OGH 3Ob258/98g

OGH3Ob258/98g11.11.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei B*****bank AG, *****, Deutschland, vertreten durch Allmayer-Beck, Stocker & Scheuba, Rechtsanwälte in Wien, wider die verpflichtete Partei Reinhard M*****, vertreten durch Zumtobel & Kronberger, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen DM 30.200,-- (öS 212.879,80) sA, infolge Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgericht vom 23. April 1998, GZ 53 R 364/97-21, in der Fassung des Beschlusses vom 8. September 1998, GZ 53 R 364/97d-32, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 7. Mai 1997, GZ 19 E 1651/97w-3, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Kosten des Verfahrens.

Text

Begründung

Die betreibende Partei beantragte aufgrund des vor dem Notar Klaus Dieter D***** in I*****, am 28. 10. 1988, URNr 1932/1988D abgegebenen Schuldbekenntnisses mit Zwangsvollstreckungsunterwerfung des (damals in Durach wohnhaften) Verpflichteten die Vollstreckbarerklärung und die Bewilligung der Fahrnisexekution und der Forderungsexekution nach § 294a EO.

Das Erstgericht bewilligte antragsgemäß.

Der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger teilte am 16. 5. 1997 mit, er könne keine möglichen Drittschuldner bekanntgeben, weil die angeführten Daten nicht gespeichert seien.

Beim Vollzugsversuch am 4. 7. 1997 wurden an der von der betreibenden Partei angegebenen Adresse keine pfändbaren Gegenstände vorgefunden. Nach dem Bericht des Vollstreckungsorganes hat der Verpflichtete an der angegebenen Adresse ein Zimmer gemietet, weitere "Adressen" des Verpflichteten seien ***** V*****, W*****weg 11 oder ***** M*****, D*****straße 30. Der Bewilligungsbeschluß samt Antrag wurde der Vermieterin zugestellt.

Der Verpflichtete erhob Rekurs und Widerspruch. Er sei "Diplomat" der Republik Liberia, sein ständiger Wohnsitz sei in Monrovia, Liberia. Bei der von der betreibenden Partei angegebenen Adresse handle es sich nur um eine "Postanlaufstelle" jedoch nicht um eine Abgabenstelle im Sinn des Zustellgesetzes. Der Verpflichtete bezog sich zur Darlegung seiner Immunität ausdrücklich und ausschließlich auf Bestimmungen des Wr. Übereinkommens über diplomatische Beziehungen BGBl 1966/66. Er bereise Österreich ausschließlich in Ausübung seiner diplomatischen Mission. Zum Beweis dafür legte er neben einem von der Republik Liberia am 23. 8. 1996 ausgestellten Diplomatenpaß ein Schreiben des "Minister for Presidential Affairs" vom Jänner 1997 vor. Dieses hat in beglaubigter deutscher Übersetzung folgenden Wortlaut: "An alle die es angeht. Im Auftrag der Regierung von Liberia, Ministerium für Präsidialangelegenheiten, wird hiemit bestätigt, daß Herr Senator Reinhard M***** zum Diplomaten der Republik Liberia ernannt worden ist.

Sein Wohnsitz ist: B***** Street, Monrovia, Liberia. Die Aufenthaltsdauer des Vorgenannten in unserem Land beträgt mehr als 185 Tage im Jahr.

Die Wahrnehmung seiner Aufgaben als Diplomat machen es erforderlich, daß Herr Senator M***** Reisen in ganz Europa unternimmt, insbesondere in der Republik Österreich, in die Bundesrepublik Deutschland, das Fürstentum Liechtenstein und die Schweiz."

