OGH 3Ob21/94

OGH3Ob21/9427.4.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Gerstenecker und Dr.Pimmer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei P***** Bank Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr.Georg Reiter und Dr.Christoph Brandweiner, Rechtsanwälte in Salzburg, und einer anderen betreibenden Partei wider die verpflichtete Partei S*****, wegen S 22,416.254,46 sA und einer anderen Forderung, infolge Rekurses der führenden betreibenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgerichtes vom 19.Jänner 1994, GZ 3 R 505/93-28, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Spittal an der Drau vom 18.Oktober 1993, GZ E 9033/92-21, aufgehoben wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten der führenden betreibenden Partei P***** Bank Aktiengesellschaft für den Rekurs werden mit S 71.280,- (darin S 11.880,- Umsatzsteuer) als weitere Exekutionskosten bestimmt.

Text

Begründung

Der in diesem Verfahren führenden betreibenden Partei wurde zur Hereinbringung der Forderung von S 22,416.354,46 sA die Exekution durch Zwangsversteigerung von Liegenschaften bewilligt, die in insgesamt vier Grundbuchseinlagen enthalten sind. Zugleich wurde die Anmerkung der Einleitung des Versteigerungsverfahrens im Rang eines für einen Höchstbetrag von S 28 Millionen eingetragenen Pfandrechts angeordnet. In drei von der Exekution betroffenen Einlagen besteht der Grundbuchskörper jeweils nur aus einem Grundstück, in der vierten aus insgesamt vier Grundstücken, wobei diese und die anderen Grundstücke in der Natur zusammenhängen und nach dem Flächenwidmungsplan zum Teil als "Bauland-Kurgebiet, Sonderwidmung Apparthotel", zum Teil als nicht allgemein zugängige Parkanlage und zum Teil als Wald gewidmet sind. Auf einem dieser Grundstücke befindet sich ein Apparthotel.

Der vom Erstgericht bestellte Sachverständige ermittelte auf Grund der mit Beschluß vom 15.9.1992 angeordneten Schätzung aller Liegenschaft deren Verkehrswert mit "rund" S 19,250.000,-. Das Erstgericht gab hierauf im Sinn des § 31 Abs 1 RSchO den Parteien und Beteiligten - zufolge Art IV Abs 2 lit c LBG unrichtig - den angeführten Betrag als Schätzwert unter Setzung einer Frist zur Erhebung von Einwendungen bekannt. Einwendungen wurden nicht erhoben.

Die führende betreibende Partei legte den Entwurf von Versteigerungsbedingungen vor, in dem sie dem Inhalt nach vorschlug, alle Liegenschaften gemeinsam zu versteigern sowie das Vadium mit S 1,925.000,- und das geringste Gebot mit S 15 Millionen festzusetzen. Das Erstgericht führte in der Ladung zu der von ihm anberaumten Tagsatzung zur Feststellung der Versteigerungsbedingungen (EForm 213) als von den gesetzlichen Bedingungen abweichende Vorschläge der betreibenden Partei nur an, daß das Meistbot mit 8 % verzinst und bei der führenden betreibenden Partei, einem Kreditinstitut, erlegt werden solle. An der Tagsatzung beteiligte sich nur die führende betreibenden Partei.

Das Erstgericht setzte nach Abhaltung der Tagsatzung mit Beschluß vom 18.10.1993 den Schätzwert für alle zu versteigernden Liegenschaften zusammen mit S 19,250.000,- und stellte überdies die Versteigerungsbedingungen entsprechend dem Vorschlag der führenden betreibenden Partei mit der Ausnahme fest, daß das Meistbot nicht bei dieser, sondern bei Gericht oder einem vom Gericht bekanntzugebenden Kreditinstitut zu erlegen ist.

Gegen diesen Beschluß erhob ein Pfandgläubiger, für den auf den zu versteigernden Liegenschaften Simultanhöchstbetragspfandrechte eingetragen sind, Rekurs, in dem er im wesentlichen vorbrachte, daß die gemeinsame Versteigerung aller Liegenschaften den (gemeint: der führenden betreibenden Partei) im Rang nachfolgenden Pfandgläubigern zum Nachteil gereichen könne.

