens Josef T. erschienen anfangs Mai 1950 beim Beklagten, dem Ferdinand K. mitteilte, daß mit den Schlägerungsarbeiten begonnen werde. Dabei deutete er dem Beklagten das Verhältnis zwischen ihm und Johann G. an. Die genannten Personen begaben sich mit dem Beklagten in den Wald, wo der Beklagte, der mit der Schlägerung einverstanden war, die Schlägerungsstelle bezeichnete. Nach behördlicher Genehmigung der Schlägerung wurde das zu schlägernde Waldstück durch Anpletzen der Grenzbäume markiert. Mit der Schlägerung wurde alsbald begonnen. Ungefähr 14 Tage später kam Johann G. mit zwei Angestellten der Firma K. & K., die sich bei dem Beklagten über die rechtliche Herkunft des Holzes erkundigten. Der Beklagte bestätigte den Bestand des Erbübereinkommens und die Tatsache, daß er Eigentümer der Liegenschaft sei. Johann G. hatte nämlich inzwischen mit der Firma K. & K. abgeschlossen, von der er auch eine Anzahlung von 25.000 S erhalten hatte, die er für sich verbrauchte. Ferdinand K. versuchte in der Folge den Vertrag mit Johann G., der ihm gegenüber verschwiegen hatte, daß er anstatt mit C. & Co. mit K. & K. abgeschlossen habe, irgendwie zu stornieren. Am 9. Juli 1950 schrieb er dem Beklagten, er soll das Holz auf keinen Fall übergeben, worauf der Beklagte dem Sinne nach antwortete, das Holz gehe ihn nichts an. Im Juli 1950 wurde das Holz nach Abmaß von der Firma K. & K. übernommen. Ferdinand K. klagte sodann namens der Klägerin die Firma K. & K. auf Übergabe von 210 Festmetern Fichtenrundholz, wurde aber mit seinem Klagebegehren abgewiesen (Akt 14 Cg 98/51 des Landesgerichtes Klagenfurt).
In rechtlicher Beziehung ging der Erstrichter davon aus, daß die Vornahme der Schlägerung mit Zustimmung des Beklagten sich als wirksamer Übergabeakt des gegenständlichen Holzes im Sinne des § 426 ABGB. darstelle, wodurch die klagende Partei an den streitgegenständlichen 210 Festmetern Holz Eigentum erworben habe, weshalb ihr Anspruch aus dem Erbübereinkommen vom 1. Dezember 1949 erloschen sei. Die Behauptung der Klägerin, daß eine Übergabe des Holzesnach dessen Schlägerung vereinbart worden sei, nahm der Erstrichter nicht als erwiesen an. Dagegen spreche schon der Inhalt des Erbübereinkommens, wonach der Klägerin "Holz am Stamm" zugesichert war und bei Selbstschlägerung dem Beklagten nur das Recht der Beaufsichtigung der Schlägerung eingeräumt war. Auch aus der Tatsache, daß nach der Beendigung der Schlägerung ein Abmaß erfolgen mußte, könne nicht geschlossen werden; daß die Übergabe erst mit diesem Zeitpunkt einzutreten hatte. Denn die Abmaß diene lediglich der Feststellung allfälliger Erfüllungsmängel.
Über Berufung der klagenden Partei änderte das Berufungsgericht das erstrichterliche Urteil dahin ab, daß es den Beklagten schuldig erkannte, der Klägerin die Schlägerung von 210 Festmetern Fichtennutzholz am Stamm, von 20 cm aufwärts, aus dem Waldgrundstück Nr. 1329/99 der Liegenschaft EZ. 3 KG.H. jederzeit bis einschließlich 30. November 1959 nach vorangegangener, zeitgerechter Verständigung zu gestatten. Das darüber hinausgehende Begehren, nämlich das in der Formulierung des Klagebegehrens zum Ausdruck kommende Verlangen der Klägerin, daß der Beklagte die Schlägerung selbst zu bewerkstelligen habe, wies es ab.
