Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Rekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluß des Erstgerichtes zurückgewiesen wird.
Die verpflichtete Partei ist schuldig, der Revisionswerberin Seraphin P*** & Söhne GmbH die mit S 4.668,18 (darin S 424,38 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Begründung
Der betreibenden Partei wurde zur Hereinbringung ihrer vollstreckbaren Forderung von S 564.981,17 sA die Exekution durch Pfändung und Überweisung der dem Verpflichteten gegen den Drittschuldner "Seraphin P*** & Söhne KG Bauunternehmen" angeblich zustehenden Bezüge bewilligt. Die Zustellung des Zahlungsverbotes an den Drittschuldner erfolgte am 15.9.1987. An diesem Tag äußerte sich die "Seraphin P*** & Söhne Ges.m.b.H." nach § 301 EO, daß der Verpflichtete schon am 11.4.1987 ausgetreten sei und von der mit S 299.136,24 vereinbarten Abfertigung schon den Teilbetrag von S 166.186,80 ausbezahlt erhalten habe. Dem Verpflichteten stünden nur mehr S 132.949,44 zu.
In der Folge erlegte die Seraphin P*** & Söhne GmbH beim Exekutionsgericht zugunsten der betreibenden Partei und des Verpflichteten den Teilbetrag von S 88.207,20 der in vier monatlichen Teilbeträgen von S 32.573,-- in den Monaten Oktober, November, Dezember 1987 und Jänner 1988 fällig gewordenen Abfertigung nach § 307 EO und § 1425 ABGB, weil dieser Teilbetrag der Abfertigung von beiden Erlagsgegnern in Anspruch genommen werde. Die betreibende Partei verlange als Überweisungsgläubiger die Zahlung und vertrete den Standpunkt, daß keine Pfändungsfreiheit nach § 5 LPfG vorliege, der Verpflichtete berufe sich auf die Unpfändbarkeit und habe den Anspruch mit Klage geltend gemacht. Das Erstgericht bewilligte die Hinterlegung des Betrages von S 88.207,20, weil es sich dabei um den Teil der gepfändeten Forderung handle, der sowohl vom betreibenden Gläubiger als auch - wegen behaupteter Pfändungsfreiheit - vom Verpflichteten in Anspruch genommen werde.
Gegen diesen Beschluß erhob der Verpflichtete, der mit Vollmachtsurkunde vom 12.11.1987 an Dr. Sigmund M***, Dr. Gertrud B*** und Dr. Michael S*** von der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Vorarlberg die Prozeßvollmacht erteilt und sie ermächtigt hatte, Rechtsmittel aller Art zu ergreifen, einen schriftlichen Rekurs, der nicht die Unterschrift eines Rechtsanwaltes trägt.
Das Rekursgericht gab diesem Rekurs Folge und änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß der Hinterlegungsantrag abgewiesen werde. Es erklärte den Revisionsrekurs für zulässig, weil eine neuere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, ob die Voraussetzungen nach § 307 EO vorliegen, wenn der betreibende Gläubiger den wegen Unpfändbarkeit nach § 5 LPfG von der Pfändung und Überweisung gar nicht erfaßten Teil des Arbeitseinkommens, der dem Verpflichteten zustehe, in Anspruch nehme.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs der Erlegerin, der nach § 78 EO und § 528 Abs 2 ZPO iSd § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig ist, weil der Wert des Streitgegenstandes, über den das Rekursgericht entschieden hat, an Geld S 15.000,-- nicht aber S 300.000,-- übersteigt (Erlagsbetrag = S 88.207,20), die Entscheidung aber von der Lösung einer Rechtsfrage des Verfahrensrechts abhängt, der über den Einzelfall hinaus erhebliche Bedeutung zukommt.
