OGH 3Ob192/07t

OGH3Ob192/07t30.1.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon.‑Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache der Antragstellerin Andrea K*****, vertreten durch Dr. Bernhard Haid, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider den Antragsgegner Franz K*****, vertreten durch Dr. Hermann Holzmann, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Einräumung eines Notwegs, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 16. Juli 2007, GZ 51 R 68/07k‑51, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Landeck vom 26. April 2007, GZ 9 Nc 1/05v‑46, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

Begründung

Die Antragstellerin ist Eigentümerin einer Liegenschaft, zu der das als Tourismusgebiet gewidmete Grundstück (GSt) 102/5 gehört, auf dem sie ein Hotel garni betreibt. Der Antragsgegner ist unter anderem Eigentümer eines anderen Liegenschaft, in deren Lastenblatt zugunsten des Grundstücks der Antragstellerin und zweier weiterer Grundstücke (im Eigentum der Mutter und des Bruders der Antragstellerin) die Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens über sein GSt 102/2 einverleibt ist. Weiters ist dieses Grundstück durch Höchstbetragshypotheken zweier Banken und eine weitere Servitut zugunsten einer Seilbahngesellschaft belastet.

Das Erstgericht erweiterte die zugunsten des Grundstücks der Antragstellerin bestehende Dienstbarkeit auf Gehen und Fahren zur privaten und gewerblichen Nutzung des herrschenden Grundstücks, insbesondere zum Betrieb des Hotel garni. Außerdem erlegte sie der Antragstellerin die Zahlung einer Entschädigung an den Antragsgegner auf.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Diese Entscheidung bekämpft der Antragsgegner mit außerordentlichem Revisionsrekurs, in dem er unter anderem geltend macht, die an der belasteten Liegenschaft Buchberechtigten seien dem Verfahren entgegen der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 3 Ob 235/05p nicht beigezogen worden, weshalb es an einem so schweren Mangel leide, dass der bekämpfte Beschluss aufzuheben sei.

Die Antragstellerin erstattete unaufgefordert eine Revisionsrekursbeantwortung.

Zutreffend macht der Antragsgegner geltend, dass nach der von ihm zitierten Entscheidung des erkennenden Senats 3 Ob 235/05p (insoweit nicht veröffentlicht) die Eigentümer von Grundstücken, zu deren Gunsten auf dem mit dem Notweg zu belastenden Grundstück Wegedienstbarkeiten einverleibt waren, Beteiligte im Rechtsmittelverfahren nach dem NWG sind. Anders als in jenem Fall ist hier aber bereits das NWG idF des AußStr‑BegleitG auf das gesamte Verfahren anzuwenden (§ 29 Abs 1 und 2 NWG). Von der Novellierung wurden die §§ 5 und 22 NWG nicht betroffen. Der § 16 NWG aF, der das Rechtsmittelverfahren regelte, wurde allerdings inhaltlich zur Gänze eliminiert, dh durch eine inhaltlich andere Bestimmung ersetzt. Es sollten nämlich die Verfahrensregeln des NWG dem AußStrG angepasst werden (ErläutRV 225 BlgNR 22. GP, 4 f; abgedruckt bei Fucik/Kloiber, AußStrG 563 f). In diesem Sinn verweist § 9 Abs 3 NWG, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt wird, auf das Verfahrensrecht des neuen AußStrG. Darin ist wie schon bisher in § 16 Abs 3 und 5 NWG aF für Sachentscheidungen generell die Zweiseitigkeit des Rechtsmittelverfahrens vorgesehen (§§ 48 und 68 AußStrG). Damit hat sich aber an der Rechtslage gegenüber der in der angeführten Entscheidung maßgebenden nichts geändert.

Demnach ist an der Beurteilung festzuhalten, dass Servitutsberechtigte an der zu belastenden Liegenschaft im Notwegeverfahren die Stellung von „Beteiligten" zukommt. Da jedoch das neue Verfahrensrecht (anders als das AußStrG 1854) auf diesen Begriff verzichtet, sind diese nunmehr als Parteien im materiellen Sinn iSd § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG zu bezeichnen. Durch die Ausweitung der bestehenden Dienstbarkeit zugunsten des im Eigentum der Antragstellerin stehenden Grundstücks wird die rechtlich geschützte Stellung der anderen Servitutsberechtigten unmittelbar beeinflusst. Das leuchtet für die Eigentümer der anderen herrschenden Grundstücke, zu deren Gunsten dieselbe Wegeservitut wie für die Antragstellerin einverleibt ist, ein, wenn man bedenkt, dass durch die Ausweitung der Geh- und Fahrrechte Letzterer zwangsläufig eine Beeinträchtigung ihrer eigenen bewirkt wird.

Für die unregelmäßige Servitut (§ 479 ABGB) zugunsten der Seilbahngesellschaft, die diverse Duldungspflichten des jeweiligen Eigentümers der belasteten Liegenschaften umfasst, kann zwar nicht ohne weiteres nur auf Grund der Grundbuchseintragung dasselbe gesagt werden. Es ist allerdings durchaus möglich, dass sich durch eine höhere Frequenz im Befahren des dienenden Grundstücks, das für den Notweg beansprucht wird, ebenfalls unmittelbare Einflüsse in die Befugnisse an diesem Grundstück ergeben.