Über Anfrage teilte das Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten mit Schreiben vom 11. 9. 1997 dem Bundesministerium für Justiz folgendes mit: "Das Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten beehrt sich mitzuteilen, daß ein Herr Reinhard M***** ho. nicht notifiziert ist und auch keinerlei diplomatische Privilegien oder Immunitäten in Anspruch nehmen kann. Darüberhinaus ist festzuhalten, daß liberianische Diplomatenpässe in Österreich (aber auch soweit ho. bekannt in Deutschland) der Sichtvermerkspflicht unterliegen und ho. mit großer Wahrscheinlichkeit angenommen wird, daß ein derartiger Sichtvermerk nicht erteilt wurde. Es kann daher wohl davon ausgegangen werden, daß der Genannte (sollte er überhaupt die liberianische Staatsbürgerschaft besitzen) wohl über eine andere Staatsbürgerschaft verfügt, die ihm Aufenthalt und Reisetätigkeit ermöglicht. Sollte es sich dabei aber um die österreichische Staatsbürgerschaft handeln, so wäre eine Notifizierung und Inanspruchnahme diplomatischer Privilegien und Immunitäten gemäß Art 8 (2) der WDK erst nach vorheriger Zustimmung des Empfangsstaates möglich. Über eine derartige Zustimmung bzw über eine derartige Anfrage ist jedoch ho. ebenfalls nichts bekannt.

Zu der im zweiten Absatz der do. Note zum Ausdruck gebrachten Rechtsansicht muß allerdings seitens des Bundesministeriums für Auswärtige Angelegenheiten angemerkt werden, daß nicht nur eine Notifizierung in Österreich den Inhaber eines Diplomatenpasses eines fremden Staates zur Inanspruchnahme gewisser diplomatischer Privilegien und Immunitäten in Österreich den Inhaber eines Diplomatenpasses eines fremden Staates zur Inanspruchnahme gewisser diplomatischer Privilegien und Immunitäten in Österreich berechtigt. Hier wäre zumindest auch der im dienstlichen Auftrag reisende in einem anderen Staat akkreditierte Diplomat ebenso wie ein diplomatischer Kurier zu erwähnen."

Mit dem angefochtenen Beschluß gab das Rekursgericht dem Rekurs des Verpflichten nicht Folge. Es führte aus, als gerichtsbezogene Exekutionsvoraussetzung, die auch von Amts wegen wahrzunehmen sei, unterliege das Vorbringen des Verpflichteten im Rekurs, er sei immun nicht dem Neuerungsverbot. Inhaltlich bleibe jedoch der Rekurs erfolglos, da eine Immunität des Verpflichteten nicht anzunehmen sei. Mit Beschluß vom 8. 9. 1998 änderte das Rekursgericht seinen Ausspruch über die Zulässigkeit eines ordentlichen Revisionsrekurses gemäß § 528 Abs 2a ZPO, § 78 EO dahin ab, der ordentliche Revisionsrekurs sei doch nach § 528 Abs 1 ZPO, § 78 EO zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Dieser ordentliche Revisionsrekurs des Verpflichteten ist zulässig und im Ergebnis berechtigt.

Der Verpflichtete wiederholt seine Argumentation aufgrund des Wr. Übereinkommens über diplomatische Beziehungen komme ihm als Diplomaten Immunität zu. Er bezieht sich dabei ausdrücklich auf die von ihm in erster Instanz vorgelegten Bescheinigungsmittel.

Seinen Ausführungen ist nur insoweit zuzustimmen, daß seit der Aufhebung des letzten Satzes des Art IX Abs 3 EGJN durch den Verfassungsgerichtshof K BGBl 1971/217 die Gerichte unabhängig von der Erklärung des Bundesministeriums für Justiz selbständig zu prüfen haben, ob jemand Immunität genießt (Köck in Neuhold/Hummer/Schreuer, Österreichisches Handbuch des Völkerrechts I3 Rz 1650) und daß unabhängig davon, ob die Republik Liberia dem genannten Übereinkommen beigetreten ist, der Inhalt dieses Übereinkommens, weil völkerrechtliches Gewohnheitsrecht kodifizierend, für Österreich jedenfalls maßgebend ist (Mayr in Rechberger, ZPO Rz 16 zu Art IX EGJN; Stohanzl ZPO GMA14 Anm 2 zu Art IX EGJN).

