OGH 3Ob2383/96d

OGH3Ob2383/96d18.6.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Spenling als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei U***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Winfried Sattlegger ua, Rechtsanwälte in Linz, wider die verpflichtete Partei Jörg G*****, Arbeiter, ***** vertreten durch Dr. August Lahnsteiner, Dr. Karl-Heinz Lahnsteiner, Rechtsanwälte in Ebensee, wegen S 72.274,-- sA, infolge Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wels als Rekursgericht vom 28. August 1996, GZ 23 R 178/96g-18, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Frankenmarkt vom 15. Juli 1996, GZ E 1679/91-16, abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die betreibende Partei ist schuldig, der verpflichteten Partei die mit S 4.871,04 bestimmten Kosten ihres Revisionsrekurses (darin S 811,84 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Mit Beschluß vom 25.9.1991 bewilligte das Erstgericht der Betreibenden zur Hereinbringung ihrer vollstreckbaren Forderung von S 72.274,-- samt 14 % Zinsen ab 29.7.1986 zuzüglich 20 % Umsatzsteuer aus den Zinsen antragsgemäß Exekution nach § 294a EO. Der Drittschuldner, dem die Exekutionsbewilligung am 15.10.1991 zugestellt wurde, leistet seither laufend Zahlungen an die Betreibende.

Am 24.11.1992 beantragte der Verpflichtete, die Exekution gemäß § 292 1 Abs 2 EO einzustellen, weil die Betreibende schriftlichen Aufforderungen, ihm eine Quittung über die erhaltenen Beträge zu übersenden und die Höhe der offenen Forderung bekanntzugeben, nicht nachgekommen sei. Die Betreibende sprach sich mit Schriftsatz vom 11.12.1992 gegen diesen Antrag aus. Der Verpflichtete habe lediglich um Bekanntgabe des Schuldenstandes ersucht, was die Betreibende zum gegebenen Zeitpunkt nicht als sinnvoll erachtet habe. Zudem sei die geforderte Saldoaufstellung nur unter aufwendigsten Recherchen möglich, weil für den Verpflichteten sechs verschiedene Konten bestünden. Die Betreibende sei bemüht, dem Verpflichteten in den nächsten Tagen eine Forderungsaufstellung zukommen zu lassen und teile "rein informativ" vorweg mit, daß die Forderung mit S 123.123,96 aushafte. Mit Beschluß vom 29.12.1992 wies das Erstgericht daraufhin den Einstellungsantrag ab, weil die Betreibende die vom Verpflichteten begehrte Abrechnung mit ihrem Schriftsatz vom 11.12.1992 nachgeholt habe. Das vom Verpflichteten angerufene Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Zwar entspreche die Auskunft der Betreibenden mangels Angaben über den Eingang der Zahlungen, deren Verrechnung oder einer staffelmäßigen Darlegung der angefallenen Zinsen nicht den Erfordernissen einer dem § 292 1 1 Abs 2 EO entsprechenden Aufstellung. Der Verpflichtete habe aber in seinen an die Betreibende gerichteten Aufforderungen nur um die Bekanntgabe des Schuldenstandes ersucht, nicht aber um die Übermittlung einer dem § 292 1 EO entsprechenden Aufstellung und einer Quittung. Die für den Fall der Nichtübersendung der zuletzt genannten Urkunden vorgesehene Sanktion der Einstellung könne daher nicht Platz greifen.

Am 11.6.1996 beantragte der Verpflichtete abermals die Einstellung der Exekution gemäß § 292 1 Abs 2 EO. Er habe die Betreibende mehrmals um eine Quittung über die erhaltenen Beträge und um eine Aufstellung über die Höhe der offenen Forderungen ersucht. Das ihm daraufhin von der Betreibenden übermittelte Schreiben stelle aber keine verständliche und nachvollziehbare Forderungsaufstellung dar, weil es nur Pauschalsummen anführe, aber keine Angaben über Daten, Höhe und Widmung der geleisteten Zahlungen enthalte.

Die Betreibende trat diesem Antrag entgegen. Sie habe dem Verpflichteten eine Forderungsaufstellung vom 17.4.1996 übermittelt, die den Anforderungen des § 292 1 Abs 2 EO entspreche.

