OGH 3Ob18/54

OGH3Ob18/5420.1.1954

SZ 27/13

Normen

EO §74
KO §10
EO §74
KO §10

 

Spruch:

§ 10 KO. gilt auch für administrative nach Konkurseröffnung erworbene Pfand und Befriedigungsrechte.

Kein Rekursrecht des Gemeinschuldners (eines Kurators) gegen eine § 10 KO. widersprechende Exekutionsbewilligung.

Kein Anspruch des Masseverwalters auf Kostenersatz, wenn seinem Rekurs gegen eine Exekution auf eine zur Masse gehörige Hyperocha stattgegeben wird.

Entscheidung vom 20. Jänner 1954, 3 Ob 18/54.

I. Instanz: Bezirksgericht Hernals; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Gegen die Verlassenschaft nach Franz W. wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Hernals vom 17. Feber 1952 die Zwangsversteigerung der Liegenschaft EZ. 525 Kat.Gem. O. bewilligt. Die Verlassenschaft wurde von der Gattin des Erblassers Hermine W. vertreten. Nach ihrem Tode wurde für ihre Verlassenschaft Rechtsanwalt Dr. K. zum Kurator bestellt. Die eingangs bezeichnete Liegenschaft ist im Erwerb auf Hermine W. übergegangen. Ihr Eigentumsrecht wurde auf Grund der Einantwortungsurkunde verbüchert.

Mit Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 14. Juli 1953, in einem Zeitpunkt, da die fragliche Liegenschaft bereits der Hermine W. bücherlich übertragen worden war, wurde über das Verlassenschaftsvermögen nach Hermine W. über Antrag des Verlassenschaftskurators der Konkurs eröffnet und als Masseverwalter Dr. Bruno S. bestellt.

Mit Bescheid vom 3. September 1953 pfändete das Finanzamt 8/16/17 zugunsten einer der Republik Österreich gegen die Verlassenschaft nach Franz W. zustehenden Abgabenschuld in der Höhe von 29.243.95 S, die der Verlassenschaft gegen das Bezirksgericht Hernals als Drittschuldner zustehende Forderung in unbekannter Höhe, die dem Abgabenschuldner aus dem Überschuß aus der Meistbotsverteilung zustehe, und überwies die gepfändete Forderung gemäß § 71 der Abgabenexekutionsordnung unbeschadet früher erworbener Rechte dritte Personen der Republik Österreich zur Einziehung.

Bei der Meistbotsverteilungstagsatzung am 28. September 1953 beantragte der Masseverwalter im Verlassenschaftskonkurs nach Hermine W. die Zuweisung der Hyperocha an die Konkursmasse. Das Erstgericht wies die Hyperocha nicht der Konkursmasse, sondern auf Grund der vorangeführten Pfändung und Überweisung dem Finanzamt 8/16/17 zu.

Gegen diesen Punkt des Meistbotsverteilungsbeschlusses erhoben der Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen nach Hermine W. und der für die Verlassenschaft nach Hermine W. bestellte Verlassenschaftskurator Rekurse.

Das Rekursgericht gab den Rekursen keine Folge von der Annahme ausgehend, daß administrative Pfandrechte auch noch nach Konkurseröffnung begrundet werden könnten.

Den Beschluß des Rekursgerichtes fechten sowohl der Masseverwalter als auch der Verlassenschaftskurator mit Revisionsrekursen an.

Der Oberste Gerichtshof wies den Revisionsrekurs des Verlassenschaftskurators als unzulässig zurück, gab aber dem Revisionsrekurs des Masseverwalters Folge und änderte den Meistbotsverteilungsbeschluß dahin ab, daß der Meistbotsrest der Masse im Konkurse über das Vermögen der Verlassenschaft nach Hermine W. zugewiesen wird. Der Antrag des Masseverwalters auf Kostenzuspruch wurde abgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung des Obersten Gerichtshofes:

