Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Das ihnen vorangegangene Verfahren wird für nichtig erklärt.
Text
Begründung
Der Revisionsrekurswerber ist slowenischer Staatsangehöriger. Er brachte gegen ein Kreditinstitut, dessen Sitz sich in Österreich befindet, zu 23 Cg 55/95 des Landesgerichtes Klagenfurt eine Klage auf Bezahlung von 36,754.704,37 sA ein. Die Klage war nicht von einem Rechtsanwalt unterschrieben. Der Rechtsmittelwerber beantragte dort, ihm die Verfahrenshilfe zu bewilligen. Dieser Antrag wurde rechtskräftig abgewiesen, seine Klage wurde mangels anwaltlicher Fertigung zurückgewiesen. Die Abweisung des Verfahrenshilfeantrages erfolgte wegen offenbar aussichtsloser Prozeßführung. Dessenungeachtet brachte der Rechtsmittelwerber zu 23 Cg 121/95 des Landesgerichtes Klagenfurt erneut eine Klage mit identem Vorbringen und Begehren ein. Da ein Verbesserungsverfahren erfolglos blieb und der zur Entscheidung über die Klage berufene Richter vor allem auch aufgrund eines persönlichen Gespräches mit dem Revisionsrekurswerber den Eindruck gewann, daß dieser infolge einer geistigen Behinderung die Angelegenheiten des Rechtsstreites nicht ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen vermag, verständigte er hievon gemäß § 6a ZPO das Erstgericht, wobei er auch darauf hinwies, daß der Revisionsrekurswerber nach seinen eigenen Angaben in Slowenien wohne. In seiner Verständigung wies der Prozeßrichter darauf hin, ein Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wäre neuerlich wegen offenbarer Aussichtslosigkeit der angestrebten Prozeßführung abgewiesen worden.
Das Erstgericht bestellte für den Revisionsrekurswerber zur Vertretung im Verfahren, in dem die Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters geprüft wird, einen einstweiligen Sachwalter. Aufgrund der Anhörung des Revisionsrekurswerbers sei das Verfahren zur Bestellung eines Sachwalters fortzusetzen. Es sei auch die inländische Gerichtsbarkeit gegeben. Der Betroffene sei zwar slowenischer Staatsangehöriger und habe angegeben, keinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich zu besitzen. Aufgrund seiner Klage und der Befragung durch den Prozeßrichter müsse jedoch davon ausgegangen werden, daß er "eventuell" Vermögen in Österreich habe.
Nachdem das Erstgericht diesen Beschluß erlassen hatte, langte bei ihm eine weitere Verständigung gemäß § 6a ZPO ein. Sie betraf den Rechtsstreit 22 Cg 17/93 des Landesgerichtes Klagenfurt, in dem das eingangs angeführte Kreditinstitut den Revisionsrekurswerber auf Bezahlung von S 2,125.124,82 sA geklagt hatte und in dem der Revisionsrekurswerber Gegenforderungen in einer die eingeklagte Forderung übersteigenden Höhe einwendete. Dort wurde dem Rechtsmittelwerber mit rechtskräftigem Beschluß vom 28.10.1993, ON 16, Verfahrenshilfe bewilligt und ihm ein Rechtsanwalt beigegeben.
Das Rekursgericht bestätigte infolge eines Rekurses des Betroffenen den angeführten Beschluß des Erstgerichtes und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die inländische Gerichtsbarkeit sei entgegen der vom Betroffenen vertretenen Meinung gegeben, weil dieser in dem von ihm und auch in dem gegen ihn geführten Rechtsstreit eine als Vermögen zu qualifizierende Forderung gegen eine inländische Schuldnerin geltend mache. Es sei daher davon auszugehen, daß er über Vermögen in Österreich verfüge. Überdies sei den Akten zu entnehmen, daß er trotz seines im Ausland gelegenen Wohnsitzes immer wieder nach Österreich zu Gericht komme und hier auch wiederholt Zustellungen entgegennehme, weshalb er zumindest seinen schlichten, wenn schon nicht seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich habe. Es sei daher auch der Tatbestand des § 110 Abs 1 Z 2 JN gegeben, weil es hiefür genüge, daß sich der Betroffene faktisch in Österreich aufhalte und dringende Maßnahmen für ihn zu besorgen seien. Eine solche dringende Maßnahme bilde aber die Notwendigkeit der Vertretung in den vom und gegen den Betroffenen geführten Rechtsstreiten. In der Sache finde die Entscheidung des Erstgerichtes im § 238 Abs 1 AußStrG die gesetzliche Deckung.
Der vom Betroffenen gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs ist entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichtes gemäß § 14 Abs 1 AußStrG zulässig, weil zur Auslegung des die inländische Gerichtsbarkeit betreffenden § 110 JN in den hier wesentlichen Punkten überwiegend eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehlt und sich der erkennende Senat der (soweit überblickbar einzigen) Entscheidung ZfRV 1988, 41 zum Teil nicht anzuschließen vermag.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.
Die inländische Gerichtsbarkeit in Entmündigungsangelegenheiten war vor der Zivilverfahrens-Novelle 1983 BGBl 135 (gemäß Art XVII § 2 Abs 1 Z 2 und § 2 Abs 2 wirksam mit 1.4.1983, wobei die Neufassung des § 110 JN auch auf bereits anhängige Verfahren anzuwenden war) im § 13 EntmO geregelt. Nach dessen Abs 1 war die Entmündigung eines Ausländers dem Staat überlassen, dem der Ausländer angehörte. Nach § 13 Abs 2 EntmO im Zusammenhang mit § 8 Abs 1 hatte aber für Ausländer, die im Inland ständigen Aufenthalt hatten, das inländische Gericht bis zur Entscheidung durch den Heimatstaat alle zum Schutz der Personen und des Vermögens erforderlichen Maßnahmen zu treffen und insbesondere einen vorläufigen Beistand zu bestellen, wenn es zum Schutz der Person dringend notwendig war. Bei ständigem Aufenthalt des Ausländers im Inland wurde die inländische Gerichtsbarkeit für die Entmündigung dann begründet, wenn das inländische Gericht dem Heimatstaat eine angemessene Frist gesetzt hatte, binnen welcher die Entscheidung über die Entmündigung durch die Behörde des Heimatstaates zu erwarten war, eine solche Entscheidung aber unterblieb. Eine Entscheidung des Heimatstaates lag nach der Rechtsprechung auch dann vor, wenn das Heimatgericht den Entmündigungsantrag mangels Legitimation des Antragstellers ablehnte (SZ 16/249).
Durch die Zivilverfahrens-Novelle 1983 wurden für den Bereich der Vormundschaft und Sachwalterschaft (Kuratel) die Vorschriften über die inländische Gerichtsbarkeit in § 110 JN neu gefaßt. Danach ist für Minderjährige oder sonstige Pflegebefohlene, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, die inländische Gerichtsbarkeit gegeben, wenn der Pflegebefohlene seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder, soweit es um dringende Maßnahmen geht, zumindest seinen Aufenthalt im Inland hat (Abs 1 Z 2) oder wenn er Vermögen im Inland hat, soweit es um dieses Vermögen betreffende Maßnahmen geht (Abs 1 Z 3). Einhelligkeit herrscht darüber, daß § 110 JN auch die Grenzen der inländischen Gerichtsbarkeit im Fall der Bestellung eines Sachwalters für behinderte Personen absteckt (RV 742 BlgNR 15.GP, 16;
Geimer in Kralik/Rechberger Symposium Außerstreitreform 103;
Schwimann in FamRZ 1985, 677; Hoyer in ZfRV 1988, 44). Wie sich aus der RV 669 BlgNR 15.GP 41 ff ergibt, hatte der Gesetzgeber der Zivilverfahrens-Novelle 1983 bei der Neuregelung der inländischen Gerichtsbarkeit vor allem aber die Vormundschafts- und Pflegschaftssachen im Auge.
Entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes liegen aber weder die Voraussetzungen des § 110 Abs 1 Z 2 noch nach Z 3 JN für die Begründung der inländischen Gerichtsbarkeit vor. Nach dem Akteninhalt ist davon auszugehen, daß der Rekurswerber slowenischer Staatsbürger ist und daß er in Österreich jedenfalls keinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Zur Frage, ob die inländische Gerichtsbarkeit durch einen Aufenthalt des Pflegebefohlenen, der noch nicht als gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne des § 66 Abs 2 JN und damit auch des § 110 Abs 1 Z 2 JN anzusehen ist, begründet wird, legt schon der Wortlaut der zuletzt angeführten Bestimmung die Annahme nahe, daß dies nur gilt, wenn die dringenden Maßnahmen mit dem Aufenthalt im Zusammenhang stehen. Diese Auslegung findet eine Stütze in der Regierungsvorlage zur Zivilverfahrens-Novelle 1983, wo als Beispiel für die inländische Gerichtsbarkeit bei bloß schlichtem Aufenthalt im Inland die Rückgabe eines aus dem Ausland entführten Kindes genannt wird (RV aaO 42). Für die dargestellte Auffassung spricht ferner, daß der aus § 29 JN abzuleitende Grundsatz der perpetum ratio fori gemäß dem Satz 2 dieser Bestimmung für die inländische Gerichtsbarkeit nicht gilt (Mayr in Rechberger ZPO Rz 4 zu § 29 JN; vgl auch Fasching ZPR2 Rz 79 sowie IPRAX 1984, 159 [in anderen Punkten ablehnend Hoyer in IPRAX 1984, 164] = JBl 1984, 153 [zweifelnd Schwimann] = ZfRV 1984, 308 [kritisch Verschraegen]). Die dringenden pflegschaftsbehördlichen Maßnahmen können daher nur für die Dauer des Aufenthaltes getroffen werden oder wirksam sein. Dies schließt aber jedenfalls aus, inländische Gerichtsbarkeit für die Bestellung eines Sachwalters zur Vertretung in einem Rechtsstreit bloß deshalb zu bejahen, weil der Betroffene einen schlichten Aufenthalt in Österreich hat.
Aber auch der Anknüpfungspunkt nach § 110 Abs 1 Z 3 JN liegt nicht vor. Im Falle der Entscheidung ZfRV 1988, 41, die das Verfahren zur Bestellung eines Sachwalters für behinderte Personen betraf, handelt es sich um eine Schweizer Staatsbürgerin, die zeitweise ihren Aufenthalt im Inland hatte und deren inländisches Vermögen in einem zu ihren Gunsten eingeräumten Fruchtnießungsrecht an einer Eigentumswohnung bestand. Zwischen der Wohnungseigentümerin und der Fruchtgenußberechtigten war ein Streit darüber entstanden, ob Aufwendungen, die die Eigentümerin getragen hatte, von der Fruchtgenußberechtigten zu ersetzen seien. Der Oberste Gerichtshof führte in diesem Zusammenhang aus, die Annahme der inländischen Jurisdiktion begegne wegen der Anordnung des § 110 Abs 1 Z 2 und Z 3 JN keinen Bedenken, weil es um dringende Maßnahme gehe, welche das im Inland befindliche Vermögen einer Schweizer Staatsbürgerin betreffen, die auch zumindest zeitweise ihren Aufenthalt im Inland hat. Im vorliegenden Fall könnte allerdings die inländische Gerichtsbarkeit nur mehr aufgrund der Bestimmung des § 110 Abs 1 Z 3 JN gegründet werden. Für den Wahlgerichtsstand des Vermögens nach § 99 Abs 1 JN wurde zwar judiziert, daß selbst dubiose Forderungen, sofern sie zum Zeitpunkt der Klageeinbringung noch nicht als zu Unrecht bestehend erkannt worden sind, die Zuständigkeit begründen könnten (Mayr in Rechberger ZPO Rz 6 zu § 99 JN). Im Falle der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung einer Klagsführung für eine italienische Minderjährige durch ein österreichisches Pflegschaftsgericht führte der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 2 Ob 13/94 aus, daß auch die geltend gemachte (bzw hier geltend zu machende) Forderung Vermögen im Sinn des § 110 Abs 1 Z 3 JN sei.