Die dem Verpflichteten übermittelte "Forderungsaufstellung per 17.4.1996" hat folgenden Inhalt:

"Ursprüngliche Kapitalforderung S 72.274,--

14,00 % Zinsen berechnet bis 170496 S 128.030,98

bisher aufgelaufene Kosten S 17.456,49

Gesamtforderung S 217.761,47

Darauf wurden bisher bezahlt:

Zahlung auf Kosten S 17.456,49

Zahlung auf Zinsen S 117.117,51

Zahlung auf Kapital S 0,00

Summe Zahlungen S 134.575,-- - S

134.575,--

Restforderung per 17.4.96 S 83.186,47

Zinsenberechnung: 14,00 % zuzügl. 20.00 % Umsatzsteuer

vom 1.10.85 bis 17.4.96 aus S 72.274,-- = S 128.030,98

S 128.030,98" Der Äußerung der Betreibenden zum Einstellungsantrag ist eine weitere "Forderungsaufstellung per 29.6.96" angeschlossen, die ebenso gegliedert ist und eine Restforderung (per 28.6.1996) von S 78.911,15 ausweist.

Das Erstgericht stellte mit Beschluß vom 15.7.1996 die Exekution gemäß § 292 1 Abs 2 EO ein. Die Aufstellung der Betreibenden enthalte zwar die vom Gesetz geforderte Bekanntgabe der offenen Forderung, erfülle aber nicht die von der Rechtsprechung darüber hinaus gestellten Anforderungen, wonach sie den Eingang der Zahlungen und die angefallenen Zinsen staffelmäßig anzugeben habe.

Das von der Betreibenden angerufene Rekursgericht änderte diese Entscheidung im Sinne der Abweisung des Einstellungsantrages ab und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

§ 292 1 Abs 2 EO gewähre dem Verpflichteten zur Information einen Anspruch gegen den betreibenden Gläubiger auf Ausstellung einer Quittung und einer Aufstellung über die Restschuld. Mohr ("Die neue Lohnpfändung", ecolex - Spezial 1991, 100) vertrete zwar die Meinung, daß die an den Verpflichteten zu übersendende Forderungsaufstellung auch den Eingang der Zahlungen und eine staffelmäßige Darstellung der angefallenen Zinsen zu enthalten habe. Diese strenge Anforderung hätte aber hier zur Folge, daß die Betreibende verpflichtet wäre, etwa (5 mal 12) 60 Zahlungseingänge datums- und betragsmäßig zu dokumentieren und ebenso viele staffelmäßige Zinsenberechnungen durchzuführen. Ein derartiger, ohne Zuhilfenahme eines Rechenprogrammes wohl gar nicht möglicher Aufwand könne nach dem Gesetzeswortlaut der Betreibenden jedenfalls derzeit nicht zugemutet werden, da bei überschlagsmäßiger Berechnung zweifellos noch ein beträchtlicher Betrag aushafte. Bezogen auf den jetzigen Zeitpunkt, in dem trotz einer unrichtigen Zinsberechnung noch ein beträchtlicher Restsaldo aushafte, entsprächen daher die Forderungsaufstellungen vom 17.4. und vom 28.6.1996 den Anforderungen des § 292 1 Abs 2 EO, weshalb derzeit die in dieser Gesetzesstelle vorgesehene Sanktion der Einstellung - eine Klageführung nach § 35 EO bleibe dem Verpflichteten unbenommen - nicht eintreten könne.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Frage, welche Anforderungen an eine Aufstellung nach § 292 1 Abs 2 EO zu verschiedenen Zeitpunkten zu stellen sind, keine höchstgerichtliche Judikatur vorzufinden sei.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs des Verpflichteten mit dem Antrag, ihn im Sinne der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist auch berechtigt.

Der durch die EO-Nov 1991 geschaffene § 292 1 Abs 2 EO hat folgenden Wortlaut:

"Der betreibende Gläubiger hat dem Verpflichteten binnen vier Wochen nach dessen schriftlicher Aufforderung eine Quittung über die erhaltenen Beträge zu übersenden und die Höhe der offenen Forderungen bekanntzugeben. Die Aufstellung über die Höhe der offenen Forderung ist auch dem Drittschuldner zu übersenden. Eine neuerliche Abrechnung darf der Verpflichtete erst nach Ablauf eines Jahres oder nach Tilgung der festen Beträge verlangen. Kommt der betreibende Gläubiger der Aufforderung nicht nach, so hat das Exekutionsgericht auf Antrag des Verpflichteten die Exekution einzustellen. Vor der Entscheidung ist der betreibende Gläubiger einzuvernehmen."