Das Rekursgericht trug infolge dieses Rekurses dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Ergänzung des Verfahrens auf und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,- übersteigt und der ordentliche "Revisionsrekurs" zulässig sei. Bei der von der führenden betreibenden Partei vorgeschlagenen gemeinsamen Versteigerung der eine wirtschaftliche Einheit bildenden Liegenschaften handle es sich um eine zulässige Abweichung von den gesetzlichen Versteigerungsbedingungen, die erst nach Durchführung einer Verhandlung genehmigt werden dürfe. Eine solche Verhandlung sei hierüber aber nicht durchgeführt worden, weil die angeführte Abweichung in der Ladung zu der zur Feststellung der Versteigerungsbedingung anberaumten Tagsatzung nicht angeführt worden sei. Die gemeinsame Versteigerung aller Liegenschaften sei überdies nur mit Zustimmung des Rekurswerbers zulässig, zumal nicht auszuschließen sei, daß hiedurch seine Interessen beeinträchtigt werden könnten. Im Sinn des § 143 Abs 3 EO in der hier schon anzuwendenden Fassung des LBG müsse überdies das Schätzungsgutachten durch die Angabe des Wertes ergänzt werden, den jeder Grundbuchskörper für sich allein hat.

Rechtliche Beurteilung

Der von der führenden betreibenden Partei gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Rekurs ist nicht berechtigt.

Bilden mehrere Grundbuchskörper den Gegenstand der Zwangsversteigerung, so sind sie nach dem Gesetz getrennt zu versteigern, auch wenn die Zwangsversteigerung in einem einheitlichen Beschluß bewilligt wurde (Heller-Berger-Stix II 1332). Dafür spricht § 178 Abs 2 letzter Satz EO, weil dort vorgesehen ist, daß der Richter im Versteigerungstermin die Reihenfolge zu verkünden hat, in welcher mehrere im selben Termin zur Versteigerung gelangende "Liegenschaften" desselben Verpflichteten ausgeboten werden. Dabei ist unter "Liegenschaft" offensichtlich ein Grundbuchskörper im Sinn des § 5 Abs 1 AllgGAG zu verstehen. Dem Gesetz ist kein ausreichender Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, daß für Grundbuchskörper, die eine wirtschaftliche Einheit bilden, etwas anderes gilt.

Dem Rekursgericht ist somit entgegen der von der Rekurswerberin in ihrem Rekurs vertretenen Ansicht darin beizupflichten, daß die von ihr im Entwurf der Versteigerungsbedingungen vorgeschlagene gemeinsame Versteigerung aller Grundbuchskörper von den gesetzlichen Versteigerungsbedingungen abweicht (vgl auch GlUNF 7485; Heller-Trenkwalder 477). Die Feststellung solcher Versteigerungsbedingungen setzt gemäß § 162 Abs 1 EO voraus, daß die Abweichung zulässig ist und daß hierüber verhandelt wurde. Die - schon in GlUNF 7485 bejahte - Zulässigkeit der angeführten Abweichung ergibt sich für den Fall, daß die Grundbuchskörper eine wirtschaftliche Einheit bilden, aus § 143 Abs 3 EO idF des LBG (vgl früher § 14 Abs 1 RSchO), wo vorgeschrieben wird, daß bei solchen Grundbuchskörpern, auch zu ermitteln ist, welchen Wert alle zusammen als wirtschaftliche Einheit haben. Dieser Wert ist aber nur von Bedeutung, wenn alle Grundbuchskörper gemeinsam versteigert werden.

Dem Rekursgericht ist auch darin beizupflichten, daß über eine vom betreibenden Gläubiger vorgeschlagene Abweichung von den gesetzlichen Versteigerungsbedingungen nur dann im Sinn des § 162 Abs 1 EO verhandelt wurde, wenn sie in der Ladung zu der zur Feststellung der Versteigerungsbedingungen anberaumten Tagsatzung angeführt wurde (RPflSlgE 1961/189). Dies geht aus § 56 Abs 2 letzter Satz EO hervor, wonach in der Ladung unter anderem der wesentliche Inhalt des der Verhandlung zugrundeliegenden Antrags anzugeben ist. Hier war aber der Ladung nicht zu entnehmen, daß den Gegenstand der Verhandlung auch die Frage der gemeinsamen Versteigerung aller Grundbuchskörper bilden sollte. Die Anführung dieser Abweichung war entgegen der von der Rekurswerberin im Rekurs vertretenen Meinung nicht deshalb entbehrlich, weil das Erstgericht einen Schätzwert nur für alle Grundbuchskörper gemeinsam bekanntgegeben hatte. Der Umstand, daß aus den Verfahrensergebnissen der wahrscheinliche Inhalt des den Gegenstand der Verhandlung bildenden Antrags erschlossen werden kann, ersetzt nicht die Anführung des wesentlichen Inhalts des Antrags in der Ladung.

