OGH 3Ob236/05k

OGH3Ob236/05k26.4.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisions- und Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden und den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Dr. Prückner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, Wien 6, Mariahilferstraße 81, vertreten durch Brauneis, Klauser & Prändl Rechtsanwälte OEG in Wien, wider die beklagte Partei B***** AG, ***** vertreten durch Preslmayr & Partner Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen 39.202,43 EUR s.A. (Rekursinteresse) und 5.035,05 EUR (Revisionsinteresse), infolge Revision und Rekurses der beklagten Partei gegen das Teilurteil und den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 12. Mai 2005, GZ 3 R 218/04g-59, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Teilurteil des Handelsgerichts Wien vom 17. August 2004, GZ 29 Cg 14/01f-50, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1.) Die Bezeichnung der beklagten Partei wird von B***** AG in B***** AG richtig gestellt.

2.) Die Revision und der Rekurs werden zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.162,30 EUR (darin 360,38 EUR USt) bestimmten Kosten des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Ad 1.): Die Berichtigung der Parteibezeichnung der beklagten Partei, deren Anschrift unverändert blieb, von Amts wegen folgt dem aktuellen Stand des Firmenbuchs (FN 205340x).

Ad 2.): Dem klagenden Verein, einer Verbraucherorganisation, wurden Forderungen einer Reihe von Kreditnehmern der beklagten Bank zum Inkasso abgetreten. Diese Forderungen sind darauf gestützt, dass die beklagte Partei bzw. ihre Rechtsvorgängerin in den zugrunde liegenden Verbraucherkreditverträgen jeweils mit § 6 Abs 1 Z 1 KSchG unvereinbare, unbestimmte Zinsänderungsklauseln vorgesehen habe. Mit der am 30. Jänner 2001 eingebrachten Klage begehrte der Kläger Zahlung von 2,149.374,45 S, zuletzt 144.775,01 EUR s.A. aus dem Titel des Schadenersatzes unter Erstattung entsprechenden Tatsachenvorbringens.

Das Erstgericht wies mit Teilurteil Forderungen von insgesamt 39.202,43 EUR s.A. aus näher bestimmten Kreditverträgen als verjährt ab. Seit dem Inkrafttreten der KSchG-Novelle 1997 sei die Möglichkeit einer Zinsenrückforderung auf breiter Basis medial diskutiert worden. Spätestens ab diesem Zeitpunkt wäre den Kreditnehmern eine Überprüfung allfälliger Überzahlungen möglich und auch zumutbar gewesen. Dass die Kreditnehmer diese Überprüfungen erst später vorgenommen und damit erst später subjektiv von einem möglichen Schaden Kenntnis erlangt hätten, vermöge den Beginn der Verjährungsfrist nicht hinauszuschieben.

Das Berufungsgericht änderte dieses Teilurteil in Ansehung einer Teilforderung von 5.035,05 EUR s.A. mit Teilurteil im klagestattgebenden Sinn ab und hob das Ersturteil im Übrigen auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf; es ließ die Revision und den Rekurs an den Obersten Gerichtshof mit der Begründung zu, dass gesicherte höchstgerichtliche Rsp zur Frage fehle, ob der beklagten Bank ein schuldhaftes Verhalten durch mangelnde Konkretisierung der Umstände, die zu Zinsanpassungen führen sollen, anzulasten sei bzw. ob insoweit eine vertretbare Rechtsmeinung vorliege.

Die zweite Instanz vertrat die Rechtsansicht, die Verwendung einer mit § 6 Abs 1 Z 1 KSchG unvereinbaren, weil unbestimmten Zinsänderungsklausel durch die beklagte Bank im Rahmen von Verbraucherkreditverträgen stelle ein rechtswidriges Verhalten dar, das geeignet sei, eine Schadenersatzpflicht der Bank zu begründen, wenn dem Kunden durch dieses Verhalten ein Schaden entstehe. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB beginne erst zu laufen, wenn der Geschädigte, der bestimmte Umstände nicht als wahrscheinlich betrachten müsse, positive Kenntnis von jenen Umständen erlange, die zum Schadenseintritt führten. Die zweite Instanz legte eingehend dar, dass in den vorliegenden Fällen erst mit dem Vorliegen der Nachberechnungen der Kreditkonten und Bekanntgabe der Ergebnisse Kenntnis vom Schaden bestanden habe. Alle Nachberechnungen seien innerhalb von drei Jahren vor Klagseinbringung (29. Jänner 2001) erfolgt. Mit Ausnahme eines Kreditnehmers, bei dem der Schaden unstrittig sei und bei dem bereits ein Teilurteil gefällt werden könne, bedürfe es noch Feststellungen zur Höhe des (noch) begehrten Schadens.