Die Vorschrift des § 110 Abs 1 Z 2 JN differenziert zwischen gewöhnlichem Aufenthalt und sonstigem Aufenthalt. Während im ersten Fall die inländische Pflegschaftsgerichtsbarkeit immer gegeben ist, liegt sie im zweiten Fall nur vor, wenn es um dringende Maßnahmen geht. Aber auch bei den in § 110 Abs 1 Z 3 JN genannten Vermögensrechten kann zwischen solchen unterschieden werden, die der dauernden Ausübung fähig sind und anderen, für die nur punktuelle Maßnahmen zu setzen wären. Es liegt auf der Hand, daß Rechte wie bücherliches Eigentum an einer inländischen Liegenschaft, hypothekarisch sichergestellte Forderungen, Mietrechte, Anteile an Personen- und Kapitalgesellschaften, Patentrechte und ähnliches ständiger Verwaltungs- und Vertretungshandlungen bedürfen. Hier ergibt sich eine Nahebeziehung zum Inland ähnlich wie beim ständigen Aufenthalt eines Fremden in Österreich, zumal Vertretungs- und Verwaltungshandlungen immer wieder zu erwarten sein werden. Anders liegt die Interessenlage aber dann, wenn es sich um nur einmal zu setzende Maßnahmen wie etwa die Genehmigung einer Klagsführung oder die Einbringung einer Klage handelt. Hier ist die Fürsorgebedürftigkeit ähnlich zu beurteilen, als hätte der Ausländer nur einen schlichten Aufenthalt in Österreich. Die daraus folgende teleologische Reduktion der Vorschrift des § 110 Abs 1 Z 3 JN führt dann aber zum Ergebnis, daß die Ermöglichung der Führung eines Schadenersatzprozesses durch einen prozeßunfähigen Ausländer, für den sein Heimatstaat die erforderlichen Maßnahmen nicht getroffen hat, durch Bestellung eines inländischen Sachwalters nur dann zu erfolgen hat, wenn es sich um eine dringende Maßnahme gerade in bezug auf dieses Vermögen handelt, weil andernfalls die erforderliche Fürsorgebedürftigkeit des Ausländers nicht vorliegt. Dies mag bei der Genehmigung einer Klagsführung für eine italienische Minderjährige wegen eines Schadenersatzprozesses (entgangener Unterhalt) wegen der bei Untätigkeit des gesetzlichen Vertreters sonst bestehenden Verjährungsgefahr durchaus der Fall sein. Hier aber unterliegt das den behaupteten Forderungen zugrundeliegende Schuldstatut jedenfalls österreichischem Recht (§ 38 Abs 1 IPRG). Die Verjährung schuldrechtlicher Ansprüche untersteht aber in allen Belangen (also auch in dem der Hemmung oder Unterbrechung) dem Schuldstatut (Schwimann Grundriß des IPR 106 mwN in FN 34; IPRE 3/4, 6, 23 und 24). Dem Revisionsrekurswerber käme daher, wäre er in der Tat nicht prozeßfähig, die Hemmungsvorschrift des § 1494 ABGB zugute.
Unterliegt die Partei nicht der inländischen Pflegschaftsgerichtsbarkeit, so hat das Prozeßgericht selbst die erforderlichen Vorkehrungen zur Beseitigung des Mangels der Prozeßfähigkeit nach den §§ 6 und 8 ZPO zu treffen (vgl RV 742 BlgNR 15. GP 23). Dieser Grundsatz gilt dann aber auch für das Verfahren, in dem der Revisionsrekurswerber als Beklagter der geltend gemachten Forderung der klagenden Bank aufrechnungsweise Gegenforderungen entgegensetzt.
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