Das Rekursgericht hat dem Erstgericht daher zutreffend die Ergänzung des Verfahrens aufgetragen, weil noch nicht über alle von der führenden betreibenden Partei vorgeschlagenen Abweichungen zu den gesetzlichen Versteigerungsbedingungen verhandelt wurde.

Der Oberste Gerichtshof vermag sich allerdings der Auffassung des Rekursgerichtes nicht anzuschließen, daß die gemeinsame Versteigerung aller Grundbuchskörper nur mit Zustimmung aller Beteiligten und damit auch des Pfandgläubigers, der gegen den erstgerichtlichen Beschluß den Rekurs erhob, festgestellt werden kann. Grundsatz ist, daß eine zulässige Abweichung von den gesetzlichen Versteigerungsbedingungen festzustellen ist, wenn sie der Sachlage am besten entspricht und am meisten geeignet ist, die Erzielung eines hohen Meistbotes zu bewirken (GlUNF 7485). Im Gesetz ist allerdings in mehreren Bestimmungen vorgesehen, daß Abweichungen von den gesetzlichen Versteigerungsbedingungen nur mit Zustimmung des betreibenden Gläubigers (beim geringsten Gebot gemäß § 151 Abs 1 EO), des Berechtigten (bei der Übernahme von Lasten gemäß § 150 Abs 1 EO) oder des betreibenden Gläubigers und der auf der Liegenschaft pfandrechtlich sichergestellten Gläubiger (bei der Berichtigung des Meistbots gemäß § 152 Abs 5 EO) festgestellt werden können. Für das Vadium ist dies hingegen nicht vorgesehen (§ 147 EO). Nur auf das im Gesetz ausdrücklich vorgesehene Erfordernis der Zustimmung beziehen sich die Entscheidung RPflE 1972/21 und überwiegend die darin zitierten Belegstellen (Petschek, Zwangsvollstreckungsrecht 130;

Heller-Berger-Stix II 1284; Pollak, Zivilprozeßrecht 977;

Heller-Trenkwalder 542 FN 13; anders allerdings Walker, Exekutionsrecht 200), wo die Ansicht vertreten wird, daß gegebenenfalls auch die dem Versteigerungsverfahren beigetretenen betreibenden Gläubiger zustimmen müssen.

Der Umstand, daß im Gesetz der Kreis der Personen, deren Zustimmung erforderlich ist, je nach der Art der Abweichung verschieden umschrieben und zum Teil überhaupt eine Zustimmung nicht verlangt wird, spricht dafür, daß Abweichungen, für die im Gesetz das Erfordernis der Zustimmung nicht ausdrücklich vorgesehen ist, vom Gericht auf Grund eines entsprechenden Antrags unabhängig von der Zustimmung der Parteien und Beteiligten als Inhalt der Versteigerungsbedingungen festgestellt werden dürfen, wenn dies am besten ihren Interessen Rechnung trägt. Diese Ansicht entspricht der Entscheidung GlUNF 7485 und den Ausführungen von Heller-Berger-Stix (II 1284) sowie Heller-Trenkwalder (542 FN 13). Sie liegt offensichtlich auch den Entscheidungen RZ 1937, 247, JBl 1921, 61 und EvBl 1985/1 zugrunde, in denen die - bei einem entsprechenden Antrag im übrigen allenfalls auch hier in Betracht kommende - Versteigerung mehrerer Grundbuchskörper durch zweimaliges Ausbieten im Sinn des JME 9.6.1902 Zl 6062 (abgedruckt in der MGA12 in Anm 10b zu § 146) als zulässige Abweichung angesehen wurde. Soweit in der Entscheidung RZ 1936, 99 und - ihr folgend - von Heller-Berger-Stix (II 1333) und Puster (Zwangsversteigerung2 Rz 502) für die gemeinsame Versteigerung mehrerer Grundbuchskörper die Zustimmung aller Beteiligten gefordert wird, vermag sich dem der erkennende Senat aus den dargelegten Gründen nicht anzuschließen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekurses der führenden betreibenden Partei beruht auf § 74 EO. Da damit zur Erklärung der Frage beigetragen wurde, ob für die Feststellung der gemeinsamen Versteigerung aller Grundbuchskörper die Zustimmung des Pfandgläubigers erforderlich ist, der den erstgerichtlichen Beschluß mit Rekurs bekämpfte, war der Rekurs der führenden betreibenden Partei zur (zweckentsprechenden) Rechtsverwirklichung notwendig obwohl er nicht zu einer Änderung des angefochtenen Beschlusse führte.

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