Spruch:
Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wird zurückgewiesen, soweit er sich gegen die Zurückweisung des Rekurses gegen die Beschlüsse vom 16. 8. 1995 (ON 28) und vom 28. 6. 1996 (ON 43) richtet.
Im übrigen wird dem Rekurs an den Obersten Gerichtshof teilweise Folge gegeben; der angefochtene Beschluß des Rekursgerichtes wird insofern bestätigt, als der Rekurs gegen den Beschluß des Erstgerichtes vom 16. 11. 1993 (ON 3) zurückgewiesen wurde, jedoch insofern aufgehoben, als der Rekurs gegen die Beschlüsse des Erstgerichtes vom 4. 9. 1995 (ON 29), vom 2. 2. 1996 (ON 36) und vom 29. 3. 1995 (ON 39) zurückgewiesen wurde; dem Rekursgericht wird in diesem Umfang die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die Kosten des Rekurses an den Obersten Gerichtshof sind weitere Kosten des Verfahrens vor dem Rekursgericht.
Text
Begründung
Gegenstand des Verfahrens ist die mit Beschluß vom 16. 11. 1993 bewilligte Zwangsversteigerung einer Liegenschaft des Verpflichteten.
Das Erstgericht übermittelte mit Beschluß vom 6. 4. 1994 (ON 14) den Akt dem Bezirksgericht Hernals, das das für den Verpflichteten zuständige Pflegschaftsgericht ist, mit dem Ersuchen, den Verpflichteten unter Vorhalt seiner Eingaben vom 15. 3. 1994 (ON 12) und vom 23. 3. 1994 (ON 13) anzuleiten, einen geschäftsordnungsgemäßen Antrag zu stellen und diesen auch entsprechend zu begründen; sollte sich der Verdacht ergeben, daß der Verpflichtete nicht geschäftsfähig ist, so möge dies auch anher mitgeteilt werden.
Das Bezirksgericht Hernals stellte mit Beschluß vom 16. 12. 1994, 3 SW 21/94-14, das Verfahren zur Überprüfung der Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters für den Verpflichteten ein. In der Begründung führte es aus, der Betroffene habe Ladungen keine Folge geleistet, wobei er jedoch jeweils Schreiben übermittelt habe. Bei ähnlicher Ausgangslage, nämlich aufgrund diverser vom damals ebenfalls Verpflichteten verfaßter "Schriftsätze", sei zu 3 SW 35/85 bereits ein Sachwalter-Prüfungsverfahren eingeleitet worden. Aufgrund des damals eingeholten, sich ausführlich mit der Problematik auseinandersetzenden Sachverständigengutachtens Dris. Otto Schiller sei das Verfahren mit Beschluß vom 30. 6. 1986 eingestellt worden. Im Einstellungsbeschluß sei unter anderem ausgeführt worden, daß der Betroffene - trotz seiner verworrenen Eingaben - weder psychisch krank noch geistig behindert sei. Nachdem sich die Art und Inhalte der vom Betroffenen verfaßten, nunmehr der vorliegenden Anregung zugrundeliegenden Schriftsätze im wesentlichen nicht verändert hätten, sei das Verfahren einzustellen.
Mit Beschluß vom 3. 10. 1996 (ON 49) setzte das Erstgericht den Versteigerungstermin vom 4. 10. 1996 ab, weil die Frage der Geschäftsfähigkeit des Verpflichteten in bezug auf das Exekutionsverfahren neu zu prüfen sei. Die Erstrichterin hielt in einem Aktenvermerk vom 3. 10. 1996 (AS 241) fest, nach genauer Durchsicht des Aktes, insbesondere nach Einlangen der Schreiben vom 19. 9. 1996 (ON 46) und vom 26. 9. 1996 (ON 47) erhärte sich der Verdacht, daß der Verpflichtete in bezug auf die Frage der Möglichkeiten der Abwehr eines ihm drohenden massiven Vermögensschadens durch Zwangsversteigerung seiner Liegenschaft (etwa durch Bezahlung der Forderung) nicht einsichtsfähig und nicht geschäftsfähig sei. Betrachte man das Schreiben ON 47, so müsse unzweifelhaft der Eindruck entstehen, daß der Verpflichtete nicht mehr in der Lage sei, die Verhältnismäßigkeit des Vermögensschadens, den er sich durch sein Nichthandeln zufügt, in Relation zu den Möglichkeiten der Abwehr dieses Schadens zu sehen. Eine neuerliche Überprüfung, ob der Verpflichtete in bezug auf die Wahrung seiner Rechte im Exekutionsverfahren geschäftsfähig ist, erscheine daher dringend angeraten.
Die Erstrichterin ersuchte das Bezirksgericht Hernals als Pflegschaftsgericht des Verpflichteten, dessen Geschäftsfähigkeit in bezug auf das Exekutionsverfahren zu überprüfen bzw die Frage zu überprüfen, ob der Verpflichtete zur Besorgung dieser einzelnen Angelegenheit einen Sachwalter benötigt.
Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Hernals vom 22. 4. 1997, 23 P 48/97k-6, wurde nach Erstanhörung des Betroffenen für den Verpflichteten Dr. Hans Wagner, Rechtsanwalt in Wien, zum einstweiligen Sachwalter bestellt, der für den Betroffenen folgende Angelegenheiten zu besorgen hat:
1.) Vertretung im Verfahren zur Bestellung eines Sachwalters,
2.) einstweilige Vertretung im Verfahren E 2348/93 des Bezirksgerichtes Neulengbach sowie allfälligen bezugnehmenden Verfahren.
Nach Einholung des Gutachtens des Sachverständigen Univ. Doz. Dr. Georg Pakersch wurde mit rechtskräftigem Beschluß vom 22. 8. 1997, 23 P 48/97k-24, Dr. Hans Wagner, Rechtsanwalt in Wien, für den Verpflichteten gemäß § 273 ABGB zum Sachwalter bestellt. Der Sachwalter hat folgende Angelegenheit zu besorgen (§ 273 Abs 3 Z 1 ABGB): Vertretung im Verfahren E 2348/93 des Bezirksgerichtes Neulengbach sowie allfälligen bezugnehmenden Verfahren. Das Pflegschaftsgericht stellte, dem psychiatrischen Gutachten des Sachverständigen Univ. Doz. Dr. Pakersch folgend, fest, daß beim Verpflichteten, ausgelöst durch die Übertragung der Obsorge über seinen Sohn anläßlich der Scheidung im Jahr 1971 an die Mutter und das hiebei möglicherweise berechtigt erlebte Unrecht eine paranoide Reaktionsbereitschaft gegenüber Ämtern und Gerichten besteht. Als Folge davon kommt es zur abschweifendem Gedankengang, es werden Gedankeninhalte in logisch nicht nachvollziehbarer Weise verknüpft, unrichtige Vorstellungen von der Wirklichkeit werden nicht revidiert, teilweise tritt eine Verminderung des Realitätsbezuges hinzu. Nicht über das altersgemäße Ausmaß hinaus gehen hingegen die Verminderung der Gedächnisleistung und die geistige Leistungsverminderung.
Mit noch nicht rechtskräftigem Beschluß des Bezirksgerichtes Hernals vom 18. 2. 1998, 23 P 48/97k-35, wurde die Sachwalterschaft insofern geändert, als der Wirkungskreis des Sachwalters um die Einkommens- und Vermögensverwaltung erweitert wurde.
Nach der mit Verfügung vom 16. 2. 1998 auf Antrag des Sachwalters angeordneten Zustellung der Beschlüsse an ihn erhob der durch den Sachwalter vertretene Verpflichtete Rekurse gegen die Exekutionsbewilligung ON 3, den Beschluß auf Bestimmung der Gebühren des Sachverständigen für die Schätzung der Liegenschaft ON 28, die Festsetzung des Schätzwertes ON 29, den Beschluß auf Anberaumung der Tagsatzung zur Feststellung der Versteigerungsbedingungen ON 36, die Feststellung der Versteigerungsbedingungen ON 39 und die Bestimmung der Einschaltungskosten des Ediktes in der Wiener Zeitung ON 43.
Das Rekursgericht wies alle Rekurse als verspätet zurück. Die Bestellung des Sachwalters für den Verpflichteten sei erst mit Eintritt der Rechtskraft dieses Beschlusses wirksam. Eine Vorverlegung der Wirksamkeit sei schon aufgrund des Beschlusses des Bezirksgerichtes Hernals vom 16. 12. 1994, mit dem das Verfahren zur Überprüfung der Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters für den Verpflichteten eingestellt wurde, nicht möglich.
Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht nicht zu, weil besondere die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses rechtfertigende Umstände nicht vorlägen.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs des Verpflichteten an den Obersten Gerichtshof ist jedenfalls unzulässig, soweit der Rekurs des Verpflichteten gegen die Beschlüsse des Erstgerichtes auf Bestimmung der Gebühren des Sachverständigen für die Schätzung der Liegenschaft (ON 28) und auf Bestimmung der Kosten der Einschaltung des Ediktes in der Wiener Zeitung (ON 43) vom Rekursgericht zurückgewiesen wurde (§ 78 EO, § 528 Abs 2 Z 3, 5 ZPO).
