OGH 3Ob180/12k

OGH3Ob180/12k17.10.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei K***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Themmer, Toth & Partner Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 506.092,57 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Mai 2012, GZ 15 R 87/12t-13, womit über Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Handelsgerichts Wien vom 1. März 2012, GZ 51 Cg 255/11y-9, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Im Zusammenhang mit einem Umbau- und Dachgeschoss-Ausbau beauftragte die beklagte Werkbestellerin die klagende Werkunternehmerin mit Werkvertrag vom 18. Juli 2006 mit der Erbringung von Leistungen für das Gewerk „Heizungs-, Kälte-, Raumluft-, Sanitär- und MSR-Technik“. Die Grundlage des Vertragsverhältnisses bildeten die Angebote der klagenden Partei vom 31. Mai 2006 und vom 5. Juli 2006, bestehend aus den Haustechnik-Vorbemerkungen (HTV), der technischen Beschreibung und den ausgepreisten Teilen des Leistungsverzeichnisses.

Die HTV normieren in ihrem Punkt 1.2 ihre vorrangige Geltung, subsidiär die Geltung der ÖNORM B 2110 (im Folgenden: ÖNORM). Nach Punkt 3.28 der HTV ist die Werkbestellerin ohne Zahlung von Vergütungen, Pönalen etc berechtigt, jederzeit die Arbeiten einzustellen oder auf die Ausführung einzelner, im Leistungsverzeichnis angeführter Arbeiten zu verzichten. Laut Punkt 3.32 der HTV ist die Schlussrechnung spätestens zwei Monate nach Fertigstellung des Werks mit den dazugehörigen Abrechnungsplänen und -unterlagen einzureichen. Nach Punkt 5.34.5.1 der ÖNORM B 2110 hat der Auftragnehmer Anspruch auf Vergütung der Mehrkosten, die durch die Behinderung entstanden sind, wenn die Behinderung durch Umstände verursacht worden ist, die […] im Bereich des Auftraggebers liegen.

Mit der Bauausführung wurde am 14. August 2006 begonnen; geplantes Bauende war der 28. März 2007. Da die beklagte Partei notwendige Unterlagen nicht zeitgerecht bei der Baubehörde vorlegte, wurde eine Baueinstellung verhängt, die zu einer längeren Bauunterbrechung führte. Weitere Verzögerungen resultierten aus verspäteter Übergabe von Planungsunterlagen und verspäteter Freigabe von Ausführungsplänen durch die beklagte Partei, weshalb die tatsächliche Fertigstellung erst am 30. September 2009 erfolgte.

Aufgrund der Verzögerungen entstanden der klagenden Partei Mehrkosten aufgrund der Stehzeiten, wegen zusätzlicher Lager- und Transportkosten sowie aufgrund der Bauzeitverlängerung. Die klagende Partei machte die Mehrkosten erstmals mit Teilrechnung Nr 16108 vom 9. Juli 2008 gegenüber der beklagten Partei geltend. Die endgültigen Mehrkosten wurden mit der 2. Teilschlussrechnung vom 20. April 2010 in Höhe des dann - am 8. September 2011 - eingeklagten Betrags geltend gemacht.

Das Erstgericht entschied mit Zwischenurteil, dass das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe und dass die Klageforderung nicht verjährt sei. Bei dem geltend gemachten Anspruch handle es sich um einen Entschädigungsanspruch nach § 1168 Abs 1 Satz 2 ABGB. Allerdings sei diese Bestimmung als dispositives Recht gemäß Punkt 5.34.1.1 der ÖNORM abbedungen worden. Der Regelungsinhalt der HTV (Punkt 3.28) sei enger als jener der ÖNORM und enthält somit keinen von der ÖNORM abweichenden Inhalt, sodass Punkt 5.34 der ÖNORM zur Anwendung komme. Da die Säumnis von der beklagten Partei zu vertreten sei, habe die klagende Partei nach dieser Bestimmung Anspruch auf Vergütung der durch die Verzögerungen bedingten Mehrkosten. Der Anspruch sei gemeinsam mit dem Werklohn erst mit Rechnungslegung fällig. Wenn - wie im vorliegenden Fall (Punkt 3.32 der HTV: zwei Monate nach Fertigstellung) ein bestimmter Zeitpunkt für die Rechnungslegung vereinbart sei, beginne die Verjährungsfrist unabhängig von einer früheren Legung einer Teilrechnung mit diesem Zeitpunkt zu laufen.