Nicht gefolgt werden kann dem Verpflichteten aber darin, daß sich aufgrund der Ausstellung eines Diplomatenpasses und der Bestätigung durch die Republik Liberia, er sei Diplomat, seine Immunität nach dem Wr. Übereinkommen über diplomatische Beziehungen ergebe. Der Rechtsmittelwerber übersieht, daß Art 1 lit e dieses Übereinkommens der Ausdruck "Diplomat" ausschließlich den Missionschef und die Mitglieder des diplomatischen Personals der Mission bezeichnet (Mayr aaO Rz 17). Selbst die über den Empfangsstaat hinaus erweiterte Immunität des Art 40 WrDiplKonv setzte voraus, daß der Verpflichtete wenn schon nicht Missionschef so doch Mitglied des diplomatischen Personals einer Mission wäre. Daß diese Voraussetzungen gegeben seien, behauptete und bescheinigte der Verpflichtete aber nicht. Diplomatischer Vertreter im bilateralen Verkehr ist aber nur, wer von einem Staat als solcher entsandt und von einem anderen als solcher angenommen ist (Köck aaO Rz 1567). Zumindest müßte daher die Zustimmung des Empfangsstaates über Auftrag des Sendestaates gegeben sein (Köck aaO 1571). Dies gilt insbesondere auch für nach allgemeinem Völkerrecht zu beurteilende Spezialmissionen (Dahm/Delbrück/Wolfrun, Völkerrecht**2 I/1 297; Fischer/Köck, Allgemeines Völkerrecht4 202 f; siehe auch die am 8. 12. 1969 von der Generalversammlung der UNO beschlossene und zur Unterzeichnung aufgelegte Konvention A/Res 2530 [XXIV]). Der Verpflichtete kann sich daher nach seinem eigenen Vorbringen nicht auf die einem Diplomaten zustehende Immunität berufen.

Unbeachtet blieb aber bisher, ob nicht aus anderen Gründen inländische Gerichtsbarkeit zu verneinen wäre. Die inländische Gerichtsbarkeit ist eine Exekutionsvoraussetzung, die bis zur Beendigung des Exekutionsverfahrens in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen ist; deren Mangel führt zur Zurückweisung des Exekutionsantrags bzw zur Einstellung des Verfahrens (SZ 68/81; 3 Ob 44/98m; Rechberger/Simotta Exekutionsverfahren**2 Rz 42). Die betreibende Partei geht ersichtlich davon aus, daß der Verpflichtete in Österreich im Sprengel des angerufenen Gerichtes seinen Wohnsitz hat (§ 82 EO). Der Verpflichtete bestritt dies. Seine Behauptung blieb ungeprüft. Hätte er in Österreich keinen Wohnsitz, müßte geprüft werden ob eine örtliche Zuständigkeit nach den §§ 18 f EO gegeben ist. § 18 Z 3 EO würde nur dann die inländische Gerichtsbarkeit begründen, wenn zumindest die Voraussetzung nach den §§ 66 f JN gegeben wäre. Eine Anknüpfung nach § 18 Z 4 EO läge keinesfalls im Sprengel des angerufenen Gerichtes vor, befanden sich doch dort keine Sachen, auf die Exekution geführt werden konnte. Die bloße durch den Exekutionsvollzug widerlegte Behauptung, es befänden sich exekutionsfähige Fahrnisse im Sprengel des angerufenen Gerichtes, reichte zur Begründung der inländischen Gerichtsbarkeit nicht aus.

Diese Erwägungen führen in Stattgebung des Revisionsrekurses des Verpflichteten zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen mit dem Auftrag, über die gestellten Anträge nach Verfahrensergänzung neuerlich zu entscheiden.

Der Kostenvorbehalt beruht auf den §§ 78 EO, 52 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte