OGH 3Ob201/93

OGH3Ob201/9312.1.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Gerstenecker und Dr.Pimmer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Parteien 1. Margareta W*****, 2. Claudia W*****, und 3. Birgit W*****, vertreten durch Dr.Heinz Wechsler, Rechtsanwalt in Wien, wider die verpflichtete Partei Anna Elisabeth L*****, vertreten durch Dr.Peter Bock, Rechtsanwalt in Wien, als Sachwalter, wegen S 727.113,-- sA, infolge Revisionsrekurses der betreibenden Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 10.August 1993, GZ 46 R 795/93-22, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Hernals vom 21.Jänner 1993, GZ 13 E 640/93-15, abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die verpflichtete Partei hat die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen.

Die Kosten der betreibenden Parteien für den Revisionsrekurs werden mit S 23.224,50 (darin S 3.870,75 Umsatzsteuer) als weitere Exekutionskosten bestimmt.

Text

Begründung

Den betreibenden Parteien wurde gegen die Verpflichtete zur Hereinbringung der Forderung von S 727.113,-- sA die Fahrnisexekution und zugleich gemäß § 294 a EO die Forderungsexekution bewilligt. Die Exekutionsbewilligung wurde den betreibenden Parteien und der Verpflichteten zugestellt und blieb unangefochten. Der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger gab auf Grund des Ersuchens des Exekutionsgerichtes bekannt, daß zum 2.4.1987 zwar die angefragten Daten, aber keine möglichen Drittschuldner gespeichert sind.

In einem am 20.1.1993 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz brachte die betreibende Partei vor, daß ihr ein Drittschuldner bekanntgeworden sei, von dem die Verpflichtete eine Pension beziehe. Sie beantragte, die Exekutionsbewilligung diesem Drittschuldner zuzustellen.

Das Erstgericht bewilligte den Antrag in Form eines Bewilligungsvermerkes gemäß § 112 Abs 1 Geo und verfügte die Zustellung der Exekutionsbewilligung an den von der betreibenden Partei bekanntgegebenen Drittschuldner. Diese Zustellung wurde am 18.2.1993 vollzogen.

Das Rekursgericht wies infolge Rekurses der Verpflichteten den Antrag ab und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Im Gesetz sei eine Fortsetzung der gemäß § 294 a EO bewilligten Exekution durch Bekanntgabe des Drittschuldners durch die betreibende Partei nicht vorgesehen. Eine solche Exekution könne nur durch eine neuerliche Anfrage an den Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger fortgesetzt werden. Die Exekution nach § 294 a EO, die sich an einen oder mehrere nicht bekannte Drittschuldner und damit an einen unbestimmten Personenkreis richte, und die Exekution nach § 294 EO "gegen" einen konkret genannten Drittschuldner hätten nämlich nicht idente Exekutionsobjekte zum Gegenstand.

Der von der betreibenden Partei gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hatte die hier maßgebende Rechtsfrage bisher nicht zu entscheiden. In der Entscheidung vom 16.11.1988, 3 Ob 131/88 (= SZ 61/247 = AnwBl 1989, 222 = EvBl 1989/61 = RZ 1989/15 = WBl 1989, 64) hatte er sich allerdings mit der Frage zu beschäftigen, ob nach einer negativen Auskunft des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger eine neuerliche Anfrage an diesen Hauptverband eine neue Exekutionsbewilligung voraussetzt oder ob bloß ein Antrag auf neuerlichen Vollzug der bereits bewilligten Exekution durch Wiederholung der Anfrage zu stellen und zu bewilligen ist. Er bejahte die zweite Möglichkeit und begründete dies im wesentlichen damit, daß sich bei einer negativen Auskunft des Hauptverbandes die Lohnexekution noch in Schwebe befinde. Es könne daher ähnlich wie bei einer Fahrnisexekution, bei der beim ersten Pfändungsversuch keine pfändbaren Gegenstände vorgefunden wurden, ein neuerlicher Vollzugsversuch in Form einer neuerlichen Anfrage an den Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger stattfinden. Diese Auslegung sei nicht nur einfacher (keine neuerliche Vorlage und Prüfung des Exekutionstitels) und billiger (keine neue Pauschalgebühr, Rechtsanwaltsgebühr nur nach Tarifpost 1), sondern entspreche auch dem Grundsatz der Einheit der Exekutionsbewilligung. Solange ein Exekutionsverfahren nicht eingestellt oder durch Verwertung des Exekutionsobjektes beendet worden sei, könne nur dieses eine Exekutionsverfahren fortgesetzt, nicht aber auf Grund desselben Titels ein neues Exekutionsverfahren eingeleitet werden.

Zu der hier zu entscheidenden Frage ist die Rechtsprechung der Gerichte zweiter Instanz uneinheitlich (vgl auch Lefford in RZ 1993, 242). Das Rekursgericht vertrat dieselbe Meinung wie hier bereits in der Entscheidung EFSlg 57.968. Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz (RPflSlgE 1987/85; undeutlich RPflSlgE 1987/95), Landesgericht Feldkirch (RPflSlgE 1987/7) und Landesgericht Salzburg (RPflSlgE 1992/141) vertraten hingegen die Meinung, daß der betreibende Gläubiger, dem der Drittschuldner nachträglich bekannt wird, den Antrag auf neuerlichen Vollzug der gemäß § 294 a EO bewilligten Exekution durch Zustellung der Exekutionsbewilligung an dem von ihm bekanntgegebenen Drittschuldner stellen muß. Dieser Auffassung ist auch Leffort (aaO).