Mohr (Die neue Lohnpfändung, 100) vertritt dazu die Auffassung, daß die dem Verpflichteten zu übermittelnde Aufstellung lesbar, verständlich und nachvollziehbar sein müsse; sie müsse den Eingang der Zahlungen und eine staffelmäßige Darlegung der angefallenen Zinsen enthalten. Auch Fink/Schmidt (Handbuch zur Lohnpfändung2, 165) sehen in dem von ihnen entworfenen (allerdings eine Aufstellung über Aufforderung des Drittschuldners betreffenden) "Muster 8" (Bekanntgabe der offenen Forderung durch den betreibenden Gläubiger) exakte Angaben über Höhe und Zeitpunkt des Einganges der geleisteten Zahlungen und die staffelmäßige Angabe der angefallenen Zinsen vor.

Dieser Meinung schließt sich auch der erkennende Senat an. Der Zweck - die Information des Verpflichteten (RV 181 BlgNR 18.GP) - wird nur erreicht, wenn die ihm übermittelte Aufforderung nachvollziehbar und überprüfbar ist. Dies ist sie aber nur dann, wenn sie Auskunft über Zeitpunkt und Höhe der geleisteten Zahlungen und die damit vom betreibenden Gläubiger vorgenommenen Tilgungen von Nebengebühren und Kapital gibt.

Der Oberste Gerichtshof teilt auch die von Mohr (aaO 100) und Angst/Jakusch/Pimmer (MGA-EO Anm 2 zu § 292 1) vertretene Meinung, daß sich der Verpflichtete, der die ihm übermittelte Aufstellung für unrichtig hält, dagegen - analog zu § 35 EO - im Klageweg wehren kann. Dies unterstreicht aber die Notwendigkeit, die Auskunft durch Aufnahme der eben dargelegten Angaben so zu gestalten, daß sie vom Verpflichteten auf ihre Richtigkeit überprüft werden kann.

Die Meinung des Rekursgerichtes, daß diese strengen Anforderungen

dann nicht zu gelten hätten, wenn jedenfalls noch ein beträchtlicher

Restsaldo aushafte, findet im Gesetz, dem eine solche Differenzierung

nicht zu entnehmen ist, keine Deckung. Der Gefahr mißbräuchlicher

Inanspruchnahme des durch § 292 1 Abs 2 EO geschaffenen

Informationsanspruches beugt der Gesetzgeber ohnedies durch die

Anordnung vor, daß der Verpflichtete eine neuerliche Abrechnung "erst

nach Ablauf eines Jahres oder nach Tilgung der festen Beträge

verlangen" kann. Daß - wie das Rekursgericht meint - der Betreibenden

auch in diesem Umfang nicht zugemutet werden könne, den

Informationsanspruch des Verpflichteten auf die hier dargelegte Weise

zu erfüllen, trifft nicht zu, weil ihr der mit zahlreichen

Zahlungseingängen verbundene umfangreiche Rechenaufwand ohnedies in keinem Falle erspart bleibt.

Die oben dargestellten Anforderungen an eine Aufstellung der Höhe der

offenen Forderung kommen daher auch im vorliegenden Fall zur

Anwendung. Die dem Verpflichteten übermittelten Aufstellungen

entsprechen diesen Anforderungen nicht, weil sie Zeitpunkt und Höhe

der eingelangten Zahlungen nicht erkennen lassen, keine staffelmäßige

Zinsenberechnung enthalten und demgemäß nicht überprüfbar sind. Da

somit die Betreibende der Aufforderung des Verpflichteten, ihm die

Höhe der offenen Forderung bekanntzugeben, nicht in tauglicher Weise

entsprochen hat, erweist sich die vom Erstgericht vorgenommene

Einstellung der Exekution als zutreffend.

In Stattgebung des Revisionsrekurses war daher die Entscheidung des

Erstgerichtes wiederherzustellen.

Auf die im Revisionsrekurs behauptete Unrichtigkeit der

Forderungsaufstellungen ist in diesem Rahmen nicht einzugehen. Wie

bereits ausgeführt, ist die Unrichtigkeit einer Forderungsaufstellung iS § 292 1 Abs 2 EO vom Verpflichteten im Rechtsweg geltend zu machen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekurses gründet sich auf § 78 EO, §§ 41, 50 ZPO.

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