Die Revision und der Rekurs der beklagten Partei sind entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist, mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

a) Nach stRsp des Obersten Gerichtshofs (10 Ob 23/04m = JBl 2005, 443 [Lukas] = EvBl 2005/140 = RdW 2005, 418 = ÖBA 2005, 546 [Apathy] = RZ 2005, 201; 7 Ob 190/04y = ecolex 2005, 532 [Klauser] = RdW 2005, 540 = ÖBA 2005, 807; 1 Ob 68/05i, 7 Ob 204/05h und 6 Ob 172/05w; RIS-Justiz RS0119840) stellt die Verwendung einer mit § 6 Abs 1 Z 5 KSchG unvereinbaren (weil unbestimmten) Zinsänderungsklausel durch eine Bank im Rahmen von Verbraucherkreditverträgen ein durchaus rechtswidriges Verhalten dar, das geeignet ist, eine Schadenersatzpflicht der Bank zu begründen, wenn dem Kunden durch dieses Verhalten ein Schaden entsteht. Es liegt nämlich die Verletzung einer vorvertraglichen Verhaltenspflicht, „bei der Aufstellung von AGB auf die berechtigten Interessen der künftigen Vertragspartner Rücksicht zu nehmen, insbesondere keine sittenwidrigen, grob unbilligen oder sozialschädlichen Klauseln aufzustellen", vor. Für das Verschulden gilt der objektivierte Maßstab des § 1299 ABGB; die Beweislast für das fehlende Verschulden trifft nach § 1298 ABGB den Kreditgeber. Die Weiterverwendung einer solchen Klausel - u.a. durch Fortschreibung eines aufgrund der Anwendung einer unzulässigen Zinsänderungsklausel unrichtigen Saldostands - und die Berufung auf diese ist ab dem Zeitpunkt, in dem die Unwirksamkeit erkannt werden musste, jedenfalls als rechtswidrig zu qualifizieren. Die Verwendung von Klauseln, die dem Bestimmtheitsgebot nicht entsprachen, stellte unter Berücksichtigung der bereits damals bestehenden Gesetzeslage (§ 6 Abs 1 Z 5 KSchG idF vor der KSchG-Novelle 1997) nach Rsp und Lehre ein Verschulden dar.

Die Bejahung eines Schadenersatzanspruchs der Kreditnehmer in den vorliegenden Fällen entspricht den Grundsätzen dieser gefestigten Rsp des Obersten Gerichtshofs.

b) Zu den bei der Beurteilung des Beginns der Verjährungsfrist in einem solchen Fall einzuhaltenden Grundsätze liegt ebenfalls bereits Rsp des Obersten Gerichtshofs vor. Danach darf die Erkundigungsobliegenheit des Kreditnehmers nicht überspannt werden. Der Kreditnehmer kann der Bank vertrauen, dass sie keine nach der Rechtslage unzweifelhaft nichtigen Vertragsklauseln vereinbart. Erst wenn der Kreditnehmer Verdachtsmomente (etwa verdichtete Medieninformation) hat, aus denen er schließen kann, dass diese Verhaltenspflicht von den Banken nicht eingehalten worden sein könnte, kommt seine Erkundigungsobliegenheit zum Tragen und es ist von ihm zu verlangen, dass er Maßnahmen setzt, um das Verhalten der Bank, somit seines Kreditgebers, zu kontrollieren (7 Ob 204/05h). Das Vorliegen von Medienberichten reicht für den Beginn der Verjährung jedenfalls dann nicht aus, wenn sich daraus nur allgemein ergibt, dass Banken Zinssenkungen nicht entsprechend weitergegeben haben. Entscheidend ist vielmehr, ob und wann sich die Medieninformationen derart verdichtet hatten, dass für die Kreditnehmer ersichtlich werden musste, auch ihre konkreten Kreditverträge seien unkorrekt abgerechnet (zuletzt 6 Ob 172/05w mwN).

Für die hier zu beurteilenden Forderungen folgt daraus, dass jedenfalls nach Vorliegen derartiger Medienberichte rechtzeitig innerhalb von drei Jahren Klage eingebracht wurde. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts entspricht auch in diesem Punkt der Rsp des Obersten Gerichtshofs.