Zutreffend weist die Revisionsrekurswerberin darauf hin, daß das Rekursgericht über ein Rechtsmittel entschieden hat, das gar nicht wirksam erhoben war. Schriftliche Rekurse müssen nach § 78 EO und § 520 Abs 1 ZPO mit der Unterschrift eines Rechtsanwaltes versehen sein. Die Vorschrift des § 40 Abs 1 Z 2 ASGG, wonach zur Vertretung vor den Gerichten erster und zweiter Instanz qualifizierte Personen unter anderem die mit einer Befugnis versehenen Funktionäre und Arbeitnehmer einer gesetzlichen Interessenvertretung sind, die nach ihrem Wirkungsbereich für die Partei in Betracht kommt, gilt als besondere Verfahrensbestimmung nur für das Verfahren in Arbeitsrechts- und Sozialrechtssachen (§ 1 Abs 1, § 50 und § 65 ASGG). Das Rekursgericht hätte daher über den Rekurs erst entscheiden dürfen, wenn der Formmangel des Fehlens der Unterschrift eines Rechtsanwaltes im Zuge eines Verbesserungsverfahrens nach §§ 84 und 85 ZPO iVm § 78 EO behoben worden wäre.
Aus den folgenden Erwägungen hat hier aber eine Aufhebung der Entscheidung des Rekursgerichtes oder die Einleitung eines Verbesserungsverfahrens zu unterbleiben: Dem Drittschuldner steht es frei, den Betrag bei Gericht zu erlegen, wenn die Forderung außer vom betreibenden Gläubiger noch von einer anderen Person in Anspruch genommen wird. Weder der Verpflichtete noch sonst ein Beteiligter können die Annahme des vom Drittschuldner erlegten Betrages zu Gericht mit Rekurs bekämpfen, weil dadurch ihre Rechte ebensowenig berührt werden wie beim Erlag nach § 1425 ABGB, auf den im § 307 Abs 1 EO ausdrücklich hingewiesen wird. Anfechtbar ist allerdings die Zurückweisung des Erlages, woraus sich die Zulässigkeit des Revisionsrekurses und die Unzulässigkeit des Rekurses des als Erlagsgegner bezeichneten Verpflichteten mangels eines Rechtsschutzinteresses ergibt. Den Erlagsgegnern steht als Beteiligten nämlich ein Rekursrecht nur insoweit zu, als sie an der aufrechten Erledigung ein Rechtsschutzinteresse haben. Die Rechtslage ist nicht anders, als nach § 1425 ABGB. Da der Beschluß über die Genehmigung der Hinterlegung die materiellrechtliche Stellung des Erlagsgegners nicht beeinflußt und die Rechtmäßigkeit der Hinterlegung im streitigen Verfahren zu entscheiden ist, steht dem Erlagsgegner auch kein Rechtsmittel gegen die Annahme der Hinterlegung zu (Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 16 und Rz 17 zu § 1425 ABGB; SZ 40/8; SZ 51/42 ua). Es kann daher der Erlagsgegner auch gegen den Beschluß auf Annahme des Erlages nach § 307 Abs 1 EO kein Rechtsmittel erheben (Heller-Berger-Stix 2202). Die Rechtsfolge des § 307 Abs 2 EO, daß der Drittschuldner, gegen den wegen Bezahlung der Forderung Klagen anhängig gemacht wurden, nach Bewirkung des Erlages beim Prozeßgericht beantragen kann, aus dem Rechtsstreit entlassen zu werden, wird nur dann zur Entlassung führen, wenn das Prozeßgericht die Rechtmäßigkeit des Erlages feststellt.
Da ein Rechtsmittel, das von vorneherein nicht zu einem Erfolg führen kann, vorliegt, wäre es überflüssiger Formalismus, zunächst Aufträge zur Verbesserung zu erteilen, wenn das Rechtsmittel auch nach rechtzeitiger Verbesserung zurückzuweisen wäre. In diesem Fall kann das Verbesserungsverfahren unterbleiben.
Da der Verpflichtete durch die Erhebung des Rekurses einen Zwischenstreit mit dem Erleger ausgelöst hat, trifft ihn die Kostenersatzpflicht nach § 78 EO und nach § 41 und § 50 ZPO.
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