Das Berufungsgericht bestätigte die Rechtsansicht des Erstgerichts, insbesondere auch betreffend Fälligkeit und Verjährung. Entgegen der Ansicht der beklagten Partei komme Punkt 5.34.5 der ÖNORM zur Anwendung, weil die HTV den von dieser Bestimmung umfassten Bereich („Mehrkosten bei Behinderung“) nicht regle. Bei den Mehrkosten handle es sich um einen § 1168 Abs 1 Satz 2 ABGB entsprechenden Erfüllungsanspruch, nicht um einen Schadenersatzanspruch.

In ihrer außerordentlichen Revision macht die beklagte Partei keine erhebliche Rechtsfrage geltend.

Rechtliche Beurteilung

1. Bei der Frage, ob der Regelungsinhalt der HTV (Punkt 3.28) noch Raum für die Anwendung der ÖNORM lässt oder nicht, handelt es sich um eine Frage der Auslegung nicht allgemein gebrauchter Vertragsbestimmungen, die in aller Regel nicht für eine größere Anzahl von Rechtsstreitigkeiten bedeutsam ist und daher nur dann Gegenstand einer Revision sein kann, wenn mit überzeugenden Argumenten dargetan wird, dass die Auslegung nicht gesetzeskonform sei (RIS-Justiz RS0042871). Die von den Vorinstanzen vertretene Rechtsansicht, dass die HTV den Bereich der „Mehrkosten bei Behinderung“ nicht regle, sodass hier Raum zur Anwendung der ÖNORM besteht, ist vertretbar und bedarf keiner einzelfallbezogenen Korrektur durch das Höchstgericht (vgl RIS-Justiz RS0042936). Der von der beklagten Partei angesprochene Verzicht der klagenden Partei auf die Mehrkosten kommt daher nicht zum Tragen.

2. Wenn Umstände auf Seite des Bestellers den Unternehmer zu erhöhtem Arbeitseinsatz und zu höheren Aufwendungen zwingen, gebührt dem Unternehmer eine Entschädigung durch Aufstockung des Werklohns (RIS-Justiz RS0021825). Die Grundlage für diesen Anspruch liegt im bürgerlichen Recht in § 1168 Abs 1 Satz 2 ABGB; dieser dispositiven Norm geht bei entsprechender Vereinbarung die speziellere Regelung in der ÖNORM B 2110 vor (RIS-Justiz RS0021825 [T2]). Der Anspruch ist kein Schadenersatzanspruch (vor allem kein deliktischer Schadenersatzanspruch, wie die beklagte Partei offenbar meint), sondern ein Entgeltanspruch (Erfüllungsanspruch) des Werkunternehmers (RIS-Justiz RS0021875), der grundsätzlich gemeinsam mit dem „gewöhnlichen“ Werklohn erst mit der Vollendung des Werks fällig wird (M. Bydlinski in KBB3 § 1168 Rz 7) und der dreijährigen Verjährungsfrist nach § 1486 Z 1 ABGB unterliegt (RIS-Justiz RS0021881).

3. Betreffend die Fälligkeit des „gewöhnlichen“ Werklohns wurde eine Vereinbarung getroffen (zwei 2 Monate nach Fertigstellung der Arbeiten). Angesichts der Einbringung der Klage am 8. September 2011 ist Verjährung der Mehrkostenforderung nicht eingetreten.

4. Die außerordentliche Revision der beklagten Partei ist daher mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen.

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