Das Berufungsgericht übernahm die tatsächlichen Feststellungen des Erstgerichtes und schloß sich auch dessen Rechtsmeinung an, daß bei Holzabstockungen die mit Zustimmung des Klägers (hier des Beklagten) erfolgte Schlägerung die Wirkung der Übergabe habe. Es billigte aber nicht dessen Rechtsmeinung, daß damit die Übergabe an Ferdinand K. und der Eigentumserwerb durch ihn in einer Weise erfolgt sei, die der Genehmigung durch das Vormundschaftsgericht nicht bedürfen. Johann G. sei in den Schlägerungs- und Übergabsvorgang in einer Weise eingeschaltet worden, die zeige, daß er nunmehr kraft eigenen Rechtes und nicht nur als Organ oder Hilfskraft des Ferdinand K. schlägerte. Damit sei aber auch seine Rechtsbeziehung zu Ferdinand K. wesentlich geworden, weil sie erst den Titel, der zunächst das Erbübereinkommen für das Verhältnis der Streitteile untereinander war, durch Hinzutritt des Rechtsüberganges von Ferdinand K. auf Johann G. vervollständige. Wie immer dieser nun rechtlich bezeichnet werden möge, jedenfalls bedeute er einen Rechtsübergang von der durch Ferdinand K. vertretenen Klägerin auf eine andere Person (Johann G.), der der unbestritten nicht erwirkten Genehmigung des Pflegschaftsrichters bedürfe und ohne diese unwirksam sei. Dabei verwies das Berufungsgericht noch darauf, daß nur auf diese Weise die Schädigung der Klägerin möglich wurde, weil durch die Schlägerung, die erst die Übergabe bewirkte, das Holz unter die Verfügungsgewalt des Johann G. kam, der nun kraft eigenen Rechts darüber weiter verfügen konnte und hier zum Nachteil der Klägerin auch verfügt habe. Rechtlich folge daraus, daß die Übergabe des Holzes an die Klägerin nicht erfolgt sei, daß somit auch die "Zahlung" nicht bewirkt wurde und daß daher die Verpflichtung des Beklagten ihr gegenüber noch aufrecht bestehe.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten Folge und stellte das erstgerichtliche Urteil wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites hängt von der Beantwortung der Frage ab, ob der Beklagte seiner Verpflichtung aus dem Erbübereinkommen durch eine rechtlich wirksame Übergabe des Holzes an die klagende Partei nachgekommen ist.
Beide Unterinstanzen haben im Anschluß an Klang Kommentar zum ABGB.,
2. Aufl., zu § 426, S. 316, sich zur Rechtsansicht bekannt, daß schon die mit Zustimmung des Beklagten erfolgte Schlägerung des Holzes sich als ein wirksamer Übergabsakt im Sinne des § 426 ABGB. darstellte. Diese für Holzabstockungen im allgemeinen zutreffende Rechtsansicht bedarf im vorliegenden Fall einer Korrektur.
Bei der Mannigfaltigkeit der möglichen Traditionsakte muß leitender Grundsatz immer der sein, daß nur ein solcher, aber auch jeder solche Akt zur Tradition hinreicht, der die Möglichkeit einer beliebigen und ausschließlichen Einwirkung auf die Sache gewährt. Das ist auch der Grund, warum die Rechtsprechung (vgl. insbesondere ZBl. 1932 Nr. 40) bei Holzabstockungsverträgen eine körperliche Übergabe und Übernahme des geschlägerten Holzes nicht für notwendig erachtet, sondern den Übergabsakt bereits in dem Augenblick als vollzogen annimmt, wenn der Käufer auf Grund der Zustimmung des Verkäufers das am Stock gekaufte Holz schlägert. Nun ist gewiß der Einwand der Revisionsbeantwortung richtig, daß es sich vorliegendenfalls um keinen eigentlichen Abstockungsvertrag in dem Sinne handelt, daß die Klägerin Anspruch auf das gesamte abzustockende Holz einer bestimmten Waldfläche hätte. Es trifft auch zu, daß "Nutzholz am Stamm" eine Übergabe "am Stamm" überhaupt nicht zuläßt, dies deshalb, weil die physische Übergabe von "Nutzholz am Stamm" rechtlich ebensowenig möglich ist wie die Übergabe eines Baumes, solange er nicht von Grund und Boden abgesondert ist (§ 295 ABGB.). Gerade diese Betrachtung führt aber dazu, daß die Grundsätze für die Erwerbungsart von "Nutzholz am Stamm" im wesentlichen die gleichen bleiben müssen wie für die Erwerbungsart von abzustockendem Holz schlechthin. Ist hier der Übergabsakt bereits mit der Schlägerung vollzogen, so wird er dort erst dann vollendet sein, wenn das Nutzholz vom Brenn- und Schleifholz getrennt worden ist. Erst von da ab wird man sagen können, daß dem Erwerber die Möglichkeit zu Gebote steht, über das "Nutzholz am Stamm", das Gegenstand des Rechtsgeschäftes war, frei zu verfügen.