Die Ansicht des Rekursgerichtes, daß sich das in § 10 der Konkursordnung normierte Verbot des Zwangszugriffes nicht auf administrative Zwangsvollstreckungen bezöge, ist irrig. § 10 statuiert, um die Gleichmäßigkeit der Befriedigung aller Gläubiger zu sichern, daß nach der Konkurseröffnung keine exekutiven Pfand- oder Befriedigungsrechte mehr erworben werden können. Daß § 10 (1) von richterlichen Pfand- und Befriedigungsrechten spricht, ist rechtlich bedeutungslos und bedeutet nur die Hervorhebung des praktisch wichtigsten Falles, da nicht einzusehen ist, warum ein Gläubiger, dem die Wahl zwischen der politischen und gerichtlichen Exekution freisteht (vgl. § 1 Abs. 1 Z. 3 VVG. 1950), dann im Konkurs besser gestellt sein soll, wenn er den Weg der politischen Exekution wählt. Der Oberste Gerichtshof kommt daher zu dem Ergebnis, daß nach Konkurseröffnung Pfand- und Befriedigungsrechte jeder Art an der Konkursmasse nicht erworben werden können. Auch aus § 12 Abs. 1 Konkursordnung kann die Zulässigkeit von politischen Exekutionen nach der Konkurseröffnung nicht abgeleitet werden, da sich diese Gesetzesstelle auf die Zeit vor der Konkurseröffnung bezieht.

Durch den Konkursbeschlag ist dem Gemeinschuldner (Verpflichteten) die Verfügung über die Konkursmasse und damit das Recht der Einziehung der zur Konkursmasse gehörigen Forderung - der Anspruch auf den Meistbotsrest, die Hyperocha, gehört zu diesen Forderungen - entzogen worden. Wenn die Finanzbehörde den Anspruch auf die Hyperocha der Republik Österreich - übrigens "unbeschadet früher erworbener Rechte dritter Personen" - zur Einziehung überwiesen hat, so hat sie damit dem Überweisungsgläubiger nur die rechtliche Stellung eingeräumt, die der Verpflichtete im Zeitpunkte der Überweisung hatte. Da die Verfügungsmacht des Gemeinschuldners bereits durch die Konkurseröffnung beseitigt war, konnte auch die Finanzverwaltung keine Einziehungsbefugnis erlangen. Selbst wenn man daher die Pfändung und Überweisung trotz des § 10 KO. als zulässig ansehen wollte und weiter der Meinung wäre, daß die Exekutionsakte der Finanzbehörde, als in einem verwaltungsbehördlichen Verfahren mit eigenem Rechtszug ergangen, verbindlich wären, solange diese Exekutionsakte nicht aufgehoben sind, hat das Gericht nicht als Drittschuldner, wohl aber das zur Verteilung berufene Exekutionsgericht die Wirksamkeit der finanzbehördliche Exekutionsakte in bezug auf das gerichtliche Verteilungsverfahren zu beurteilen, es konnte hiebei aber weder an der Tatsache, daß durch den Konkursbeschlag die Konkursgläubiger Rechte erworben haben noch daran vorübergehen, daß die Überweisung dem Überweisungsgläubiger nicht eine größere Machtbefugnis verschaffen konnte, als sie der Verpflichtete noch hatte.

Da die Hyperocha zum Konkursvermögen (Masse) gehört, und in bezug auf dieses nur der Masseverwalter der Vertreter, u. zw. der gesetzliche Vertreter des Verpflichteten ist, kam in bezug auf die Hyperocha dem Verlassenschaftskurator weder die Legitimation zum Rekurs noch zum Revisionsrekurs zu.

Der Anspruch des Masseverwalters auf Zuspruch von Kosten war abzuweisen. Für die Mitwirkung an der Meistbotsverteilung, insbesondere auch für Rechtsmittel sind nach dem Judikat Nr. 201 Kosten nicht zuzusprechen. Übrigens hat die verpflichtete Partei, die sich aus § 74 EO. ergibt, grundsätzlich keinen Anspruch auf Kostenersatz. Die Bestimmung der §§ 41, 50 ZPO. käme nur zur Anwendung, wenn der Rekurs des Verpflichteten im Gegensatz zu der vom betreibenden Gläubiger eingenommenen Haltung entschieden worden wäre.

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