Der außerordentliche Rekurs des Verpflichteten an den Obersten Gerichtshof ist im übrigen zulässig und teilweise berechtigt.
Bei der Beurteilung der Folgen der Prozeßunfähigkeit des Verpflichteten ist davon auszugehen, daß die Vorschriften der §§ 1 bis 10 ZPO über die Prozeßfähigkeit nach § 78 EO auch im Exekutionsverfahren gelten. Beide Parteien des Exekutionsverfahrens müssen prozeßfähig sein (3 Ob 51, 1060/95; Rechberger/Simotta, Exekutionsverfahren2 Rz 106; Holzhammer, Österreichisches Zwangsvollstreckungsrecht4 20; Rechberger, Die fehlerhafte Exekution 182 f). Prozeßunfähige müssen sich eines gesetzlichen Vertreters bedienen. Die Prozeßunfähigkeit einer Partei ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen. Das Gericht hat wie im Prozeß gemäß §§ 6 und 7 ZPO zu versuchen, den Mangel zu beheben (RPflSlgE 1984/79; 3 Ob 51, 1060/95; Rechberger/Simotta aaO).
Gemäß § 6a ZPO, § 78 EO ist es dem Exekutionsgericht verwehrt, die Prozeßfähigkeit von Parteien, die der inländischen Pflegschaftsgerichtsbarkeit unterliegen und für die kein Sachwalter bestellt ist, zu prüfen. Gemäß § 6a Satz 3 ZPO, § 78 EO ist das Exekutionsgericht an die Entscheidung des Pflegschaftsgerichtes gebunden. Unter Entscheidung des Pflegschaftsgerichtes nach § 6a ZPO kann nur eine solche verstanden werden, mit der entweder für den Betroffenen ein Sachwalter bestellt wird oder die Notwendigkeit einer solchen Maßnahme verneint wird. Im letzteren Fall hat das Pflegschaftsgericht im Sinn des § 243 AußStrG das Verfahren in jeder Lage mit Beschluß (der gemäß § 246 Abs 1 AußStrG dem Betroffenen und seinem Vertreter zuzustellen ist) einzustellen. Erst nach Rechtskraft eines derartigen Einstellungsbeschlusses kann die im § 6a Satz 3 ZPO normierte Bindungswirkung gegenüber dem Prozeßgericht eintreten (SZ 60/56).
Im vorliegenden Fall liegt eine solche bindende Entscheidung des Pflegschaftsgerichtes insoweit vor, als mit Beschluß des Bezirksgerichtes Hernals vom 16. 12. 1994, 3 SW 2194/-13, der dem Verpflichteten am 23. 12. 1994 zugestellt wurde und in Rechtskraft erwachsen ist, das Verfahren zur Überprüfung der Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters eingestellt wurde. An diesem Beschluß ist das Exekutionsgericht insofern gebunden, als die Prozeßunfähigkeit des Verpflichteten ab Exekutionsbewilligung bis dahin zu verneinen ist; eine Bindung für das weitere Verfahrensstadium bis zur tatsächlich erfolgten Sachwalterbestellung besteht nicht. Das Gericht hat selbständig zu prüfen, ob eine Partei vor dem Wirksamwerden der Bestellung eines Sachwalters prozeßfähig war (8 Ob 2185/96y = ZIK 1997, 68). Da sich aus dem vor der Sachwalterbestellung eingeholten psychiatrischen Gutachten des Sachverständigen Univ. Doz. Dr. Pakersch ergibt, daß der Verpflichtete schon vor Bestellung des Sachwalters prozeßunfähig war, geht es nicht an, die Prozeßfähigkeit des Verpflichteten unter Hinweis auf den erwähnten, früheren Einstellungsbeschluß zu bejahen. Vielmehr ist hinreichend dargetan, daß die Prozeßfähigkeit des Verpflichteten schon in dem Verfahrensstadium zwischen dem Beschluß auf Einstellung gemäß § 6a ZPO und Bestellung des Sachwalters nicht mehr gegeben war. Die in diesen Zeitraum erfolgten Zustellungen an den Verpflichteten waren nichtig. Da diese Nichtigkeit erst mit Zustellung an den nunmehr bestellten Sachwalter geheilt ist, ist der von ihm eingebrachte Rekurs nicht verspätet. Das Rekursgericht wird daher seine sachliche Berechtigung zu beurteilen haben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO, § 78 EO.
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