Im gegebenen Fall haben die Untergerichte mit einer jeden Zweifel ausschließenden Gewißheit festgestellt, daß der Beklagte mit der Schlägerung des von ihm bezeichneten Waldstückes durch Ferdinand K. einverstanden war und daß er ihm von vornherein - wie dies auch offenbar dem Sinn des Erbübereinkommens entsprach - die Befugnis eingeräumt hat, aus dem geschlägerten Holz das der Klägerin gebührende und im Erbübereinkommen näher beschriebene Nutzholz auszuwählen. Besonders aufschlußreich ist in dieser Beziehung der zu ON. 7 einliegende Brief des Beklagten an Ferdinand K. vom 12. Juli 1950, in welchem er jede Verantwortung für das bereits geschlägerte Holz ablehnt: "Was geht mich Dein Holz schon an ... Ich habe an dem Holz sonst gar kein Interesse, als für die Abmaß ...".
Das Revisionsgericht hegt bei dieser Sachlage keine Bedenken, den oben entwickelten Rechtsgrundsatz auch auf den vorliegenden Fall anzuwenden, d. h. den Zeitpunkt der rechtlichen Übergabe und Übernahme des klagsgegenständlichen Holzes auf dessen Aufarbeitung zu beziehen und sich der Meinung der Untergerichte anzuschließen, daß der Abmaß für die Frage der Übergabe keine rechtliche Bedeutung zukommt.
Nun meint das Berufungsgericht, daß durch die Einschaltung Johann G.'s in den Schlägerungs- und Übergabsvorgang die Übergabe fehlerhaft und unwirksam geworden sei. Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden.
Es ist davon auszugehen, daß Ferdinand K. anfangs Mai 1950 zusammen mit Johann G. beim Beklagten erschienen ist, sich den Schlag und die Grenzen des Schlägerungsbezirkes zeigen ließ und dem Beklagten erklärte, er selbst werde nicht mehr nach H. kommen, er habe alles auf Johann G. übertragen (Feststellung des Berufungsgerichtes). Hiedurch hat aber Ferdinand K. den Johann G. als jene Person bezeichnet, an welche der Beklagte mit schuldbefreiender Wirkung das Erbübereinkommen erfüllen durfte. Die zwischen Ferdinand K. und Johann G. getroffenen Abmachungen hatten ihn dabei nicht weiter zu interessieren. Es ist daher für die rechtliche Beurteilung der Streitsache unerheblich, ob Ferdinand K. bei dieser oder einer anderen Gelegenheit dem Beklagten mitgeteilt hat, er habe das Holz dem Johann G. verkauft. Dieser Umstand ist lediglich im Innenverhältnis zwischen Ferdinand K. und Johann G. von Bedeutung. Es ist hier auch nicht zu untersuchen, ob und wann ein Eigentumsübergang des Holzes von Ferdinand K. an Johann G. eingetreten ist. Die Übergabe des "Nutzholzes am Stamm" seitens des Beklagten vollzog sich jedenfalls zunächst in der Person des von Ferdinand K. beauftragten Johann G. Sie wirkte unmittelbar für Ferdinand K. und, weil dieser der gesetzliche Vertreter der Klägerin ist, auch unmittelbarfür sie. Daß dieser Übergabsakt nicht der Genehmigung durch das Pflegschaftsgericht bedurfte, folgt daraus, daß es sich hiebei nicht um den Abschluß, sondern lediglich um die Durchführung eines bereits abgeschlossenen Geschäftes handelte (§ 233 ABGB.), Ob und inwieweit der von Ferdinand K. bewerkstelligte Verkauf des Holzes genehmigungspflichtig war, ist in diesem Rechtsstreit nicht zu prüfen.
Diese Erwägungen führen zum Ergebnis, daß der Beklagte seine Verpflichtung aus dem Erbübereinkommen der Klägerin gegenüber erfüllt hat. Die gegenteilige Rechtsansicht des Berufungsgerichtes erweist sich als irrig.
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