Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Text
Begründung
Das Erstgericht wies den Antrag des Bewohnervertreters, dass die Verabreichung zweier näher bezeichneter Medikamente als freiheitsbeschränkende Maßnahmen festgestellt und als unzulässig erklärt werden, mit der Begründung ab, dass keine freiheitsbeschränkenden Maßnahmen vorlägen.
Rechtliche Beurteilung
In seinem gegen die bestätigende Rekursentscheidung erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs zeigt der Bewohnervertreter keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf:
1. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist eine Freiheitsbeschränkung durch medikamentöse Mittel nur dann zu bejahen, wenn die Behandlung unmittelbar (7 Ob 186/06p = E-FZ 2007/66; 1 Ob 21/09h) bzw primär (2 Ob 77/08z) die Unterbindung des Bewegungsdrangs bezweckt, nicht jedoch bei unvermeidlichen bewegungsdämpfenden Nebenwirkungen, die sich bei der Verfolgung anderer therapeutischer Ziele ergeben können (RIS-Justiz RS0121227).
Ist das Medikament ein (reines) Sedativum, kann von einer bewegungsdämpfenden Nebenwirkung keine Rede sein (2 Ob 77/08z).
2. Richtig ist, dass in den bisher ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidungen nicht zur Frage Stellung bezogen werden musste, ob auch dann eine Freiheitsbeschränkung durch medikamentöse Mittel zu bejahen ist, wenn die Unterbindung des Bewegungsdrangs einen von mehreren gewollten Zwecken der Behandlung darstellt (bejahend Ganner, Medikamentöse Freiheitsbeschränkungen nach dem HeimaufG, iFamZ-Spezial Juli 2010, 46 [48 f]; s ferner Janoch, Freiheitsbeschränkung durch Medikation, iFamZ-Spezial Juli 2010, 51 f, der darauf abstellt, ob das Medikament verordnet wurde, um ein Symptom einer psychischen Störung, das mit Bewegungsüberschuss einhergeht, zu unterdrücken oder ob die Substanz zur Distanzierung von pathologischen Erlebnissen verordnet wurde).
3. Entgegen der im Revisionsrekurs vertretenen Auffassung sind die erstgerichtlichen Feststellungen jedoch ohnehin nicht so zu verstehen, dass die in Frage stehenden Medikamente auch mit dem Zweck verabreicht wurden, den Bewegungsdrang der Bewohnerin zu unterbinden:
Das Erstgericht stellte vielmehr, vom Rekursgericht übernommen, fest, dass die bei der Bewohnerin bestehende Unruhe (im Sinn einer „inneren“ Unruhe) und ihre Angstzustände einen Leidensdruck aufbauen, der durch die Gabe der Medikamente verringert werden soll. Aus dem Gesamtzusammenhalt der erstgerichtlichen Feststellungen und der Beweiswürdigung des Erstgerichts ergibt sich, dass die Medikamente verordnet wurden, um die Angstzustände und den Leidensdruck der Bewohnerin zu lindern, weshalb die darauf beruhende Beurteilung des Rekursgerichts, im Anlassfall stelle die mit beiden Medikamenten verbundene Sedierung nicht Ziel und Zweck der Medikation der Bewohnerin dar, sondern führe lediglich als Nebenwirkung zu einer - allerdings nicht unwillkommenen - Beruhigung auch des Bewegungsdrangs, nicht zu beanstanden ist.
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