Der erkennende Senat hat erwogen:

Auszugehen ist davon, daß die gemäß § 294 a EO bewilligte Exekution keine eigene Art der Forderungsexekution ist. Die Besonderheit besteht nur darin, daß die gemäß § 54 Abs 1 Z 3 EO erforderliche Bezeichnung des Exekutionsobjekts im Exekutionsantrag nicht wie sonst in der Angabe der Forderung und des Drittschuldners bestehen muß, sondern daß die Behauptung des Bestehens einer Forderung (im Sinn des § 290 EO) genügt und der Drittschuldner vom Exekutionsgericht durch eine Anfrage an den Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger festzustellen ist. Das Argument des Rekursgerichtes, daß es sich im Verhältnis zu mit Bezeichnung des Drittschuldners geführten Exekutionen um verschiedene Exekutionsobjekte handle, ist daher unzutreffend. Verschieden ist nur die Art der Bezeichnung des Exekutionsobjekts, Exekutionsobjekt ist aber immer die Forderung im Sinn des § 290 a EO, die dem Verpflichteten zur Zeit der Pfändung und somit der Zustellung der Exekutionsbewilligung an den Drittschuldner (§ 294 Abs 1 Z 3 EO) zusteht.

Diese Überlegungen führen zu demselben Ergebnis wie im Fall der bereits zitierten Entscheidung 3 Ob 131/88, weil die dort angeführten Argumente auch hier gelten. Es steht vor allem auch bei der hier zu beurteilenden Frage der Grundsatz der Einheit der Exekutionsbewilligung einer neuen Exekutionsbewilligung entgegen. Er erfordert es vielmehr, daß die bereits vorhandene Exekutionsbewilligung dem nunmehr bekanntgewordenen Drittschuldner zugestellt wird. Etwas anderes gilt nur und erst, wenn die Exekutionsbewilligung bereits einem Drittschuldner zugestellt wurde. Vorher ist das vom betreibenden Gläubiger im Exekutionsantrag - wenn auch unvollständig - bezeichnete Exekutionsobjekt nicht erfaßt und es kann keinen Unterschied machen, ob die Bezeichnung des Exekutionsobjekts auf Grund der Auskunft des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger oder auf Grund zusätzlicher Angaben des betreibenden Gläubigers ergänzt wird. Dazu kommt noch, daß es dem betreibenden Gläubiger im Sinn der Entscheidung 3 Ob 131/88 nicht verwehrt und er sogar verpflichtet wäre, einen Antrag auf neuerlichen Vollzug der bewilligten Forderungsexekution durch Wiederholung der Anfrage an den Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger zu stellen. Es wäre aber nicht sachgerecht, ihn auf diesen Antrag zu verweisen, obwohl er überflüssig ist, weil der betreibende Gläubiger den Drittschuldner schon kennt. Bei dem Argument, daß § 294 a EO eine "Fortsetzung" der Exekution durch Bekanntgabe des Drittschuldners nicht kenne, übersieht das Rekursgericht, daß es darauf nicht ankommt, weil die nach der angeführten Gesetzesstelle bewilligte Exekution, wie schon erwähnt wurde, keine eigene Art der Forderungsexekution ist. Daß die hiefür im § 294 a EO enthaltenen besonderen Vorschriften und insbesondere jene des Abs 2 dem neurlichen Vollzug nicht entgegenstehen, ergibt sich schon aus der Entscheidung 3 Ob 131/88.

Solange die gemäß § 294 a EO ergangene Exekutionsbewilligung nicht einem Drittschuldner zugestellt wurde, darf also eine neue Exekution auf die im § 290 EO genannten Forderungen nicht bewilligt werden. Der betreibende Gläubiger darf und muß entweder eine neurliche Anfrage an den Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger oder, wenn dies nicht erforderlich ist, weil er den Drittschuldner kennt, die Zustellung der Exekutionsbewilligung an diesen beantragen. Der Beschluß des Erstgerichtes ist somit wiederherzustellen. Dabei muß hier nicht auf die Ausführungen eingegangen werden, die im Rekurs der Verpflichteten zur Höhe der der betreibenden Partei zustehenden Forderung enthalten sind. Bei der Entscheidung über einen Antrag auf neuerlichen Vollzug ist nämlich über die Höhe der betriebenen Forderung nicht neuerlich zu entscheiden, sondern es ist in diesem Punkt von der Exekutionsbewilligung oder gegebenenfalls von Beschlüssen über die Einschränkung der Exekution auszugehen. Es ist Sache des Verpflichteten, die Einschränkung durch Einbringung geeigneter Anträge oder Klagen herbeizuführen.

Der Ausspruch über die Kosten des Rekurses der Verpflichteten beruht auf § 78 EO iVm den §§ 40 und 50 ZPO, jener über die Kosten des Revisionsrekurses der betreibenden Partei auf § 74 EO.

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