Für die Hypothekargläubiger (solche waren nicht Gegenstand der Vorentscheidung) gilt das alles jedoch nicht. Bei diesen dinglich Berechtigten geht es - anders als bei Dienstbarkeitsberechtigten - allein um den Wert der zu belastenden Liegenschaft. Nur dann, wenn ihre (bzw des letztrangigen Pfandgläubigers) Pfandrechte durch die mit dem Notweg entstehende Wertminderung zusammen die Grenze des halben Verkehrswerts überschreiten würden, könnten sie gefährdet sein (§ 22 Abs 2 NWG iVm § 1374 ABGB). Dann käme ihnen (dem Letztrangigen) ein Befriedigungsrecht iSd § 22 Abs 2 und 4 NWG zu, das allerdings durch die Entschädigungssumme nach § 5 NWG gedeckt sein muss, weil diese ja zumindest die Verminderung des Verkehrswerts ausgleichen muss (6 Ob 328/63 = SZ 37/2 = JBl 1964, 373 = EvBl 1964/266 = ZVR 1964/139; 1 Ob 701/86; Hofmann in Rummel³ § 480 ABGB Rz 10; Egglmeier/Schmolke in Schwimann³ II §§ 5‑7 NWG Rz 2; ähnlich 6 Ob 108/99x = EvBl 1999/168; 2 Ob 115/02d = SZ 2004/50). Ein eigener, von dem des Eigentümers des vom Notweg betroffenen Grundstücks verschiedener Entschädigungsanspruch steht Hypothekargläubigern, die ja kein Nutzungsrecht haben, aber ebenso wenig zu, wie gesagt werden kann, in ihre Rechte würde „unmittelbar" eingegriffen. Demnach besteht auch kein Anlass, ihnen Parteistellung im Verfahren zur Einräumung eines Notwegs einzuräumen. Sie müssen sich nach § 22 NWG an der ‑ allenfalls - vom Notwegberechtigten zu hinterlegenden Entschädigungssumme schadlos halten.

Wie ebenfalls schon zu 3 Ob 235/05p dargelegt, ist die Verletzung des rechtlichen Gehörs der Parteistellung genießenden dinglich Berechtigten auch von Amts wegen zu berücksichtigen; dann muss das aber auch der durch die Entscheidung im Notwegeverfahren belastete Grundstückseigentümer geltend machen können.

Nach § 58 Abs 1 Z 1 und Abs 3 iVm § 71 Abs 4 AußStrG ist nun auch bei diesem (im Zivilprozess einen Nichtigkeitsgrund bildenden) schweren Verfahrensmangel vor der Entscheidung auf Aufhebung und Zurückverweisung der Außerstreitsache an eine Vorinstanz zu prüfen, ob nicht eine Bestätigung „selbst auf Grund der Angaben im [Revisions‑]Rekursverfahren" oder eine Abänderung ohne weitere Erhebungen möglich ist. Zu diesem Zweck ist es erforderlich, den bisher nicht gehörten Parteien Gelegenheit zu geben, sich am Revisionsrekursverfahren zu beteiligen und ihre materiellen und/oder prozessualen Rechte geltend zu machen (oder auch nicht). Der Fall unterscheidet sich insofern von dem zu 3 Ob 235/05p entschiedenen, als damals das Gericht zweiter Instanz den Antrag auf Einräumung eines Notwegs abgewiesen hatte, weshalb die damals übergangenen Dienstbarkeitsberechtigten nicht beschwert waren und deren Einbeziehung in das Revisionsrekursverfahren nicht erforderlich schien. Dagegen sind diese im vorliegenden Verfahren durch die eine Antragsstattgebung bestätigende Entscheidung des Rekursgerichts belastet. Sie müssen daher in die Lage versetzt werden, diese Entscheidung zu bekämpfen, also nunmehr am Verfahren teilzunehmen (Fucik/Kloiber, AußStrG § 58 Anm 1). Je nach dem, wie sie sich im Revisionsrekursverfahren verhalten (vgl ErläutRV 224 BlgNR 22. GP, 52 f zum AußStrG; abgedruckt bei Fucik/Kloiber aaO 212 f; dieselben aaO Anm 1 und 3 zu § 58), wird beurteilt werden können, ob die vom Gesetzgeber bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 58 Abs 1 und 3 AußStrG für die Erledigung eines Rechtsmittels in der Sache abgelehnte Aufhebung der angefochtenen Entscheidung vermeidbar ist (s die Betonung des Grundsatzes der Sachentscheidung durch die Rechtsmittelgerichte in den ErläutRV aaO 51 und 52; dazu Fucik/Kloiber, AußStrG § 57 Anm 1; Klicka in Rechberger, AußStrG § 55 Rz 1).

Demnach sind die Akten dem Erstgericht zurückzustellen, dem die Zustellung sowohl dieser Entscheidung auch jener des Rekursgerichts samt Rechtsmittelbelehrung an die ob der Liegenschaft des Antragsgegners Servitutsberechtigten obliegt. Die Akten werden nach Ablauf der Revisionsrekursbeantwortungsfrist (bzw Einlangen der Beantwortung), sollten aber Rechtsmittel nicht erhoben werden, bereits nach Ablauf der Revisionsrekursfrist wieder dem Obersten Gerichtshof vorzulegen sein.

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