Auf Bedenken gegen eine - als überspannt beurteilte - Erkundigungspflicht/obliegenheit des Geschädigten zur Frage, ob ihm ein Schaden entstanden ist bzw. sein könnte, im Speziellen durch Einholung eines privaten Sachverständigengutachtens, und einem davon abhängigen Beginn der Verjährungsfrist muss hier nicht mehr eingegangen werden.

c) Was den Zuspruch von 5.035,05 EUR im Kreditfall A***** mit Teilurteil anlangt, liegt ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO vor, die vom Obersten Gerichtshof zu lösen wäre. Der hier zugesprochene Betrag errechnet sich aus der Differenz zwischen den von der beklagten Partei ihren Kreditnehmern verrechneten Zinsen und den sich nach der von der Beklagten nunmehr regelmäßig verwendeten „Zinsgleitklausel neu" ergebenden Zinsen. Hiezu brachte der Kläger vor, die Gestaltung dieser neuen Zinsgleitklausel, die auf SMR+VIBOR(EURIBOR)/2 abstelle, sei gesetzeskonform. Dies bezeichnete die beklagte Partei als nicht zwingend, stellte aber in ihrem umfangreichen Vorbringen keine konkrete Behauptung auf, welcher andere Referenzzinssatz dem hypothetischen Parteiwillen eher entsprochen hätte bzw von redlichen und vernünftigen Parteien gewählt worden wäre.

d) Zu den Rechtsfolgen der Unwirksamkeit einer Zinsanpassungsklausel hat bereits der 4. Senat in seiner E 4 Ob 73/03v (= SZ 2003/73; ebenso 1 Ob 68/05i, 6 Ob 172/05w) ausgeführt, dass die gesetzwidrige Vertragsbestimmung nach dem Normzweck des § 6 KSchG Teilnichtigkeit des Vertrags ex tunc bewirkt. Die Zinsanpassungsklausel fällt nicht ersatzlos weg; vielmehr hat eine Vertragsanpassung nach den allgemeinen Regeln der Vertragsinterpretation und -ergänzung zu erfolgen. Als Behelf ergänzender Auslegung kommt zunächst die Frage nach dem hypothetischen Parteiwillen in Betracht. Die Suche nach einer angemessenen Regelung hat sich daran zu orientieren, was redliche und vernünftige Parteien bei angemessener Berücksichtigung der Interessen beider Teile vereinbart hätten, wenn sie sich bei Vertragsschluss der Gültigkeit der von ihnen gewollten Zinsanpassungsklausel bewusst gewesen wäre. Bei der gebotenen ergänzenden Vertragsauslegung ist insbesondere sicherzustellen, dass die Zinsanpassungsklausel die Bank nicht einseitig begünstigt. Es muss daher gewährleistet sein, dass eine Bank bei sinkendem Zinsniveau und Verbesserung der Refinanzierungskonditionen auch zur entsprechenden Herabsetzung des Zinssatzes gegenüber dem Kreditnehmer (Anpassungssymetrie) verpflichtet ist. Sofern der „hypothetische Parteiwille" nicht feststellbar sein sollte, ist hilfsweise auf die redliche Verkehrsübung und Treu und Glauben abzustellen (6 Ob 172/05w).

Der Oberste Gerichtshof hat bereits in der E 9 Ob 62/04i (= ecolex 2005, 445 = ÖBA 2005, 642 [G. Graf 648]; ebenso 6 Ob 172/05w) eine aus dem Mittel von VIBOR (Vienna Interbank Offered Rate; der Durchschnitt von Zinssätzen, die bei Zwischenbankeinlagen von acht Kreditinstituten am Wiener Platz berechnet wurden, wobei die höchsten und die niedrigsten Zinssätze ausgesondert und der sich ergebende Durchschnittszinssatz auf die nächsthöheren 5 Basispunkte aufgerundet wurde; mit 1. Jänner 1999 abgelöst durch den EURIBOR = Euro Interbank Offered Rate, ein für Termingelder in Euro ermittelter Zwischenbanken-Zinssatz) und SMR (Sekundärmarktrendite) gebildete, von zahlreichen Kreditinstituten seit 1997 verwendete Klausel als dem hypothetischen Parteiwillen am ehesten entsprechend angesehen, wenn schon in der ursprünglichen Klausel Elemente des Kredit- als auch des Geld- und Kapitalmarkts angedeutet waren. G. Graf (aaO) pflichtete diesem Ansatz bei. Die Maßgeblichkeit der späteren Vertragspraxis liegt darin, dass die Verwendung der Klausel durch die Bank zum Ausdruck bringt, dass diese Klausel aus ihrer Sicht am Besten geeignet ist, das angestrebte Ziel der Anbindung des Vertragszinses an die allgemeine Entwicklung des Geld- und Kapitalmarkts zu gewährleisten (G. Graf aaO). In diesem Sinn können daher auch von der beklagten Partei später verwendete (zulässige) Zinsgleitklauseln Aufschlüsse über den aus Sicht der beklagten Partei am ehesten geeigneten Indikator bieten.

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze der Rsp des Obersten Gerichtshofs liegt in der im Einzelfall vom Berufungsgericht vorgenommenen Berechnung keine auffallende Fehlbeurteilung, weshalb sowohl die Revision als auch der Rekurs der beklagten Partei als unzulässig zurückzuweisen sind.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision und des Rekurses der beklagten Partei hingewiesen.

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