Spruch:
Erwerben mehrere Personen ein versichertes Objekt, so kann der Versicherungsvertrag nur von allen Erwerbern gemeinsam aufgekundigt werden. Kundigt nur einer der Erwerber - ohne Hinweis auf ein Vollmachtsverhältnis - und weist der Versicherer diese unwirksame Kündigung nicht zurück, muß er sich so behandeln lassen, als wäre der ganze Versicherungsvertrag wirksam gekundigt worden.
Entscheidung vom 11. Mai 1955, 3 Ob 221/55.
I. Instanz: Bezirksgericht Mureck; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.
Text
Die Klägerin klagt die fällige Feuerversicherungsprämie in der Höhe von 57 S 50 g zuzüglich Nebenspesen ein, mit der Behauptung, daß infolge Besitzwechselkündigung des Gatten der Beklagten der Feuerversicherungsvertrag hinsichtlich dessen Hälfte aufgelöst sei, hinsichtlich der Hälfte der Beklagten jedoch noch aufrecht bestehe.
Die Beklagte stellte den Zwischenantrag auf Feststellung, daß der zwischen der klagenden Partei und dem Besitzvorgänger der Beklagten, Alois S., hinsichtlich des Hauses in T. Nr. 25 abgeschlossene Feuerversicherungsvertrag Nr. 2.454.629 infolge der am 15. Jänner 1954 bei der Klägerin eingelangten, vom Gatten der Beklagten unterschriebenen Kündigung rechtswirksam aufgehoben und für die Beklagte nicht mehr verbindlich sei. Das Streitinteresse wurde mit 575 S bewertet.
Das Erstgericht gab dem Zwischenantrag auf Feststellung statt und wies das Klagebegehren ab. Zwischen der Klägerin und dem Vorbesitzer der Beklagten bestand ein Feuerversicherungsvertrag bezüglich des ganzen Hauses T. Nr. 25. Dieses Haus kauften am 28. April 1953 die Beklagte und ihr Ehegatte Josef Sch. Ihr Eigentumsrecht je zur Hälfte wurde am 11. Jänner 1954 einverleibt. Der Gatte der Beklagten hat mit einem Formblatt "Besitzwechselkündigung" an die Klägerin folgendes Schreiben gerichtet: "Ich (wir) habe(n) soeben Kenntnis erlangt, daß die in meinen (unseren) Besitz übergegangenen Objekte (Mobilien) in T. Nr. 25, Gemeinde T., Gerichtsbezirk Mureck, bei ihnen unter Vers. Nr. 2.454.629 versichert erscheinen. Ich (wir) kundige(n) diese Versicherung mit sofortiger Wirksamkeit und ersuche(n) um eine schriftliche Bestätigung dieser Kündigung. Name des Vorbesitzers: Alois S. Josef Sch. (eigenhändige Unterschrift)". Die Beklagte war mit der Kündigung einverstanden, und es sollte mit diesem Schreiben der gesamte Versicherungsvertrag des Vorbesitzers aufgekundigt werden und nicht nur eine Teilkündigung hinsichtlich der Hälfte des Gatten erfolgen. Auf Ersuchen der Klägerin gab das Grundbuchsgericht Mureck bekannt, daß das Eigentumsrecht auf dieser Liegenschaft am 11. Jänner 1954 für Josef und Mathilde Sch. eingetragen worden sei.
Das Haus sei vom Vorbesitzer mit einheitlichem Versicherungsvertrag versichert worden. Diese Einheitlichkeit des Vertrages sei auch durch den Besitzwechsel nicht aufgehoben worden. Die Klägerin müsse es sich gefallen lassen, daß der Ehegatte allein die Kündigung ausgesprochen habe, auch wenn er nicht gesondert auf das Vollmachtsverhältnis hingewiesen habe. Mit diesem Kündigungsschreiben sei der ganze Versicherungsvertrag aufgehoben worden. Im übrigen bestehe auf dem Lande auch der Brauch, daß der Ehegatte bei Behörden, so auch bei Versicherungsverträgen, für die Frau einschreitet. Wäre die Klägerin im Zweifel gewesen, hätte sie rückzufragen gehabt. Die Klägerin habe jedoch bewußt eine solche Anfrage unterlassen. Dieses Vorgehen sei sittenwidrig.
Das Berufungsgericht wies die Berufung gegen Punkt 2) des erstgerichtlichen Urteiles als unzulässig zurück und änderte das Urteil im Punkte 1) dahin ab, daß der Zwischenantrag auf Feststellung abgewiesen wurde. Bei einer Personenhäufung in einer Parteirolle stellten diese zusammen den Versicherungsnehmer dar. Es könnten daher auch nur die mehreren Personen gemeinsam den Vertrag kundigen. Das Kündigungsschreiben habe keinen Hinweis auf das Bevollmächtigungsverhältnis enthalten. Die Klägerin habe daraus nicht entnehmen können, daß Josef Sch. auch für seine Gattin handle. Bei Zweifelhaftigkeit des Kündigungsschreibens gehe diese zu Lasten des Kundigenden. Es bestehe daher der Versicherungsvertrag noch aufrecht.
