OGH 3Ob245/08p

OGH3Ob245/08p17.12.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon.-Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 27. Mai 2006 verstorbenen Maria K*****, des Erstantragstellers Ing. Herbert H*****, vertreten durch Mag. Wolfgang Ruckenbauer, Rechtsanwalt in Wien, und der Zweitantragstellerin Mag. Ulrike S*****, vertreten durch Gruböck & Gruböck Rechtsanwälte OEG in Baden, wegen Feststellung des Erbrechts, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Erstantragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 29. September 2008, GZ 45 R 304/08a-90, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Josefstadt vom 11. April 2008, GZ 23 A 58/06a-80, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Gegenstand des Verfahrens ist ein Erbrechtsstreit nach §§ 161 ff AußStrG. Die Erblasserin errichtete am 14. Februar 2006 zwei inhaltsgleiche Testamente zugunsten der Zweitantragstellerin. Der Erstantragsteller, zu dessen Gunsten ein früheres Testament vorhanden ist, bestreitet die Testierfähigkeit der Erblasserin zum Zeitpunkt der jüngeren Testamentserrichtung.

Das Erstgericht stellte ua fest:

„Zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung war die Erblasserin aufgrund der bei ihr seit längerer Zeit bestehenden senilen Demenz jedenfalls nicht mehr dazu im Stande, die längerfristigen Folgen einer komplexen Handlung zu bedenken; sie hatte zwar möglicherweise das Bewusstsein, eine letztwillige Verfügung zu errichten; das Wissen über deren Inhalt stand ihr jedoch nicht mehr zur Verfügung. Auch die Freiheit ihrer Willensbildung war aufgehoben [...]"

Davon ausgehend beurteilten die Vorinstanzen die Erblasserin als testierunfähig.

Der Erstantragsteller macht als erhebliche Rechtsfragen geltend:

Dem Erstantragsteller sei das rechtliche Gehör entzogen worden, weil der Sachverständige dem Gutachten Unterlagen zu Grunde gelegt habe, die nur ihm zugänglich gewesen seien (1); dem Rekursgericht sei eine Überraschungsentscheidung anzulasten (2) und es fehle Rechtsprechung zum Untersuchungsgrundsatz im Zusammenhang mit § 161 AußStrG (3). Im Übrigen widerspreche die Verneinung der Testierfähigkeit in diesem Fall der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (4).

1. Das Rekursgericht verneinte eine Nichtigkeit wegen Gehörverletzung. Zwar ist diese Beurteilung in dritter Instanz überprüfbar (RIS-Justiz RS0121265), doch kann die Argumentation des Rechtsmittelwerbers nicht nachvollzogen werden.

Der Sachverständige legte seine Befundgrundlagen (Krankengeschichte, Röntgenbilder etc) ausführlich dar, der Vertreter des Erstantragstellers nahm mehrfach Akteneinsicht und konnte die dem Gutachten angeschlossenen Unterlagen einsehen. Er behauptete weder Widersprüche zwischen den Krankengeschichten und Vorbefunden und dem Referat des Sachverständigen, noch beantragte er nach der Erörterung des Gutachtens, wo er jede Fragemöglichkeit hatte, ergänzende Urkundenbeischaffung oder eine sonstige Kontrolle des Sachverständigen und seiner Stoffsammlung. Auch bleibt im Dunklen, welches Vorbringen der Erstantragsteller bei Übermittlung der Krankengeschichte erstattet hätte, die nunmehr auch bei Geltendmachung eines Nichtigkeitsgrundes geforderte Relevanz fehlt (6 Ob 165/08w; RIS-Justiz RS0120213).

Auf eine allfällige Verletzung postmortaler Persönlichkeitsrechte, die der Erstantragsteller durch Verwertung der Krankengeschichte der Erblasserin verwirklicht sieht, muss nicht eingegangen werden. Zur Geltendmachung solcher Rechtsverletzungen sind nur nahe Angehörige berechtigt, zu denen der Erstantragsteller nicht zählt (vgl 1 Ob 550/84 = SZ 57/98, 1 Ob 341/99z = SZ 73/87, je mwN).

2. Zwar hat das in § 182a ZPO normierte Verbot von Überraschungsentscheidungen auch in das Außerstreitverfahren Eingang gefunden (§ 14 AußStrG; RV, 224 dB XXII. GP, 32), doch legt das Rechtsmittel die Relevanz des angeblichen Verstoßes gar nicht dar (welches Vorbringen erstattet worden wäre; RIS-Justiz RS0120056 [T7 und T8]).

Soweit der Revisionsrekurswerber eine Mangelhaftigkeit darin sieht, dass der Notarsubstitut (in erster Instanz) nicht neuerlich vernommen worden sei, ist auf die Unzulässigkeit der neuerlichen oder erstmaligen Geltendmachung von Verfahrensmängeln erster Instanz im Revisionsrekursverfahren zu verweisen (RIS-Justiz RS0030748).

3. Zur Anwendung des Untersuchungsgrundsatzes im Verfahren nach §§ 161 ff AußStrG muss hier nicht Stellung genommen werden. Der vom Revisionsrekurswerber angestrebten Feststellung eines lucidum intervallum (vgl RIS-Justiz RS0012403) steht entgegen, dass die von ihm dafür angeführten Verfahrensergebnisse (seine eigene Aussage sowie jene des Rechtsanwalts und des Hausarztes) von der Erstrichterin nach sehr ausführlicher Beweiswürdigung als nicht glaubwürdig erachtet wurden. Überdies fehlt erstinstanzliches Vorbringen hiefür.

4. Die Anwendung der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, unter welchen Voraussetzungen von der Testierunfähigkeit des Erblassers auszugehen ist, auf den konkret zu beurteilenden Sachverhalt ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalls, die von - hier nicht vorliegender - krasser Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz abgesehen keine erhebliche Rechtsfrage aufwirft (9 Ob 38/03h; 9 Ob 124/04g; RIS-Justiz RS0012408).

Der Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen.

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