OGH 3Ob246/07h

OGH3Ob246/07h30.1.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon.-Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Allegra K*****, und der mj Nadine K*****, beide in Obsorge der Mutter Linda Nicole A*****, vertreten durch Wukovits & Eppelein Rechtsanwälte GmbH in Wien, infolge Revisionsrekurses der beiden Minderjährigen gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 25. September 2007, GZ 16 R 354/07h-S42, womit der Rekurs der beiden Minderjährigen gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Mödling vom 7. August 2007, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 27. August 2007, GZ 2 P 28/04k-S34 (S38), zurückgewiesen wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Dem Rekursgericht wird die meritorische Entscheidung über den Rekurs der beiden Minderjährigen aufgetragen.

Text

Begründung

Im Scheidungsfolgenvergleich vom 28. März 2006 vereinbarten die Eltern der beiden Töchter die Obsorge der Mutter und eine Unterhaltsverpflichtung des Vaters ab 1. April 2006 von monatlich 470 EUR für die ältere Tochter und 420 EUR für die jüngere Tochter. Im P 1. des Vergleichs verpflichtete sich die Mutter, den Vater sowohl von wichtigen als auch von minderwichtigen Angelegenheiten der Kinder zu verständigen. Der Vergleich wurde am 18. Mai 2006 vom Pflegschaftsgericht genehmigt. Am 21. Mai 2007 beantragte der Vater die Herabsetzung seiner Unterhaltsverpflichtung auf 300 EUR bzw 265 EUR monatlich sowie einen an die Mutter gerichteten Auftrag, ihm „die Halbjahreszeugnisse 2006/2007 beider Kinder zur Verfügung zu stellen" und ihn „von allfälligen anderen Vorkommnissen zu informieren". Die Mutter sprach sich gegen den Unterhaltsherabsetzungsantrag aus und äußerte sich zum Informationsanspruch des Vaters dahin, dass der Vater den Kontakt zu den Kindern seit Jahren eingestellt habe. Die 16 Jahre und 13 Jahre alten Töchter wünschten ausdrücklich, dass der Vater keine Informationen über sie erhalte. Der Vater mache einen vertraglichen Anspruch (gegen die Mutter) geltend. Die beantragte Information widerspreche dem Kindeswohl. Der Antrag des Vaters sei rechtsmissbräuchlich gestellt.

Das Erstgericht gab dem Antrag des Vaters statt und verpflichtete die Mutter, die Halbjahreszeugnisse 2006/2007 der beiden Kinder dem Vater zur Verfügung zu stellen und ihn „von anderen wichtigen und minderwichtigen, nicht bloß das tägliche Leben der beiden minderjährigen Kinder betreffenden Angelegenheiten zum Zwecke seiner Äußerungsmöglichkeit gemäß § 178 Abs 1 ABGB zu informieren". Das Erstgericht stellte fest, dass sich der Vater in der Vergangenheit mehrfach um Kontakte zu seinen Kindern bemüht habe. Wenn dennoch kein regelmäßiger Kontakt zustandegekommen sei, bestünden Informations- und Äußerungsrechte iSd § 178 Abs 1 ABGB auch in Ansehung minderwichtiger Angelegenheiten. Eine Einschränkung dieser Rechte des Vaters sei nur bei einer ernstlichen Gefährdung des Kindeswohls möglich. Dies könne ebenso wenig festgestellt werden wie eine rechtsmissbräuchliche Antragstellung des Vaters.

Das Rekursgericht wies den nur im Namen der Kinder, diese vertreten durch ihre Mutter, erhobenen Rekurs zurück. § 178 ABGB regle die Informations- und Äußerungsrechte des nicht mit der Obsorge betrauten Elternteils gegenüber demjenigen, der mit der Obsorge betraut sei. Da im Verfahren über diese Rechte dem Kind keine selbständige Verfahrensfähigkeit zukomme, stehe ihm auch kein Rekursrecht zu. Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Mit ihrem Revisionsrekurs beantragen die beiden Minderjährigen, über ihren Rekurs an die zweite Instanz stattgebend zu entscheiden. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Vater beantragt mit der ihm freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs der Kinder nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts zulässig. Das Rechtsmittel ist im Ergebnis auch berechtigt.

Es trifft zwar zu, dass zur Rechtsfrage, ob mündige Minderjährige im außerstreitigen Verfahren über einen Informationsanspruch des nicht obsorgeberechtigten Elternteils (§ 178 ABGB) selbständig verfahrensfähig iSd § 104 AußStrG sind, keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliegt, also noch nicht darüber entschieden wurde, ob solche Kinder ohne ihren gesetzlichen Vertreter vor Gericht Anträge stellen und Rechtsmittel erheben können. Die grundsätzlich erhebliche Rechtsfrage, ob ein Streit über die Informationsrechte nach § 178 ABGB als Teil eines Verfahrens über die Pflege und Erziehung und/oder über den persönlichen Verkehr zwischen einem Elternteil und dem Kind iSd § 104 Abs 1 AußStrG aufgefasst werden kann, ist hier jedoch nicht entscheidungswesentlich, wurden doch die Kinder bei ihrer Rekurserhebung an die zweite Instanz - so wie nunmehr auch im Revisionsrekursverfahren - ohnehin von ihrer obsorgeberechtigten Mutter vertreten (diese vertreten durch eine Rechtsanwalts GmbH), sodass die Frage, ob die Kinder auch ohne die Vertretung ihrer Mutter selbständig Rekurs zu erheben berechtigt sind, rein theoretischer Natur ist. Der vom Rekursgericht allein herangezogene Zurückweisungsgrund liegt demnach nicht vor. Zu untersuchen ist nur mehr die vom Rekursgericht nicht erörterte Frage, ob den Kindern im Verfahren über Informationsansprüche des nicht obsorgeberechtigten Elternteils, die nach der materiellen Bestimmung des § 178 Abs 1 ABGB gegenüber dem obsorgeberechtigten Elternteil bestehen, Parteistellung zukommt. Die Frage ist aus naheliegenden Gründen zu bejahen, geht es doch um Informationen über Lebensumstände der Kinder, durch deren Bekanntgabe Rechte der Kinder unter dem Gesichtspunkt des Kindeswohls unmittelbar berührt werden, beispielsweise Ansprüche auf Vertraulichkeit. Nach § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG ist jede Person Partei des außerstreitigen Verfahrens, soweit die begehrte Entscheidung ihre rechtlich geschützte Stellung unmittelbar beeinflusst. Dies ist bei der Auskunftserteilung über den Schulerfolg der Kinder oder über andere Umstände aus ihrem Lebensbereich zweifellos der Fall. Die Parteistellung der Kinder im Auskunftsverfahren nach § 178 ABGB ist daher genauso gegeben wie die Parteistellung des auskunftspflichtigen obsorgeberechtigten Elternteils (vgl die ähnliche Fallkonstellation im Zwangsstrafenverfahren von Kapitalgesellschaften, wegen Verletzung von Offenlegungspflichten, in dem sowohl der bestrafte Geschäftsführer als auch die Gesellschaft Parteien sind: 6 Ob 124/05m = NZ 2005, 351).

Das Rekursgericht wird daher über den durch ihre Mutter in ihrem Namen erhobenen Rekurs der Kinder meritorisch zu entscheiden haben.

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