Der Oberste Gerichtshof stellte das Urteil des Prozeßgerichtes wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Durch den Übergang des Versicherungsvertrages auf die beiden Erwerber blieb das Schuldverhältnis jedenfalls hinsichtlich der Gestaltungsrechte unteilbar. Erklärungen hinsichtlich der Gestaltungsrechte können nur für und gegen alle oder für und gegen keinen wirken. Teilkündigungen, die nur für einen Mitgenossen wirken, sind unzulässig. Die Erklärung muß an alle Beteiligten erfolgen, ob nun der Gegner oder einer der Genossen die Erklärung abgibt. Eine Erklärung, die hierin mangelhaft ist, kann auch keine Teilwirkung erzielen (Gschnitzer in Klang 2. Aufl. IV 282). Den Versicherungsvertrag konnten daher nur beide Ehegatten gemeinsam aufkundigen. Es ist natürlich möglich, daß einer der Erwerber auch namens der anderen Erwerber aufkundigt, dann muß aber aus der Kündigung zu erkennen sein, daß sie auch namens des anderen Teiles erfolgt. Läßt sie dies nicht erkennen, wäre sie tatsächlich unwirksam.
Im vorliegenden Fall hat nun der Gatte der Beklagten den ganzen Versicherungsvertrag aufgekundigt. Einen ausdrücklichen Hinweis auf die vorliegende Bevollmächtigung seitens der Frau oder darauf, daß die Kündigung in Ausübung der gesetzlichen Verwaltungsbefugnis erfolgte, enthält die Kündigung nicht. Mit Recht verweist aber die Beklagte darauf, daß auch der Wille des Kundigenden, nur für seine Person aufzukundigen, der Kündigung, so wie sie im Wortlaut festgestellt wurde, nicht zu entnehmen ist. Die Kündigung des Versicherungsvertrages wäre daher an sich unwirksam gewesen. Nun ist aber der Versicherer gehalten, unvollständige oder formunwirksame oder aus anderen Gründen ungültige Kündigungen zurückzuweisen. Weist er sie nicht zurück, muß er sich so behandeln lassen, als sei wirksam gekundigt worden.
Der Klägerin war die durch den Verkauf der versicherten Liegenschaft eingetretene Personenhäufung auf Seite des Versicherungsnehmers bekannt. Ihr war daher auch bekannt, daß nur beide Miteigentümer gemeinsam den Vertrag kundigen könnten und die Kündigung nur durch einen Vertragsteil unwirksam ist. Sie hätte daher nach dem oben dargelegten Grundsatz die Kündigung zurückweisen müssen. Tat sie dies nicht, muß sie sich so behandeln lassen, als wäre der ganze Versicherungsvertrag wirksam auch namens der Beklagten gekundigt worden. Die Klägerin war aber nicht berechtigt, die Kündigung des ganzen Vertrages als Teilkündigung des Ehemannes aufzufassen und in diesem nicht gewollten Umfange gelten zu lassen.
Dazu kommt, daß nach der Auskunft des Grundbuchsamtes der Klägerin auch klar sein mußte, daß die neuen Miteigentümer der Liegenschaft Ehegatten sind, da es andernfalls nicht üblich ist, die Liegenschaftseigentümer als Josef und Mathilde Sch., sondern jeden Miteigentümer mit seinem Familiennamen gesondert zu bezeichnen. Wenn daher auch auf eine Bevollmächtigung in der Kündigung nicht ausdrücklich Bezug genommen wurde, war der Klägerin ohne weiteres erkennbar, daß der Mann wenigstens in Ausübung seiner gesetzlichen Vertretungsmacht handelte, der Vertrag daher auch namens der Frau aufgekundigt werden sollte, zumal ja tatsächlich der Kündigung zu entnehmen war, daß der gesamte Vertrag aufgelöst werden sollte. Hätte die Klägerin Bedenken wegen des Einverständnisses der Frau gehabt, wäre es ihre Sache gewesen, die Vorlage der Bevollmächtigung oder der Zustimmungserklärung zu begehren, oder sie hätte eben die Kündigung ohne unnötigen Verzug zurückweisen müssen, so daß den Erwerbern die Möglichkeit offen gestanden wäre, den Vertrag formgerecht unter Einhaltung der Frist aufzulösen. Den gleichen Grundsatz vertritt auch die deutsche Rechtsprechung unter Hinweis auf den den Versicherungsvertrag beherrschenden Betreuungs- und Fürsorgegedanken. Ersehe der Versicherer den Willen des Versicherungsnehmers, den Vertrag zu lösen, habe er ihm den Weg zur wirksamen Kündigung zu weisen, ein gegenteiliges Verhalten widerspreche den guten Sitten (vgl. JRPV. 1941 S. 76).
Der Zwischenantrag auf Feststellung ist somit begrundet, so daß das erstgerichtliche Urteil in diesem Punkte wiederherzustellen war.
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